TE OGH 1993/4/22 8Ob512/93

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Veröffentlicht am 22.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Edgar Huber, Dr. Anton Schwarz, Dr. Ronald Rohrer und Dr. Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** Gesellschaft m. b.H.,***** vertreten durch Dr. Helmut Winkler, Dr. Otto Reich-Rohrwig und Dr. Udo Elsner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 2. September 1992, GZ 48 R 398/92-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 13. Februar 1992, GZ 9 C 1348/91w-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.623,04 (einschließlich S 603,04 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei vermietete der beklagten Partei ab 1.10.1990 ein Geschäftslokal im Hause Sechshauserstraße 94-96, Stiege 2, Tür R2, im

15. Wiener Bezirk, zum Betrieb eines Textilgeschäftes, das dort zunächst vereinbarungsgemäß bis Dezember 1990 geführt wurde. Seither betreibt die beklagte Partei dort eine Videothek. Die Gewerbeberechtigung der beklagten Partei beinhaltet lediglich den "Verleih" von Videokassetten, nicht auch deren Verkauf. Im Geschäftslokal werden Videokassetten vorwiegend in serbokroatischer und türkischer Sprache "verliehen".

Das Erstgericht hob die auf § 30 Abs 2 Z 4 und 7 MRG gestützte gerichtliche Aufkündigung des Geschäftslokales als rechtsunwirksam auf, weil es die beklagte Partei nach wie vor für eigene Zwecke benütze und darin eine geschäftliche Tätigkeit ausübe, die der im Vertrag bedungenen Tätigkeit gleichwertig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision - mangels ausreichender Judikatur zur Frage der Gleichwertigkeit - zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision ist jedoch unzulässig, weil entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes (§ 508a Abs 1 ZPO) die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht vorliegen.

Der OGH hat sich seit Inkrafttreten des MRG und damit der gegenüber § 19 Abs 2 Z 14 geänderten Fassung des entsprechenden Kündigungstatbestandes bereits in zahlreichen Fällen mit der Auslegung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG und insbesondere des Begriffes der Gleichwertigkeit befaßt und ausgesprochen, daß durch die Neufassung dieses Kündigungsgrundes einer Umwidmung von Räumlichkeiten, die zu einer regelmäßigen geschäftlichen Betätigung gemietet wurden, in nicht gleichwertige Verwendungsformen entgegengewirkt werden sollte (RdW 1985, 371 = MietSlg 37.440); am Wesen des Kündigungsgrundes des § 19 Abs 2 Z 14 MG, nämlich dem Wegfall eines schutzwürdigen Interesses des Mieters, hat sich aber durch die Neufassung dieses Tatbestandes nichts geändert. Aus diesem Blickwinkel muß daher auch die Gleichwertigkeit einer anderen Verwendung als der vertraglich bedungenen beurteilt werden (MietSlg 39.457/41; MietSlg 40.465 = SZ 61/42; MietSlg 41.352; 7 Ob 615/87). Nicht gleichwertig ist die Verwendung zu minderwertigen, periphären statt zentralen Zwecken (Verwendung eines Verkaufslokals als Magazin, Lager, Abstellraum, Schauraum; eines Büros zu Archivierungszwecken: vgl MietSlg 37.441; MietSlg 37.442; MietSlg 39.457/41; MietSlg 40.465 = SZ 61/42) oder eine Verwendungsform, die mit einer unternehmerischen Tätigkeit nichts oder kaum zu tun hat (Verwendung eines Magazins zur Lagerung privater Gegenstände: MietSlg 39.457/41; Büro- bzw Geschäftsraum überwiegend als Wohnung: MietSlg 39.459, MietSlg 40.466, MietSlg 41.353).

Weder geänderte Öffnungszeiten noch ein anderes "Zielpublikum" haben für sich alleine zur Folge, daß die geschäftliche Betätigung nicht gleichwertig ist (MietSlg 41.352). Der Umstand, daß eine Videothek mit bloßem "Verleihbetrieb" nicht dem Öffnungszeitengesetz (wiederverlautbart in BGBl 1992/50) entspricht, weil dieses nur für den Kleinverkauf von Waren gilt, kann daher die Ungleichwertigkeit nicht begründen. Es wurde im Verfahren erster Instanz auch nicht behauptet, daß das Geschäftslokal im konkreten Fall - anders als das Textilgeschäft - bis spät in die Nacht offen hätte. Sieht man in dem Hinweis der Revision, es herrsche in Videotheken noch zu einem Zeitpunkt reger Geschäftsbetrieb, in dem üblicherweise Verkaufsgeschäfte bereits geschlossen hätten, die Andeutung, daß auch die schutzwürdigen Interessen der anderen Mieter und der Hauseigentümer berücksichtigt werden müßten, ist darauf hinzuweisen, daß einer etwaigen Belästigung der anderen Bestandnehmer durch die Inanspruchnahme des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG abgeholfen werden könnte (vgl 2 Ob 553/89 = MietSlg 41.352).

Daß die von der beklagten Partei vermieteten Videofilme überwiegend Sexualität und Kriminalität zum Inhalt hätten, wurde im erstinstanzlichen Verfahren weder behauptet noch festgestellt. Im "Verleih" von Videofilmen mit gesellschaftlich allgemein akzeptiertem Inhalt, wie es im Regelfall üblich und mangels gegenteiliger Behauptung auch hier anzunehmen ist, kann weder eine gesellschaftlich verwerfliche oder anrüchige Tätigkeit noch eine solche Tätigkeit erblickt werden, die eine soziale Negativauslese an Personen anspricht (wie etwa bei der Verwendung eines Büroraumes als Bordell, einer Imbißstube als Animierbar: LG ZRS Wien in MietSlg 39.460;

Verwendung eines Baubüros als Ausschank von alkoholischen Getränken:

LG ZRS Wien in MietSlg 42.342; Kaffeehaus als Lokal zur Anbahnung und Ermöglichung der Prostitution: 5 Ob 501/92 = WoBl 1992/113). Der Umstand, daß infolge des "Verleihes" von Filmen in überwiegend anderer Landessprache vor allem Ausländer zum Kundenstock der beklagten Bestandnehmerin zählen, ist kündigungsrechtlich völlig bedeutungslos.

Da das Berufungsgericht die aufgezeigten Rechtsgrundsätze ohnedies beachtet hat und nicht dargetan wurde, aus welchen Gründen der vorliegenden Entscheidung über diesen Einzelfall, der sich nur als eine von vielen möglichen Fallgestaltungen darstellt, hinausgehende Bedeutung zukommen sollte, war die Revision zurückzuweisen.

Der beklagten Partei waren gemäß §§ 41 und 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zuzuerkennen, weil sie auf diesen Umstand hingewiesen und deshalb die Zurückweisung der Revision beantragt hat.

Anmerkung

E30914

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:0080OB00512.93.0422.000

Dokumentnummer

JJT_19930422_OGH0002_0080OB00512_9300000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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