TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/24 2003/12/0187

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Veröffentlicht am 24.02.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

BDG 1979 §51 Abs1;
BDG 1979 §51 Abs2;
GehG 1956 §13 Abs3 Z2;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Thoma. Dr. Pfiel und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schilhan, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid des Bundeskanzlers vom 30. September 2003, Zl. 102.943/007-I/2/a/2003, betreffend Entfall der Bezüge nach § 13 Abs. 3 Z. 2 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der 1943 geborene Beschwerdeführer stand bis zur Rechtskraft des seine Entlassung aussprechenden Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt vom 18. September 2001 als Amtsdirektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war im Zeitpunkt der Bescheiderlassung das "Österreichische Statistische Zentralamt". Diesem Amt kam auch die Stellung einer Dienstbehörde erster Instanz zu. Der angefochtene Bescheid betrifft einen Zeitraum des aktiven öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers.

Seit 1. August 1987 gehörte der Beschwerdeführer (mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 v.H.) auf Grund des Bescheides des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Juli 1988 zum Kreis der begünstigten Behinderten nach § 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG).

Bereits mit Bescheid des Bundeskanzlers vom 18. September 1998 wurden dem Beschwerdeführer für den Zeitraum vom 31. Juli 1997 bis zum 9. März 1998 gemäß § 13 Abs. 3 Z. 2 GehG (nunmehr § 12c Abs. 1 Z. 2 GehG), zufolge ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst die Bezüge eingestellt. Die dagegen erhobene zur hg. Zl. 99/12/0028 protokollierte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof, gemeinsam miterledigt bzw. zur gemeinsamen Entscheidung verbunden mit der Beschwerde zur Zl. 98/12/0139, wurde als unbegründet abgewiesen. Bezüglich des weiter zurückreichenden Sachverhaltes wird daher auf die Ausführungen in diesem Erkenntnis verwiesen.

Der für die nunmehr protokollierte Beschwerde maßgebliche Zeitraum, über den der angefochtene Bescheid abgesprochen hat, betrifft ausschließlich die Zeit vom 10. März 1998 bis zum 12. November 2001.

Am 11. März 1998 langte bei der Dienstbehörde erster Instanz eine Krankmeldung des Beschwerdeführers, ausgestellt vom praktischen Arzt Dr. S. ein, in der, ohne weitere Angaben über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, eine Verlängerung der Krankmeldung vom 23. Oktober 1996 bestätigt wurde, der zufolge der Beschwerdeführer "bis auf Weiteres" verhindert gewesen sei, seinen Dienst zu versehen.

In der Folge erging ein Schreiben an den Beschwerdeführer, womit ihm die Weisung der Dienstbehörde vom 4. Jänner 1995 in Erinnerung gerufen wurde, wonach er sich im Falle der Dienstverhinderung, ohne dass es noch einer gesonderten Aufforderung der Dienstbehörde bedürfte, spätestens am nächstfolgenden Arbeitstag in der Ordination von OMR Dr. R. zur Vornahme einer vertrauensärztlichen Untersuchung einzufinden habe. Falls der Vertrauensarzt des Bundeskanzleramtes seine Dienstfähigkeit feststelle, habe er noch am selben Tag unverzüglich den Dienst beim Leiter der Präsidialabteilung des Österreichischen Statistischen Zentralamtes anzutreten. Weiters wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er mit der alleinigen Vorlage der Krankmeldung diese Weisung verletzt habe und dass seine Abwesenheit vom Dienst ab 10. März 1998 als nicht gerechtfertigt gelte. Mit neuerlichem Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 8. Mai 1998 wurde der Beschwerdeführer nochmals ersucht, eine Krankmeldung vorzulegen.

In weiterer Folge legte der Beschwerdeführer dem Amt eine Krankmeldung vom 18. Mai 1998, ausgestellt vom praktischen Arzt Dr. T. vor, aus der hervorging, dass sich der Beschwerdeführer in dessen Behandlung befinde und voraussichtlich bis auf Weiteres verhindert sei, seinen Dienst zu versehen. Die Vorlage zusätzlicher Gutachten unterblieb jedoch.

