TE Vwgh Beschluss 2006/2/27 2005/10/0120

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Veröffentlicht am 27.02.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/02 Forstrecht;

Norm

AVG §8;
B-VG Art18 Abs2;
ForstG 1975 §11 Abs7;
ForstG 1975 §11;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §27 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, in der Beschwerdesache

1.) des Mag. Dr. R G, 2.) der Mag. Dr. K G und 3.) der Mag. A G, alle in W, alle vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Gürtler, Mag. Dr. Kathrin Gürtler und Mag. Nikolaus Reisner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Seilergasse 3, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wegen Verletzung der Entscheidungspflicht iA § 11 des Forstgesetzes 1975, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 127,30 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Schriftsatz vom 10. September 2003 gaben die Beschwerdeführer, ihren Angaben nach grundbücherliche Eigentümer einer näher genannten Liegenschaft in der Gemeinde R., gegenüber dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (der belangten Behörde) eine Stellungnahme zum Entwurf des Gefahrenzonenplanes der Gemeinde R. ab.

In einem Antwortschreiben vom 24. Oktober 2003 führte die belangte Behörde aus, die Stellungnahme sei "etwas verfrüht", weil es noch gar keinen Entwurf zum Gefahrenzonenplan der Gemeinde R. gebe. Die öffentliche Auflegung des Entwurfes sei im Frühjahr 2004 geplant, sodass die Beschwerdeführer bis dahin ausreichend Zeit für eine fundierte Stellungnahme hätten, die sie im Rahmen der öffentlichen Auflegung des Entwurfes bei der Gemeinde als Anrainer einbringen könnten.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2004 an die belangte Behörde ersuchte der Erstbeschwerdeführer um Einbeziehung seiner Person als Anrainer in das weitere Verfahren.

Mit Antwortschreiben vom 13. Oktober 2004 teilte die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer mit, dass die "kommissionelle Überprüfung" (gemeint: des Entwurfs eines Gefahrenzonenplans) in der Woche vom 15. bis zum 19. November 2004 stattfinden solle. Der Erstbeschwerdeführer werde hiermit eingeladen, seine Stellungnahme bei dieser kommissionellen Überprüfung persönlich zu vertreten.

Im Verwaltungsakt erliegt eine Niederschrift über die kommissionelle Überprüfung des Entwurfs eines Gefahrenzonenplanes der Gemeinde R., aufgenommen am 17. November 2004, in der auf eine Stellungnahme des Erstbeschwerdeführers eingegangen wird. Laut Verwaltungsakt erfolgte eine Genehmigung des Gefahrenzonenplanes durch die belangte Behörde am 17. November 2004.

Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2004 richteten die Beschwerdeführer an die belangte Behörde den Antrag,

"den einschreitenden Anrainern zu Handen ihrer Rechtsvertretung die Niederschrift über die kommissionelle Verhandlung am 17.11.2004 und die Entscheidung bzw. den Bescheid der Kommission gemäß § 11 Forstgesetz 1975 als Behörde zweiter Instanz zuzustellen."

Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2005, eingelangt am 15. Juli 2005, erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde gemäß Art. 27 Abs. 1 VwGG. Begründend wurde ausgeführt, die belangte Behörde habe auf den Antrag vom 7. Dezember 2004 nicht reagiert. Es werde beantragt, der Verwaltungsgerichtshof wolle über den Antrag vom 7. Dezember 2004 selbst erkennen, in eventu der belangten Behörde die Entscheidung auftragen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und vertrat in einer Note vom 30. September 2005 die Auffassung, es habe im Beschwerdefall an einer Verpflichtung gefehlt, den Antrag der Beschwerdeführer bescheidmäßig zu erledigen, weshalb eine Säumnis der belangten Behörde nicht vorliege.

2.1.1. Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrags auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Tag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

2.1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 lauten (auszugsweise):

"Forstliche Raumpläne

§ 8. (1) In den forstlichen Raumplänen sind die Sachverhalte und erkennbaren Entwicklungen, die die Waldverhältnisse des Planungsgebietes bestimmen und beeinflussen, unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 6 und 7

a)

kartographisch und textlich darzustellen (Planerstellung) und

b)

diese Darstellungen der jeweiligen tatsächlichen Entwicklung im Planungsgebiet anzupassen.

(2) Forstliche Raumpläne sind

...

c) der Gefahrenzonenplan (§ 11).

...

Gefahrenzonenpläne

§ 11. (1) Zur Erstellung der Gefahrenzonenpläne und deren Anpassung an den jeweiligen Stand der Entwicklung ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Heranziehung von Dienststellen gemäß § 102 Abs. 1 zuständig.

(2) Im Gefahrenzonenplan sind die wildbach- und lawinengefährdeten Bereiche und deren Gefährdungsgrad sowie jene Bereiche darzustellen, für die eine besondere Art der Bewirtschaftung oder deren Freihaltung für spätere Schutzmaßnahmen erforderlich ist.

