TE OGH 1993/4/27 10ObS215/91

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Veröffentlicht am 27.04.1993
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter aus dem Kreis der Arbeitgeber Dr.Heinrich Matzke und Fritz Stejskal in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Theresia Sp*****, vertreten durch Dr.Johann Kahrer und Dr.Christian Haslinger, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, wegen Erwerbsunfähigkeitspension infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21.Mai 1991, GZ 12 Rs 22/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.Jänner 1991, (vom Senat beschlossen am 10. September 1990), GZ 4 Cgs 29/90-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Das Revisionsverfahren wird unterbrochen, bis über die für die Bemessungsgrundlage der Erwerbsunfähigkeitspension der Klägerin maßgebende strittige Vorfrage der in die Bemessungszeit fallenden Beitragsgrundlagen als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens.

2. Beim beklagten Versicherungsträger wird die Einleitung des Verfahrens in Verwaltungssachen angeregt.

3. Nach rechtskräftiger Entscheidung über die Vorfrage ist das Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen.

Text

Begründung:

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des BSVG in der für diesen Fall geltenden Fassung.)

Mit Bescheid vom 28. 11. 1989 erkannte die beklagte Partei der am 15. 10. 1934 geborenen Klägerin auf deren Antrag vom 10. 8. 1989 vom 1. 11. 1989 an eine Erwerbsunfähigkeitspension von 2.474 S und bis auf weiteres einen Kinderzuschuß für Daniela von 244 S, zusammen also 2.716 S zu. Nach der Bescheidbegründung berücksichtigte sie für die Pensionshöhe 368 Versicherungsmonate und eine Bemessungsgrundlage von 4.262 S (§ 113). Aus der Klagebeantwortung ergibt sich, daß die beklagte Partei in der angenommenen Bemessungszeit vom 1. 1. 1977 bis 31. 12. 1988 folgende Einheitswerte zugrunde legte:

vom 1. 1. 1977 bis 30. 6. 1980 56.000 S,

vom 1. 7. 1980 bis 31. 12. 1982

52.000 S,

vom 1. 1. 1983 bis 31. 12. 1987

59.000 S,

vom 1. 1. 1988 bis 31. 12. 1988

60.000 S.

Die auf eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß, insbesondere unter Heranziehung eines Einheitswertes von 64.000 S, gerichtete rechtzeitige Klage stützt sich darauf, daß nicht zuletzt deshalb von diesem Einheitswert auszugehen sei, weil davon sämtliche Beiträge berechnet und gezahlt worden seien.

Die beklagte Partei räumte ein, daß vom 1. 2. 1983 bis 31. 7. 1986 ein Einheitswert von 61.000 S und vom 1. 8. 1986 bis 31. 12. 1987 ein solcher von 60.000 S zu berücksichtigen wäre, wodurch sich die Bemessungsgrundlage auf 4.311 S und die Erwerbsunfähigkeitspension im Jahre 1989 auf 2.500,40 S erhöhen würde, und daß die Klägerin auch überhöht vorgeschriebene Beiträge gezahlt habe, die auf einer unrichtigen (überhöhten) Beitragsgrundlage beruhten. Deshalb beantragte die beklagte Partei die Abweisung des Mehrbegehrens.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, der Klägerin vom 1. 11. 1989 an eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß unter Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von 4.311 S und daher im Jahre 1989 eine monatliche Pension von 2.500,40 S zu zahlen und wies das Mehrbegehren ab.

Nach seinen wesentlichen Feststellungen ergeben sich für die Bemessungszeit folgende Einheitswerte als Bemessungs- bzw Beitragsgrundlage:

1. 1. 1977 bis 30. 6. 1980 56.000 S

1. 7. 1980 bis 31. 12. 1982 52.000 S

1. 1. 1983 bis 31. 1. 1983 59.000 S

1. 2. 1983 bis 31. 7. 1986 61.000 S

1. 8. 1986 bis 31. 12. 1988 60.000 S.

Die Klägerin zahlte auf Grund der Beitragsvorschreibungen von Februar 1983 bis Juni 1985 Beiträge von einem Einheitswert von 63.000 S und von Juli 1985 bis Dezember 1988 Beiträge von einem Einheitswert von 64.000 S. Für den Zeitraum Februar 1983 bis September 1986 wurden von der beklagten Partei 2.086 S als verjährte Einzahlungen festgestellt. Von den Mehrbeitragsleistungen ab Oktober 1986 wurden der Klägerin 2.001 S bzw. 1.809 S gutgeschrieben.