Mit Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 9. Oktober 1998 wurde der Beschwerdeführer nochmals aufgefordert, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, seine Abwesenheit zu rechtfertigen und bekannt zu geben, bei wem er sich in ärztlicher Behandlung befunden habe bzw. welchen Therapien er sich in diesem Zeitraum (seit der letzten Untersuchung am 14. Juli 1997) unterzogen habe. Neuerlich wurde er auch ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Einhaltung der zitierten Weisung hingewiesen sowie aufgefordert, unverzüglich den Dienst anzutreten. Mit Schreiben vom 28. Oktober 1998 wurde dieses Ersuchen nochmals wiederholt. Auch mit Schreiben vom 9. Dezember 1998 wurde der Beschwerdeführer nochmals darauf hingewiesen, dass sein unverzüglicher Dienstantritt erwartet werde.

Mit Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt vom 12. Februar 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachts des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst bzw. der Nichtbefolgung einer Weisung der Dienstbehörde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Im Zuge dessen wurden eingeholt:

1. ein fachärztliches orthopädisches Gutachten von Prim. Dr. R. vom 20. Dezember 1999. Dieser attestierte eine leichte Arbeit unter leichter körperlicher Beanspruchung unter durchschnittlichem Zeitdruck mit zusätzlichen Arbeitspausen von zehn Minuten alle zwei Stunden zur Lageänderung im Falle des Auftretens von Kreuzschmerzen als für den Beschwerdeführer zumutbar. Komplette Dienstunfähigkeit habe nur zeitweise bei akuten Schmerzschüben bestanden.

2. ein Gutachten von Prof. Dr. F., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 15. Jänner 2000. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass sich der Zustand des Beschwerdeführers seit der letzen Untersuchung aus psychiatrischer Sicht nicht verändert habe. Der Beamte sei bis auf einige Tage interkurrenter Erkrankungen nicht psychiatrischer Natur durchgehend dienstfähig gewesen und sei auch derzeit dienstfähig. Er sei aus psychiatrischer Sicht in der Lage, seine diesbezüglichen Aufgaben zu erfüllen, sofern er nicht unter allzu großen Zeitdruck gerate und nicht mit komplexeren und vor allem neuartigen Aufgaben versehen werde. Das festgestellte Störbild des Beschwerdeführers lege keine Vermutung nahe, die Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, Schuldfähigkeit und Einsichtsfähigkeit rechtfertigen würden.

3. ein fachärztlicher Befund des Vertrauensarztes des Bundeskanzleramtes, OMR Dr. R., vom 23. Mai 2000. Auch der Vertrauensarzt erachtete den Beschwerdeführer als prinzipiell dienstfähig.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2000 nahm der Beschwerdeführer dazu Stellung und führte aus, dass er sich derzeit in einem Zustand eines "akuten Schmerzschubes", wie er auch von Dr. R. bestätigt werde, befinde. Nähere Ausführungen, welcher Art diese Schmerzen seien, erfolgten nicht. Eine weitere Dienstausübung würde für den Beschwerdeführer die Gefahr der Verschlimmerung mit sich bringen und stelle daher auch eine objektiv unzumutbare Unbill dar.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden dem Beschwerdeführer mit der neuerlichen Aufforderung, den Dienst unverzüglich anzutreten bzw. einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, zur Kenntnis gebracht.

Im Anschluss an das Schreiben blieb der Beschwerdeführer weiterhin dem Dienst fern, ohne weitere Entschuldigungsgründe nachzuweisen.

Mit Schreiben vom 9. April 2001 beauftragte die Disziplinarkommission beim Bundeskanzleramt das Amt des Österreichischen Statistischen Zentralamtes mit der Einholung weiterer Gutachten über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers für das laufende Disziplinarverfahren, welche in weiterer Folge auch als Beweismittel im beschwerdegegenständlichen Verfahren herangezogen wurden.

Es wurden folgende medizinische Gutachten eingeholt:

1. Aus dem Bereich der Orthopädie, Prim. Dr. R., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, vom 20. April 2001. Dieser führte aus, dass im Vergleich zu den Voruntersuchungen im Prinzip keine Besserung im Gesundheitszustand des Beschwerdeführers eingetreten sei. Die degenerativen Veränderungen hätten eher an Ausmaß zugenommen. Die körperliche Beanspruchung sei weiterhin nur in einem geringen Ausmaß möglich, sodass nur leichte Arbeiten hauptsächlich im Sitzen in Frage kämen. Die Stressbelastung des Beschwerdeführers erscheine eher gering. Beim Auftreten von Kreuz- oder Nackenschmerzen müsste eine zusätzliche Pause von zehn Minuten alle zwei Stunden zur Lageänderung bzw. zur Entspannung zur Verfügung stehen. Eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Arbeitsprozess erscheine von praktischer Seite her nicht sinnvoll.

