Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal und Dr.Heinrich Matzke (Arbeitgeber beide) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H***** W*****, Landwirtin, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Tobler ua, Rechtsanwälte in Neusiedl/S, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Ghegastraße 1, 1031 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Gewährung einer Leistung aus der Unfallversicherung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.Dezember 1992, GZ 32 Rs 169/92-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 11.Juni 1992, GZ 16 Cgs 683/91-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin arbeitet im 15 ha großen landwirtschaftlichen Betrieb ihres Ehegatten mit. Der im Betrieb erzeugte Wein wird teilweise von der Klägerin selbst, teilweise von ihrem Ehegatten in den Westen Österreichs geliefert, wobei der Betrieb in Kontakt mit mehreren Kleinabnehmern in Oberösterreich steht. Lieferfahrten sind dabei immer mit einer Nächtigung verbunden. Die für die Reise nötige persönliche Wäsche und das Rasierzeug wird in einer Reisetasche verstaut. Am 7.6.1991 war diese Reisetasche zur Reparatur bei einem einschlägigen Unternehmen in Neusiedl/S, weil ein Henkel abgerissen war. Am Vormittag dieses Tages wollte die Klägerin die Tasche von der Reparatur abholen und erlitt auf der Fahrt einen Verkehrsunfall, bei dem sie schwer verletzt wurde.
Die beklagte Partei lehnte die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung ab. Der Unfall habe sich nicht im Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Tätigkeit ereignet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der Klägerin "eine Leistung aus der Unfallversicherung im gesetzlichen Ausmaß" aus Anlaß des Unfalles vom 7.6.1991 zu erbringen. Ausschließlicher Zweck der Fahrt sei die Abholung der zum Betriebsvermögen gehörenden Tasche gewesen, die ständig im landwirtschaftlichen Betrieb, insbesondere bei Weinlieferungen, verwendet worden sei. Es liege daher ein Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs 2 Z 5 ASVG vor.
Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage.
Das Erstgericht kam zum Ergebnis, daß es sich bei dem Ergebnis vom 7.6.1991, bei dem die Klägerin Brüche des Schambeines und des Schlüsselbeines erlitt, nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe und wies das auf Erbringung einer Leistung aus der Unfallversicherung gerichtete Klagebegehren ab. Unter Arbeitsgerät im Sinne des § 175 Abs 2 Z 5 ASVG sei ein Hilfsmittel zur Erleichterung oder Verrichtung einer die Versicherung begründenden Beschäftigung zu verstehen. Die Reisetasche, die zum Transport der persönlichen Wäsche und des Rasierzeuges bestimmt gewesen sei, diene dem Schlafen, der Bekleidung und der Toilette des Versicherten und damit eigenwirtschaftlichen Zwecken. Sie sei daher dem persönlichen Lebensbereich des Versicherten und nicht dem betrieblichen Bereich zuzuzählen und könne nicht als Arbeitsgerät im Sinne der zitierten Gesetzesstelle angesehen werden. Das Abholen der Reisetasche sei daher nicht unter Versicherungsschutz gestanden.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, wobei es der Begründung des Erstgerichtes im wesentlichen beitrat. Die Reisetasche, die dem Transport von persönlichen Gebrauchsgegenständen auf betrieblichen Fahrten gedient habe, sei kein Arbeitsgerät im Sinne des § 175 Abs 2 Z 5 ASVG, sondern ein gemischt genutztes Gerät in dem Sinne, daß sowohl der Transport von der Arbeit dienlichen als auch von dem persönlichen Bereich zugehörenden Sachen möglich gewesen sei. Die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen sei für die Unfallversicherung nicht bindend; hieraus könne die Qualifikation als Arbeitsgerät nicht abgeleitet werden. Möge auch ein Zusammenhang mit der Beschäftigung bestehen, so entspreche es weder dem natürlichen Wortsinn noch der teleologischen Interpretation des Gesetzes, eine Reisetasche als Arbeitsgerät zu verstehen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ereignis vom 7.6.1991 als Arbeitsunfall anerkannt und die beklagte Partei verpflichtet werde, der Klägerin eine Leistung aus der Unfallversicherung im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 175 Abs 2 Z 5 ASVG gelten als Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich bei einer mit der Beschäftigung zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung des Arbeitsgerätes ereignen, auch wenn dieses vom Versicherten beigestellt wird. Der Begriff des Arbeitsgerätes ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Er ist daher dem Sinn und Zweck der Norm zu entnehmen. Es ist in erster Linie erforderlich, daß die fraglichen Gerätschaften zur Verrichtung der versicherten Tätigkeiten gebraucht werden. Dabei genügt es nicht, daß im Verhältnis zur gesamten Verwendung der auf betriebliche Nutzung entfallende Anteil überhaupt als erheblich in Erscheinung tritt; vielmehr ist grundsätzlich erforderlich, daß das Gerät seiner Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit in dem Unternehmen gebraucht wird (Brackmann, Handbuch II, 72.Nachtrag 481 l f). Dabei ist Kleidung im allgemeinen nicht als Arbeitsgerät anzusehen, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung nicht hauptsächlich für die Tätigkeit in dem Unternehmen gebraucht wird (Brackmann aaO, 481 o), es sich also nicht um spezifische Arbeitskleidung handelt. Das Rasierzeug und die persönliche Kleidung dienen nicht unmittelbar der Verrichtung der versicherten Tätigkeit und sind daher keine Arbeitsgeräte im Sinne der zitierten Gesetzesstelle. Davon ausgehend kann aber auch die Tasche, die ausschließlich dem Transport der dem persönlichen Gebrauch dienenden Gegenstände diente, nicht als Arbeitsgerät qualifiziert werden.