Nach der rechtlichen Beurteilung der ersten Instanz habe die Klägerin für die Zeit vom 1. 7. 1980 bis 31. 1. 1983 nur die ihr auf der Basis der Einheitswerte von 52.000 S bzw 59.000 S vorgeschriebenen Beiträge gezahlt, weshalb § 106 Abs 1 einer Erhöhung auf die tatsächlichen Einheitswerte entgegenstehe, zumal die nunmehr höheren Beiträge jedenfalls nicht vor dem Stichtag entrichtet worden seien. Insofern sei auch § 65 nicht heranzuziehen. Für die Zeit vom 1. 2. 1983 bis 31. 12. 1988 sei eine Korrektur der Bemessungsgrundlage möglich und zulässig. Einer Rückzahlung der für die Zeit vom 1. 2. 1983 bis September 1986 geleisteten überhöhten Beiträge stehe die dreijährige Verjährungsfrist des § 40 Abs 1 entgegen. Die für Oktober 1986 bis 31. 12. 1988 zu viel erbrachten Beiträge seien von der beklagten Partei zum Teil bzw zur Gänze gutgeschrieben worden.

Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils nicht Folge.

Es erachtete die Beweisrüge als unbeachtlich und führte zur Rechtsrüge im wesentlichen aus:

Es sei für die Bemessungsgrundlage unerheblich, daß die Klägerin auf Grund von Irrtümern des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung und der beklagten Partei vom 1. 7. 1980 bis 31. 1. 1983 zu geringe und vom 1. 2. 1983 an überhöhte Beiträge geleistet habe. Für die Bemessungsgrundlage sei der Versicherungswert des Betriebes maßgeblich, der nach § 23 ein Hundertsatz des Einheitswertes sei. Überhöht vorgeschriebene Überzahlungen könnten allenfalls zu einer freiwilligen Höherversicherung führen, die sich aber nur auf die Alterspension auswirken könne. § 65 sei vom Erstgericht zu Recht nicht angewendet worden, weil der angefochtene Bescheid nach § 71 Abs 1 ASGG durch die Klage im Umfang des Klagebegehrens außer Kraft getreten sei. Im übrigen sei der gesetzmäßige Zustand der, bei dem der richtige Einheitswert zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage herangezogen werde. Die Berücksichtigung eines überhöht geleisteten Pflichtbeitrages falle nicht unter § 65. Inwieweit die Klägerin Anspruch auf Rückzahlung zu viel geleisteter Beiträge habe, bzw inwieweit dieser Anspruch verjährt sei, sei nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides gewesen und daher auch nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die unbeantwortete Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Sachantrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern.

Über die nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision kann noch nicht entschieden werden.

Ist in einer Rechtsstreitigkeit nach § 65 Abs 1 Z 1....ASGG.... die

maßgebende Beitragsgrundlage ..... als Vorfrage strittig, so ist nach

§ 74 Abs 1 leg cit das Verfahren zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig entschieden worden ist, dies einschließlich eines allenfalls anhängig gewordenen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens. Ist im Zeitpunkt der Unterbrechung des Verfahrens noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig, so hat das Gericht die Einleitung des Verfahrens beim Versicherungsträger anzuregen.

Eine Unterbrechung nach § 74 Abs 1 ASGG ist auch vom Rechtsmittelgericht anzuordnen (Fasching in Tomandl, SV-System 6. ErgLfg 728; SSV-NF 2/22, 3/143). Voraussetzung einer solchen Unterbrechung ist, daß die Entscheidung über die Klage ganz oder zum Teil von der Beurteilung einer solchen Vorfrage abhängt und daß die betreffende Vorfrage zwischen den Prozeßparteien strittig ist (Kuderna, ASGG § 74 Erl 2).

Die maßgebende Beitragsgrundlage ist jene Größe, die für die Höhe der Beiträge bzw für die Bemessung der Leistungen maßgebend ist (Kuderna, ASGG § 74 Erl 2 unter Berufung auf den AB).

Nach § 23 Abs 1 ist Grundlage für die Bemessung der Beiträge in der Kranken- und Pensionsversicherung für die gemäß § 2 Abs 1 Z 1 und 3 Pflichtversicherten, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der Versicherungswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes (monatliche Beitragsgrundlage). Der Versicherungswert ist ein im § 23 Abs 2 festgelegter, mit Wirksamkeit ab 1.Jänner eines jeden Jahres zu vervielfachender Hundertsatz des Einheitswertes des Betriebes. Hiebei ist von dem zuletzt iS des § 25 des Bewertungsgesetzes festgestellten Einheitswert auszugehen. Der Versicherungswert ist jeweils zum 1. Jänner eines jeden Kalenderjahres neu festzustellen und auf volle Schilling zu runden.

Nach dem erst mit der 11. BSVNov BGBl 1987/611 eingeführten, seit 1. 1. 1988 geltenden § 23 Abs 3 lit f ist bei Bildung des Versicherungswertes gemäß Abs 2 bei Erwerb oder Veräußerung einer land(forst)wirtschaftlichen Fläche (Übertragung von Eigentumsanteilen an einer solchen), wenn gemäß § 21 Abs 1 Z 1 lit a des BewG der Einheitswert nicht neu festgestellt wird, ein um den anteilsmäßigen Ertragswert dieser Flächen (des Eigentumsanteiles) erhöhter bzw verminderter Einheitswert zugrunde zu legen. Änderungen des Einheitswertes gemäß Abs 3 lit ..... f sowie durch sonstige Flächenänderungen werden nach § 23 Abs 5 mit dem ersten Tag des Kalendervierteljahres wirksam, das der Zustellung des Bescheides der Finanzbehörde erster Instanz folgt.