2. Aus dem Bereich der Arbeitsmedizin, Dr. P., vom 3. Mai 2001. Dieser beurteilte den Beschwerdeführer als mit achtstündiger leichter bis mittelschwerer Büroarbeit mit Bildschirmtätigkeit bei zusätzlichen Arbeitspausen bei überwiegender sitzender Haltung belastbar. Derartige Arbeiten seien auch zumutbar.

3. Aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie, Prof. Dr. F., vom 14. Mai 2001. Der Gutachter kam zusammenfassend zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer eine zyklothyme Persönlichkeitsstörung in Form von rechthaberischem Raisonieren, sowie querulatorischer und zwänglicher Grundhaltung manifestiert sei, mit Tendenz zur konversionsneurotischen und psychosomatischen Reaktionsmustern. Der Beamte sei aus psychiatrischer Sicht dienstfähig und in der Lage, seine diesbezüglichen Aufgaben zu erfüllen, sofern er nicht unter allzu großen Zeitdruck gerate und nicht mit komplexeren und vor allem neuartigen Aufgaben betraut werde. Derzeit bestehe kein psychiatrischer Grund für einen Krankenstand und für eine Pensionierung. Der psychische Zustand des Beschwerdeführers habe sich seit der letzten Untersuchung nicht verändert.

4. Aus dem Bereich der Inneren Medizin, Dr. M., vom 16. Mai 2001. Die Gutachterin führte aus, dass dem Beschwerdeführer rein fachbezogen alle Arbeiten, die im Sitzen, im Stehen und Gehen zu verrichten seien, in der üblichen Arbeitszeit, mit den üblichen Arbeitspausen zumutbar seien. Es bestünden keine Einschränkungen bezüglich Arbeitsmilieu oder Anmarschwegen. Aus rein interner Sicht sei der Beschwerdeführer für alle verantwortungsvollen Tätigkeiten geeignet, wobei das geistige Leistungsvermögen nicht intern beurteilbar sei. Ebenso könnten Tätigkeiten unter jedem Zeitdruck verrichtet werden. Auch sei Bildschirmarbeit in jedwedem zeitlichen Ausmaß zumutbar. Aus interner Sicht sei dem Beamten auch Teamarbeit in jedem Ausmaß zumutbar.

Der Inhalt dieser Gutachten wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 6. Juni 2001 zur Kenntnis gebracht, wobei er neuerlich aufgefordert wurde, den Dienst unverzüglich am auf die Zustellung des zitierten Schreibens folgenden Arbeitstag anzutreten.

Bis zum 13. November 2001, dem Tag des Eintrittes der Rechtskraft der über den Beschwerdeführer verhängten Disziplinarstrafe der Entlassung, leistete der Beschwerdeführer dieser Aufforderung nicht Folge.

