Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Shahin M*****, Angestellter, ***** Wien, S*****gasse 46/82, vertreten durch Hannelore Istvan, Funktionärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, 1070 Wien, Döblergasse 2, wider die Antragsgegner 1.) Dr. Arnulf H*****, Rechtsanwalt, ***** Wien, M*****gasse 5, 2.) Oswald H*****, Direktor, ***** Wien, G*****straße 7, und 3.) Dr. Gritha M*****, Hausfrau, ***** Wien, N*****gasse 10, Zweit- und Drittantragsgegner vertreten durch den Erstantragsgegner, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß (richtig Beschluß) des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 15.Oktober 1992, GZ 48 R 638/92-8, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5.Mai 1992, GZ 47 Msch 62/91-4, im hier noch relevanten Teilbereich bestätigt (richtig: der wegen Nichtigkeit erhobene Rekurs verworfen) wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist Hauptmieter einer Wohnung im Haus S*****gasse 46 in Wien, das bis Ende März 1990 im gleichteiligen Miteigentum der Antragsgegner stand. Über seinen Antrag hat die Schlichtungsstelle der Stadt Wien für den 6. und 7. Bezirk mit Bescheid vom 3.Juni 1991 u. a. festgestellt, daß die Hauseigentümer in der Zeit vom 1.August 1987 bis zum 31.März 1990 (und darüber hinaus) einen das gesetzlich zulässige Ausmaß überschreitenden Hauptmietzins eingehoben haben; ihnen wurde aufgetragen, die Überschreitungsbeträge (insgesamt S 80.232,38 zuzüglich Zinsen) zu je einem Drittel zurückzuzahlen.
Die Antragsgegner haben das Verfahren gemäß § 40 Abs 1 MRG gerichtsanhängig gemacht. Dabei beschränkten sie sich auf den Einwand, die Schlichtungsstelle habe ihr Anhörungsrecht verletzt, weil alle das Verfahren betreffende Zustellungen an den Hausverwalter der neuen Eigentümerin erfolgten.
Das Erstgericht verneinte diesen Nichtigkeitsgrund und stellte mit Sachbeschluß fest, daß der gesetzlich zulässige Hauptmietzins für die verfahrensgegenständliche Wohnung in der Zeit vom 1.August 1987 bis 31. März 1990 um insgesamt S 44.923,40 überschritten wurde. Gleichzeitig trug es den Antragsgegnern auf, dem Antragsteller den Überschreitungsbetrag samt 4 % Zinsen zu je einem Drittel zurückzuzahlen. Die im Spruch dieser Entscheidung außerdem noch enthaltene Feststellung, beim Mietobjekt handle es sich um eine Wohnung der Ausstattungskategorie C, wurde mittlerweile ersatzlos beseitigt.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Sachbeschluß, soweit er die Überprüfung des zulässigen Hauptmietzinses und die Schaffung eines Rückzahlungstitels gegen die Antragsgegner zum Gegenstand hatte. Es hatte sich dabei nur mit Rechtsmittelausführungen zur vermeintlichen Nichtigkeit des Verfahrens zu befassen, wobei die Antragsgegner den Rechtsstandpunkt vertraten, dem gerichtlichen Verfahren habe ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle unter Wahrung des Parteiengehörs vorauszugehen. Dazu führte das Rekursgericht aus:
Von rechtlicher Bedeutung für das anschließende gerichtliche Verfahren sei das Schlichtungsstellenverfahren nur insoweit, als die Anrufung der Schlichtungsstelle Prozeßvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren ist (vgl. MietSlg. 36.692, 38.573, 39.515, 40.572 ua). Gemäß § 39 Abs 1 MRG könne ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bei Gericht nur eingeleitet werden, wenn die Sache - sofern die entsprechenden Einrichtungen vorhanden sind - vorher bei der Gemeinde "anhängig gemacht" worden ist, also die Schlichtungsstelle mit der Sache "befaßt" wurde (vgl. Würth-Zingher, Miet- und WohnR19 Rz 1 zu § 39 MRG), sodaß ein fehlerhaftes Schlichtungsstellenverfahren keine Konsequenz für das - fehlerfreie - Verfahren vor Gericht haben könne, sofern nur die Voraussetzung der Anrufung der Schlichtungsstelle erfüllt ist. Die Entscheidung der Schlichtungsstelle könne durch kein Rechtsmittel angefochten werden (§ 39 Abs 4 MRG), sondern trete durch die Anrufung des Gerichtes (§ 40 Abs 1 MRG) außer Kraft (sukzessive Kompetenz).