Die erwähnte Novellierung des § 23 Abs 3 wurde in der in MGA SV der Bauern 20. ErgLfg 64 f FN 9a zit RV zur 11. BSVGNov 326 BlgNR 17. GP mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet, nach der Flächenänderungen, die bewertungsrechtlich als geringfügig anzusehen waren, auch sozialversicherungsrechtlich außer Betracht zu bleiben hatten. Dieses Ergebnis erschien dem Gesetzgeber mit den im gesamten Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsätzen nicht vereinbar, weil die aus finanz- und steuerrechtlicher Sicht vertretbare Vernachlässigung von Änderungen in einem bestimmten Rahmen auf das Gebiet der Sozialversicherung nicht übertragbar sei. Für diese Meinung war vor allem maßgebend, daß der Einheitswert und der von ihm abgeleitete Versicherungswert nicht nur im Beitragsrecht eine relevante Größe darstellten. Deshalb sollten alle Veränderungen im Umfang eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes in der bäuerlichen Sozialversicherung berücksichtigt werden, selbst wenn sie nur in einem relativ geringfügigen Ausmaß vorgenommen werden und aus der Sicht eines anderen Rechtsgebietes wegen untergeordneter Bedeutung vernachlässigt werden können.

Weil Bemessungsgrundlage für die Leistungen aus der Pensionsversicherung nach § 113 Abs 1 der Betrag ist, der sich aus der Teilung der Summe der in die Bemessungszeit (Abs 3) fallenden Beitragsgrundlagen nach Maßgabe des § 118 durch die um ein Sechstel erhöhte Zahl der die Bemessungszeit bildenden Versicherungsmonate ergibt, bildet die nach dem Versicherungswertsystem ermittelte (Teschner in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 79) Beitragsgrundlage eine wichtige Komponente der Pensionsbemessung. In der Formel für die Berechnung der Bemessungsgrundlage ist die Summe der in die Bemessungszeit fallenden Beitragsgrundlagen der Dividend, die um ein Sechstel erhöhte Zahl der die Bemessungszeit bildenden Versicherungsmonate der Divisor.

In dieser Rechtsstreitigkeit ist eine Komponente der Bemessungsgrundlage, nämlich die Summe der in die Bemessungszeit fallenden Beitragsgrundlagen, strittig. Während die Klägerin meint, daß den monatlichen Beitragsgrundlagen (Versicherungswerten) durchgehend ein Einheitswert des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes von 64.000 S zugrunde zu legen sei, geht die Beklagte von anderen Einheitswerten aus.

Da also die für die Bemessungsgrundlage der Erwerbsunfähigkeitspension maßgebenden Beitragsgrundlagen als Vorfrage strittig sind, war das im Revisionsstadium befindliche Verfahren nach § 74 Abs 1 ASGG zu unterbrechen, bis über diese Vorfrage als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen einschließlich eines allfälligen Verwaltungsgerichtshofsverfahrens rechtskräftig entschieden worden ist. Die als Mitteilungen bezeichneten Erledigungen des beklagten Versicherungsträgers vom 25. 9. 1985, 15. 11. 1989 und 6. 2. 1990 Stücke 49, 58 und 63 des die Klägerin betreffenden Aktes tragen den ausdrücklichen Hinweis, daß sie keinen Bescheid iS des AVG darstellen und können nicht als Entscheidungen über diese Vorfragen angesehen werden. Weil im Zeitpunkt der Unterbrechung noch kein Verfahren in Verwaltungssachen anhängig war, hatte der Oberste Gerichtshof die Einleitung des Verfahrens beim beklagten Versicherungsträger anzuregen.

Nach rechtskräftiger Entscheidung der Vorfrage ist das unterbrochene Revisionsverfahren von Amts wegen aufzunehmen (§ 190 Abs 3 ZPO;

Feitzinger-Tades, ASGG § 74 FN 4f; Kuderna, ASGG § 74 Erl 4;

Fasching, ZPR2 Rz 2301).

Die dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Akten werden vorerst zurückgestellt. Das Erstgericht wird ersucht, den Unterbrechungsbeschluß den Parteien zuzustellen und die beiden Versicherungsakten dem beklagten Versicherungsträger weiterzuleiten.

Um die unverzügliche Aufnahme des Revisionsverfahrens sicherzustellen, werden die Parteien ersucht, das Erstgericht von der rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage zu verständigen; der beklagte Versicherungsträger möge dabei seine Akten anschließen. Das Erstgericht wird die Akten sodann im Wege des Berufungsgerichtes dem Obersten Gerichtshof vorzulegen haben.

Anmerkung

E33382

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00215.91.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19930427_OGH0002_010OBS00215_9100000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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