In weiterer Folge erging der Bescheid des Amtes des Österreichischen Statistischen Zentralamtes als Dienstbehörde erster Instanz vom 27. Jänner 2003, womit festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer vom 10. März 1998 bis zum 12. November 2001 eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst ferngeblieben sei, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, weshalb ihm für die Gesamtdauer dieser ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst die Bezüge gemäß § 13 Abs. 3 Z. 2 GehG in der damals geltenden Fassung zur Gänze eingestellt worden seien. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Dienst nicht gerechtfertigt gewesen sei, dieser gegen die Weisung vom 4. Jänner 1995 verstoßen und sich aus den eingeholten (im Bescheid näher zitierten) Gutachten eine Dienstfähigkeit ergeben habe, weshalb für die Dienstbehörde die Abwesenheit vom Dienst als nicht gerechtfertigt gelte und der Entfall der Bezüge für diesen Zeitraum gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 5. Februar 2003 Berufung. Begründend wurde ausgeführt, dass die Bezüge rechtswidrig nicht angewiesen worden seien. Die von der Behörde in ihrer Begründung besonders hervorgehobenen Gutachten seien ebenfalls "rechtswidrig", weil es sich um keine Gutachter, sondern um "willfährige Erfüllungsgehilfen" des Auftraggebers gehandelt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 30. September 2003 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 1 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG) iVm § 66 Abs. 4 AVG in der geltenden Fassung ab. Begründend führte sie nach ausführlicher Wiedergabe des Sachverhaltes aus, dass seit dem Bescheid des Bundeskanzlers vom 18. September 1998 (die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde wurde, wie bereits oben erwähnt, mit hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 99/12/0028, miterledigt und zur gemeinsamen Entscheidung verbunden mit der Zl. 98/12/0139, als unbegründet abgewiesen) keine Änderungen im entscheidungsrelevanten Sachverhalt eingetreten seien. Weder habe der Beschwerdeführer den Dienst angetreten, noch fachärztliche Gutachten vorgelegt, die seine Dienstunfähigkeit hätten bestätigen können. Hinsichtlich der Beurteilung der Dienstfähigkeit sei auch auf die Ausführungen in diesem Bescheid (unter Punkt II. Feststellung der Dienstfähigkeit) zu verweisen. Nach Wiedergabe der näher bezeichneten Arbeitsplatzbeschreibung des Beschwerdeführers beurteilte die belangte Behörde seinen Tätigkeitsbereich von der körperlichen Beanspruchung her als leicht, da er weder Gegenstände von mehr als 10 kg Maximalgewicht anzuheben, noch Gegenstände von einem Maximalgewicht von mehr als 5 kg zu tragen habe. Seine Tätigkeiten seien im Sitzen und ausschließlich in geschlossenen Räumen zu erledigen. Im Hinblick auf sein geistiges Leistungsvermögen beurteilte die belangte Behörde den Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers unter Hervorhebung seines Fachwissens als mittelschwer, weil er nur in sehr geringem Maße Verantwortung tragen müsse (im Bereich der Plausibilitätskontrolle) und bei der Verrichtung seiner Aufgaben unter keinem Zeitdruck stehe (er sei grundsätzlich an keine Terminvorgaben gebunden). Außerdem sei der Beschwerdeführer mit keinen komplexen und neuartigen Aufgaben konfrontiert worden.

Dieser Beurteilung stellte nun die belangte Behörde die Ergebnisse der einzelnen Gutachten gegenüber, wobei sie den körperlichen Gesundheitszustand und die Beurteilung des geistigen Gesundheitszustandes getrennt behandelte und unterzog diese einer entsprechenden Würdigung. Insbesondere griff die belangte Behörde auch den einzig bestehenden Widerspruch im Gutachten Dris. R. auf, der dem Beschwerdeführer einerseits aus orthopädischer Sicht als mit den Aufgaben seines Arbeitsplatzes belastbar beurteilte, andererseits aber auch aussprach, dass ihm eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Arbeitsprozess von praktischer Seite her nicht sinnvoll erscheine. Dazu führte die belangte Behörde aus, dass der Formulierung "von praktischer Seite" zu entnehmen sei, dass es sich dabei um eine rein subjektive Äußerung des Gutachters handle, habe er doch in seiner Funktion nur objektivierbare medizinische Feststellungen und nicht solche hinsichtlich der Praktikabilität einer Maßnahme zu treffen. Außerdem habe der Gutachter selbst zur Beurteilung der Dienstfähigkeit aus dem Blickwinkel der Psychiatrie und Neurologie auf ein Gutachten aus diesem Bereich verwiesen, da er nicht als Spezialist in diesem Fachbereich ausgewiesen sei. Es obliege allein der Dienstbehörde, die Dienstfähigkeit festzustellen. Die Tätigkeit des medizinischen Sachverständigen habe sich darauf zu beschränken, der Dienstbehörde bei der Feststellung fachtechnisch geschulte (medizinisch-wissenschaftliche) Hilfestellung zu leisten.