(3) Der Entwurf des Gefahrenzonenplanes ist dem Bürgermeister zu übermitteln und von diesem durch vier Wochen in der Gemeinde zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflegung ist öffentlich kundzumachen.

(4) Jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, ist berechtigt, innerhalb der Auflegungsfrist zum Entwurf des Gefahrenzonenplanes schriftlich Stellung zu nehmen. Auf diese Bestimmung ist in der Kundmachung (Abs. 3) ausdrücklich hinzuweisen.

(5) Der Entwurf des Gefahrenzonenplanes ist durch eine Kommission (Abs. 6) auf seine fachliche Richtigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls abzuändern; rechtzeitig abgegebene Stellungnahmen (Abs. 4) sind hiebei in Erwägung zu ziehen.

(6) Die Kommission besteht aus einem Vertreter des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft als Vorsitzenden, sowie je einem Vertreter der gemäß § 102 Abs. 1 lit. a zuständigen Dienststelle, des Landes und der Gemeinde. Die Kommission fasst ihre Beschlüsse durch einfache Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

(7) Der Bundesminister hat den von der Kommission geprüften Entwurf des Gefahrenzonenplanes zu genehmigen, wenn die Bestimmungen dieses Abschnittes dem nicht entgegen stehen.

(8) Die in § 102 Abs. 1 lit. b genannten Dienststellen haben die genehmigten Gefahrenzonenpläne zur Einsicht- und Abschriftnahme aufzulegen. Je ein Gleichstück ist den betroffenen Gebietskörperschaften und Bezirksverwaltungsbehörden zur Verfügung zu stellen.

(9) Im Falle der Änderung der Grundlagen oder ihrer Bewertung ist der Gefahrenzonenplan an die geänderten Verhältnisse anzupassen. Auf das Verfahren finden die Abs. 3 bis 8 sinngemäß Anwendung."

Nähere Regelungen über die Gefahrenzonenpläne enthält die Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 30. Juli 1976 über die Gefahrenzonenpläne, BGBl. Nr. 436/1976.

2.2. Die Beschwerde ist unzulässig.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. März 1995, Zl. 91/10/0090, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, stellt der Gefahrenzonenplan nach § 11 des Forstgesetzes 1975 keine Rechtsverordnung dar.

Ungeachtet des Umstandes, dass gemäß § 11 Abs. 7 des Forstgesetzes 1975 der Bundesminister den Entwurf des Gefahrenzonenplanes zu genehmigen hat, wenn die Bestimmungen dieses Abschnittes dem nicht entgegen stehen, ist diese Genehmigung nicht durch Bescheid nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens vorgesehen. Personen, die zum Entwurf eines Gefahrenzonenplanes Stellung genommen haben, sind nicht Parteien oder Beteiligte eines Verwaltungsverfahrens.

Für den Beschwerdefall folgt daraus, dass die Beschwerdeführer nicht Parteien eines Verwaltungsverfahrens waren, das von der belangten Behörde durch Bescheid abzuschließen gewesen wäre.

Beschwerdelegitimiert nach § 27 Abs. 1 VwGG ist aber nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur, wer als Partei eines Verwaltungsverfahrens einen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung seines im Bereich der Verwaltung unerledigt gebliebenen Begehrens hat (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 24. Oktober 1994, Zl. 94/10/0140, und das hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 92/01/0954). Ein solcher könnte sich im Beschwerdefall nur aus dem Antrag der Beschwerdeführer vom 7. Dezember 2004 ergeben, falls dieser auf Erlassung eines Bescheides durch die belangte Behörde gerichtet gewesen wäre. Dies ist jedoch offenkundig nicht der Fall. Der oben wieder gegebene Antrag zielte auf Zustellung einer Niederschrift über die kommissionelle Verhandlung am 17. November 2004 sowie der Entscheidung bzw. des Bescheides "der Kommission gemäß § 11 Forstgesetz 1975 als Behörde zweiter Instanz" ab. Wie sich aus dem Schreiben der Beschwerdeführer vom 7. Dezember 2004 ergibt, war mit der Behörde zweiter Instanz zweifelsfrei die in § 11 Abs. 5 und 6 bis 7 des Forstgesetzes 1975 erwähnte Kommission gemeint, die den Entwurf des Gefahrenzonenplans der Gemeinde R. am 17. November 2003 überprüft hatte. Der Antrag der Beschwerdeführer war demnach nicht auf die Erlassung eines Bescheides durch die belangte Behörde gerichtet. Eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde wurde dadurch nicht ausgelöst.

Die vorliegende Beschwerde erweist sich aus diesen Erwägungen mangels Vorliegen der Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 VwGG als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 - vorliegendenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

2.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 53 Abs. 1 letzter Satz, VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Februar 2006

Schlagworte

Anspruch auf Sachentscheidung Besondere Rechtsgebiete Verwaltungsrecht allgemein Rechtsquellen VwRallg1 Fischerei Forstrecht Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - Einstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005100120.X00

Im RIS seit

03.05.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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