Infolge rechtzeitiger Anrufung des Gerichtes durch die Antragsgegner sei die Schlichtungsstellenentscheidung außer Kraft getreten; die Antragsgegner hätten die Möglichkeit gehabt, vor Gericht jene Prozeßhandlungen zu setzen, die ihnen durch das fehlerhafte Verfahren vor der Gemeinde verwehrt worden waren. Im Verfahren vor dem Erstgericht hätten jedoch die Antragsgegner nach Anleitung durch das Gericht ausdrücklich erklärt, zu ihrem (ohne Kenntnis des Sachantrags) in einem Schriftsatz erstatteten Vorbringen vor der Schlichtungsstelle keine Beweisanträge zu stellen. Dem nur wegen der vermeintlichen Nichtigkeit des Schlichtungsstellenverfahrens erhobenen Rekurs sei daher keine Folge zu geben.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält keinen Bewertungsausspruch, erklärt jedoch den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorhanden sei, ob die Prozeßvoraussetzung der vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle auch dann vorliege, wenn ein am Verfahren zwar formell Beteiligter infolge Verletzung des Parteiengehörs dem Verfahren in Wirklichkeit nicht zugezogen wurde.
Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs beharren die Antragsgegner auf ihrem Rechtsstandpunkt, daß dem bei Gericht durchgeführten Verfahren die Prozeßvoraussetzung einer vorherigen Anrufung der Schlichtungsstelle fehle. Ein über Parteienantrag einzuleitendes Verfahren sei erst dann bei der Verwaltungsbehörde anhängig, wenn dem Gegner des Antragstellers der entsprechende Einleitungsantrag - sei es Schriftsatz oder Protokollabschrift - zugestellt wurde. Die Nichtbeachtung der Zustellvorschriften bewirke eine Verletzung des Parteiengehörs, die auch durch eine inoffizielle Kenntnisnahme vom Gegenstand des Verfahrens nicht geheilt werde. Der Rechtsmittelantrag geht dahin, die Nichtigkeit des vor der Schlichtungsstelle durchgeführten Verfahrens festzustellen und auszusprechen, daß eine Sachentscheidung des Gerichtes mangels Vorliegens der Voraussetzung nach § 39 Abs 1 MRG nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Obwohl das Rekursgericht seine Entscheidung als Sachbeschluß bezeichnete, hat es im hier relevanten Teilbereich doch nur über eine Prozeßvoraussetzung des gerichtlichen Verfahrens über das Mietzinsüberprüfungsbegehren des Antragstellers abgesprochen und damit einen rein verfahrensrechtlichen Beschluß gefaßt. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses richtet sich daher nach § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528 ZPO.
Aus dieser Rechtsmittelbeschränkung folgt die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil beide Vorinstanzen den von den Antragsgegnern geltend gemachten Nichtigkeitsgrund verworfen haben. Auch der Größenschluß aus § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO idF vor der WGN 1989) führt zum Ergebnis, daß die vom Rekursgericht verneinte Nichtigkeit vom Obersten Gerichtshof nicht mehr wahrgenommen werden kann (vgl. JBl 1989, 389 ua), was insbesondere für das Verfahren nach § 37 MRG ausgesprochen wurde (WoBl 1993, 35/31). An den gegenteiligen Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 526 Abs 2 ZPO nicht gebunden (vgl. WoBl 1992, 223/147 ua).
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden, ohne der Frage der Bewertung des rekursgerichtlichen Entscheidungsgegenstandes (vgl. WoBl 1991, 142/89; WoBl 1991, 212/128; WoBl 1992, 123/90 ua) nachgehen zu müssen.
Anmerkung
E34638European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0050OB00030.93.0427.000Dokumentnummer
JJT_19930427_OGH0002_0050OB00030_9300000_000