Aber auch soweit sich die Revisionswerberin auf § 175 Abs 1 ASVG bezieht, kann ihr nicht gefolgt werden. Von den im räumlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehenden Tätigkeiten sind die dem privaten Bereich zuzuordnenden sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten abzugrenzen. Bei der Verrichtung der letztgenannten Tätigkeiten besteht kein Versicherungsschutz. Zu den dem unversicherten Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen zählen vor allem die notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflegt. Verhaltensweisen, die jedermann unabhängig von der Art seiner Tätigkeit verrichten muß, um seine physische Existenz zu erhalten, sind nicht schon deshalb geschützt, weil der Verletzte aufgrund seiner Erwerbstätigkeit den Schutz der Unfallversicherung genießt. Solche Verhaltensweisen, die der Verletzte aus eigenwirtschaftlichen Gründen setzt, können nur dann als von der Unfallversicherung geschützt angesehen werden, wenn sie infolge der Ausübung der geschützten Tätigkeit unter einem erhöhten Gefahrenrisiko durchgeführt werden mußten (Tomandl in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechtes,
5. ErgLfg 309). Diese zahlreichen und verschiedenartigen Verrichtungen des täglichen Lebens bleiben auch dann eigenwirtschaftliche Tätigkeiten und werden nicht Bestandteil der unter Versicherungsschutz stehenden Arbeit, wenn sie zugleich für die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis vielfach sogar unentbehrlich sind (SSV-NF 2/89 mwN). So werden etwa Unfälle bei der körperlichen Reinigung während oder nach Betriebsschluß auf der Betriebsstätte oder in ihrer unmittelbaren Nähe nur dann als Arbeitsunfälle anerkannt, wenn sie im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Brackmann (aaO 481 k) hält die von der Rechtsprechung für die Bejahung des Versicherungsschutzes in diesen Fällen aufgestellten Kriterien wohl zu restriktiv, will aber selbst den Versicherungsschutz nur dann bejahen, wenn im Einzelfall die vom Versicherten geleistete Betriebstätigkeit sein Bedürfnis nach körperlicher Reinigung mitbestimmt hat. Die Reinigung, die nicht am Betriebsort sondern erst zu Hause vorgenommen werde, werde von überwiegend privaten unversicherten und nicht wesentlich betriebsbedingten Gründen bestimmt und sei daher nicht versichert.
Auch auf dienstlichen Reisen sind die privaten, dem persönlichen Lebensbereich zuzuzählenden Verrichtungen regelmäßig nicht versichert. Der Wechsel der persönlichen Wäsche, die Benützung des Nachtgewandes und das Rasieren sind vom Versicherungsschutz ebensowenig umfaßt, wie die mit der Vorbereitung des Transportes der hiefür notwendigen Gegenstände im Zusammenhang stehenden Handlungen. In gleicher Weise, wie das Einpacken der persönlichen Gegenstände für eine berufsbedingte Reise nicht dem Versicherungsschutz unterliegt, ist die Besorgung einer für den Transport dieser Gegenstände bstimmten Tasche nach § 175 ASVG nicht geschützt. Der Unfall der Klägerin war daher kein Arbeitsunfall.
Gemäß § 82 Abs 1 ASGG hat die Klage ein unter Bedachtnahme auf die Art des erhobenen Anspruches hinreichend bestimmtes Begehren zu enthalten. Abs 2 dieser Bestimmung ergänzt, daß ein von einem Versicherten erhobenes Begehren auch dann hinreichend bestimmt sei, wenn es auf Leistungen bzw die Feststellung von Versicherungszeiten im gesetzlichen Ausmaß gerichtet ist und in den angegebenen Tatsachen, auf die es sich stützt, die für die Bestimmung der Leistung dem Grunde und der Höhe nach bzw die für die Feststellung der Versicherungszeiten der Pensionsversicherung dem Grunde nach erforderlichen Angaben enthält; bei einem auf Leistung gerichteten Begehren ist die Angabe eines Geldbetrages nicht erforderlich. Dazu hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß dann, wenn in einem Versicherungszweig in einem konkreten Fall mehrere Leistungsansprüche in Frage kommen (dies ist bei der gesetzlichen Unfallversicherung der Fall), die Klage - selbst unter den geminderten Anforderungen an die Bestimmtheit des Begehrens - die konkrete Leistung zu bezeichnen hat, auf die die Klage gerichtet ist (SSV-NF 1/35). Dem wird das vorliegende Klagebegehren nicht gerecht. Da aber der Anspruch der Klägerin, wie oben ausgeführt, schon dem Grunde nach nicht zu Recht besteht, erübrigte sich eine Verbesserung des erhobenen Begehrens.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.
Anmerkung
E32520European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:010OBS00029.93.0427.000Dokumentnummer
JJT_19930427_OGH0002_010OBS00029_9300000_000