Schließlich kam die belangte Behörde nach Würdigung der Gutachten zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer sowohl auf Grund seines körperlichen als auch hinsichtlich seines geistigen Gesundheitszustandes in der Lage gewesen wäre, die Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu erfüllen, sodass er ohne Unterbrechung für den gesamten entscheidungsrelevanten Zeitraum bis zum Zeitpunkt seiner Entlassung dienstfähig gewesen sei.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass das Vorliegen einer ärztlichen Bescheinigung an sich noch nicht die Abwesenheit des Beamten vom Dienst rechtfertige. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut müsse der Beamte durch seine Krankheit verhindert sein, seinen Dienst zu versehen. Ob eine Erkrankung Dienstunfähigkeit bedinge, sei nach der Lage des konkreten Falles von der Dienstbehörde zu beurteilen und dann gegeben, wenn der Beamte wegen konkret bei ihm gegebener Folgen einer Erkrankung den an ihn gestellten dienstlichen Anforderungen nicht entsprechen könne. Aus keinem der im Verfahren von verschiedenen Ärzten eingeholten Sachverständigengutachten habe sich konkret eine Erkrankung ergeben, auf Grund deren Folgen er nicht in der Lage gewesen sei, seine Dienstpflichten zu erfüllen bzw. auf Grund derer bei Dienstleistung die Gefahr einer nicht zumutbaren Verschlimmerung seines Zustandes gegeben gewesen wäre oder die Dienstleistung für ihn objektiv eine unzumutbare Unbill dargestellt hätte. Die Ergebnisse der Gutachten und die für die Dienstbehörde daraus resultierend festgestellte Dienstfähigkeit sei dem Beschwerdeführer auch zur Kenntnis gebracht worden. Gleichzeitig sei er mehrfach mit Schreiben aufgefordert worden, seinen Dienst unverzüglich anzutreten bzw. bei Nichtantreten einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen.

Da der Beschwerdeführer trotz Kenntnis der Ergebnisse der Gutachten und den daraus gezogenen Schlüssen weder den Dienst angetreten habe, noch einen ausreichenden Entschuldigungsgrund habe nachweisen können, sei er während des gesamten entscheidungsrelevanten Zeitraumes ungerechtfertigt vom Dienst ferngeblieben. Außerdem sei der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 23. März 1998 und vom Oktober 1998 auf die Weisung vom 4. Jänner 1995, wonach er verpflichtet gewesen sei, sich bei jeder Krankmeldung zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung bei OMR Dr. R. einzufinden, und auf die Weisung vom 29. Jänner 1997, wonach er verpflichtet gewesen sei, neben dem ärztlichen Attest ein fachärztliches Gutachten vorzulegen, hingewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe jedoch in der Folge die in den zitierten Weisungen getroffenen Anordnungen nicht befolgt, obwohl ihm deren Inhalt schon auf Grund des vorher durchgeführten Verfahrens hinlänglich hätte bekannt sein müssen. Auf Grund der Nichtbefolgung der Weisungen und der Verletzung der auferlegten Mitwirkungspflichten gelte seine Abwesenheit vom Dienst im entscheidungsrelevanten Zeitraum als nicht gerechtfertigt. Zusammenfassend ergebe sich daher, dass der Entfall der Bezüge gerechtfertigt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, womit der Beschwerdeführer dessen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, der Verwaltungsgerichtshof möge die Beschwerde wegen entschiedener Sache zurückweisen bzw. in eventu als unbegründet abweisen und den Beschwerdeführer zum Ersatz des der belangten Behörde entstandenen Schriftsatz- und Vorlageaufwandes verpflichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage:

Da der Entfall der Bezüge zeitraumbezogen zu beurteilen ist, kommt im Beschwerdefall die im strittigen Zeitraum 10. März 1998 bis 12. November 2001 geltende Rechtslage zur Anwendung. Mit Wirkung ab 29. Mai 2002 erhielten die ehemaligen Abs. 3 und 4 des § 13 GehG gemäß Art. 2 Z. 5 der Dienstrechts-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 87, die Bezeichnung § 12c Abs. 1 und 2. In dem im Beschwerdefall maßgeblichen Zeitraum war der Entfall der Bezüge jedoch in der Bestimmung des § 13 Abs. 3 Z. 2 GehG in der anzuwendenden Fassung des Art. I Z. 5 der 30. Gehaltsgesetz-Novelle, BGBl. Nr. 318/1977, geregelt und lautete:

"(3) Die Bezüge entfallen

1.

für die Dauer eines Karenzurlaubes;

2.

wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst."

Der Beamte, der vom Dienst abwesend ist, ohne vom Dienst befreit oder enthoben zu sein, hat nach § 51 Abs. 1 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 in der Stammfassung, den Grund seiner Abwesenheit unverzüglich seinem Vorgesetzten zu melden und seine Abwesenheit zu rechtfertigen. § 51 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"(2) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder Gebrechen an der Ausübung seines Dienstes verhindert, so hat er seinem Vorgesetzten eine ärztliche Bescheinigung über den Beginn der Krankheit und nach Möglichkeit über die voraussichtliche Dauer der Dienstverhinderung vorzulegen, wenn er dem Dienst länger als drei Arbeitstage fernbleibt oder der Vorgesetzte oder der Leiter der Dienststelle dies verlangt. Kommt der Beamte dieser Verpflichtung nicht nach, entzieht er sich einer zumutbaren Krankenbehandlung oder verweigert er die zumutbare Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt."

§ 52 BDG 1979, Abs. 1 in der Stammfassung, Abs. 2 in der Fassung des Art. I Z. 5 des BGBl. Nr. 820/1995 (in Kraft getreten am 1. Jänner 1996), lautet:

"Ärztliche Untersuchung

(1) Bestehen berechtigte Zweifel an der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben erforderlichen körperlichen oder geistigen Eignung des Beamten, so hat sich dieser auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.

(2) Der infolge Krankheit, Unfalls oder Gebrechens vom Dienst abwesende Beamte hat sich auf Anordnung der Dienstbehörde einer ärztlichen Untersuchung zur Prüfung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen. Wenn es zur zuverlässigen Beurteilung erforderlich ist, sind Fachärzte heranzuziehen. Eine Anordnung im Sinn des ersten Satzes ist spätestens 3 Monate nach Beginn der Abwesenheit vom Dienst und sodann in Abständen von längstens 3 Monaten zu erteilen."

II. Beschwerdeausführungen und Erwägungen:

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht

1. auf Auszahlung der Bezüge für den Zeitraum vom 31. Juli 1997 bis zum 9. März 1998 gemäß § 3 GehG, sowie

2. auf Auszahlung seiner Bezüge und auf Erlassung eines gesetzmäßigen Bescheides nach Abführung eines gesetzmäßigen Verfahrens verletzt.

In Ausführung dieser Beschwerdepunkte bringt der Beschwerdeführer vor, dass bereits das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes ausreichend sei. Von ihm sei ein ärztliches Attest vorgelegt worden, weshalb seine Abwesenheit auch gerechtfertigt gewesen sei. Dieses ausreichende Attest sei von der belangten Behörde zu Unrecht nicht als Entschuldigung angesehen worden. Die Einholung weiterer Gutachten sei nicht erforderlich gewesen, sondern stelle Willkür dar.

Diese Ausführungen vermögen der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Zunächst ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass mit dem angefochtenen Bescheid ausschließlich über die Einstellung der Bezüge im Zeitraum 10. März 1998 bis 12. November 2001 abgesprochen worden ist, weshalb der Beschwerdeführer auch nicht durch diesen Bescheid in einem unter Punkt 1. der Beschwerdepunkte genannten Recht verletzt sein konnte.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegt jedoch darin kein Grund für eine Zurückweisung der Beschwerde wegen entschiedener Sache durch den Verwaltungsgerichtshof. "Entschiedene Sache" im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG wird in aller Regel in den Fällen vorliegen, in welchen derselbe Beschwerdeführer neuerlich beim Verwaltungsgerichtshof denselben Verwaltungsakt bekämpft oder denselben Säumnistatbestand geltend macht, der Verwaltungsgerichtshof aber in der betreffenden Sache darüber bereits in irgendeiner Weise entschieden hat. Davon ist der Begriff der "Verwaltungssache" zu unterscheiden, der zur Bestimmung der objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft der Entscheidung im Verwaltungsverfahren dient (vgl. hiezu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 8. Auflage, Rz 481 mwN.). Auch im Administrativverfahren wäre die Identität von Sachbegehren und Rechtsgrund Voraussetzung für eine "res iudicata". Selbst dann, wenn die belangte Behörde über zwei idente Feststellungsbegehren aus demselben Lebenssachverhalt -  unter allfälliger Missachtung der Rechtskraft ihrer eigenen ersten Entscheidungen - ein weiteres Mal abgesprochen haben sollte (was im vorliegenden Fall keineswegs gegeben ist), hätte dies für das verwaltungsgerichtliche Verfahren zur Konsequenz, dass nunmehr ein anderer Verwaltungsakt Gegenstand der Bescheidbeschwerde wäre, sodass schon begrifflich keine "entschiedene Sache" im Sinne des § 34 Abs. 1 VwGG mehr vorliegen könnte, selbst wenn sich die Lebenssachverhalte zum Teil überschnitten hätten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. März 2001, Zl. 95/12/0041).

Die vorliegende Beschwerde bezieht sich eindeutig auf den Bescheid der belangten Behörde vom 30. September 2003 (und nicht auf den bereits vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 99/12/0028, behandelten Bescheid des Bundeskanzlers vom 18. September 1998) und führt die korrekte Geschäftszahl dieses Bescheides an, auch wenn der Beschwerdeführer (offenbar irrtümlich) mehrfach einen anderen betroffenen Zeitraum (nämlich 31. Juli 1997 bis 9. März 1998) angibt. Der von der belangten Behörde geltend gemachte Grund für eine Zurückweisung der Beschwerde wegen entschiedener Sache liegt daher nicht vor. Auch ist eine Verletzung des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid in seinem unter 2. der Beschwerdepunkte umschriebenen Recht nicht von vornherein unmöglich.

Der Haupteinwand des Beschwerdeführers, dass seine Abwesenheit gerechtfertigt gewesen wäre, erweist sich aus folgenden Überlegungen als unzutreffend:

Die belangte Behörde stützt ihre Entscheidung auf zwei Gründe, die - wenn sie zutreffen - jeweils für sich allein die Bezugseinstellung tragen würden, und zwar

a) die Bejahung der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers - gemessen an Hand der Anforderungen seines aktuellen Arbeitsplatzes, die zu seinem (unter Einholung von verschiedenen bereits genannten, medizinischen Sachverständigengutachten beurteilten) Gesundheitszustand in Beziehung gesetzt werden - und

b) die Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 51 Abs. 2 letzter Satz BDG 1979 in Verbindung mit bestimmten, dem Beschwerdeführer erteilten Weisungen.

Hinsichtlich der ihr obliegenden Beurteilung der Dienstfähigkeit hat die Behörde insbesondere festzustellen, ob der Beamte aufgrund seines Gesundheitszustandes in der Lage ist, den an ihn gestellten dienstlichen Anforderungen zu entsprechen; es kommt darauf an, worin die Tätigkeiten bestehen, die zu den Dienstpflichten des Beamten gehören, und welche Tätigkeiten bei seinem Gesundheitszustand zumutbar sind. Die Gegenüberstellung dieser beiden Gruppen ermöglicht erst die der Behörde alleine obliegende Lösung der Rechtsfrage, ob ein ausreichender Entschuldigungsgrund für ein eigenmächtiges Fernbleiben vom Dienst vorliegt oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2001, Zl. 98/12/0139).

Bei der Feststellung, dass der Beschwerdeführer im maßgebenden Zeitraum (10. März 1998 bis 12. November 2001) dienstfähig und daher ohne ausreichenden Entschuldigungsgrund vom Dienst abwesend war, hat sich die belangte Behörde unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen des Arbeitsplatzes auf insgesamt sieben (davon vier im Zuge des Disziplinarverfahrens eingeholte) Gutachten gestützt. In fünf dieser Gutachten wird der Beschwerdeführer bei leichter und mittlerer Beanspruchung als dienstfähig erachtet. Nur aus den beiden Gutachten des orthopädischen Sachverständigen Prim. Dr. R. ergibt sich allenfalls eine gewisse Ungereimtheit, als dieser einerseits ausführte, dass dem Beschwerdeführer eine leichte Arbeit im Sitzen zumutbar sei, andererseits aber aussprach, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Arbeitsprozess von praktischer Seite her als nicht sinnvoll erscheine. Die belangte Behörde hat diesen Umstand auch aufgegriffen und sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausreichend nachvollziehbar damit auseinandergesetzt. Die vom Beschwerdeführer am 11. März 1998 und am 18. Mai 1998 vorgelegten Krankenbestätigungen enthalten hingegen überhaupt keinen Befund, aus dem sich die Schlussfolgerung einer krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit nachvollziehbar ableiten ließe. Sie waren daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht geeignet, Bedenken an der Richtigkeit der Ausführungen der obgenannten medizinischen Sachverständigen zu erwecken.

Es war daher nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde dem Beschwerdeführer in der Zeit vom 10. März 1998 bis 12. November 2001 wegen der Unterlassung des Dienstantritts trotz seiner Dienstfähigkeit die Bezüge nach § 13 Abs. 3 Z. 2 GehG 1956 einstellte, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 24. Februar 2006

Schlagworte

Einwendung der entschiedenen Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003120187.X00

Im RIS seit

30.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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