TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/27 2004/05/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.02.2006
beobachten
merken

Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Bebauungsplan Flächenwidmung
Niederösterreich;
L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
AVG §8;
Baulandwidmung äquivalenter Dauerschallpegel NÖ 1998;
BauO NÖ 1996 §18 Abs1 Z1 lita;
BauO NÖ 1996 §19 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1996 §48 Abs1;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §16 Abs1 Z4;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde

1. der Waldtraud Gruber in Lilienfeld, 2. der Ingrid Monaghan in Bethesda (USA) und 3. des Dr. Heinz Gruber in Wien, alle vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 28. November 2003, Zl. RU1-B-9904/06, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Neumann Aluminium Strangpresswerk GmbH in Marktl, vertreten durch Hofbauer, Hofbauer & Wagner, Rechtsanwälte Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Eingabe vom 21. September 1998 hat die Rechtsvorgängerin der mitbeteiligten Partei die baubehördliche Genehmigung für die Änderung der Betriebsanlage durch die Errichtung von neuen Werks- und Maschinenhallen sowie einer Lagerhalle auf näher genannten Grundstücken beantragt. Diese Grundstücke sind als Bauland-Industriegebiet gewidmet. Die von der Bauführung betroffene Liegenschaft der mitbeteiligten Partei grenzt in ihrem südlichen Bereich unmittelbar an das im Miteigentum der Beschwerdeführer stehenden Grundstück, welches als Grünland/Land- und Forstwirtschaft gewidmet ist und auf dem sich in einer Entfernung von ca. 50 m von der gemeinsamen Grundgrenze ein Wohnhaus mit der Widmung "erhaltenswertes Gebäude im Grünland" befindet.

1.2. Zur der das gegenständliche Bauvorhaben betreffenden Vorgeschichte ist auf die hg. Erkenntnisse vom 7. März 2000, Zl. 99/05/0223, und vom 19. Dezember 2000, Zl. 2000/05/0210, zu verweisen: Im hg. Erkenntnis vom 7. März 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es nicht auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz ankommt, sodass auch die nach der Verhandlung vom 7. Jänner 1999 erfolgte Umwidmung des zu bebauenden Grundstückes in Bauland-Industriegebiet zu berücksichtigen ist. Im Übrigen wurde mit diesem Erkenntnis der damals angefochtene, im Instanzenzug ergangene Bescheid der belangten Behörde, mit dem die baubehördliche Bewilligung erteilt worden war, aufgehoben, da den Beschwerdeführern durch die Aufhebung des § 6 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) während des Verfahrens nunmehr im Baubewilligungsverfahren alle subjektivöffentlichen Rechte des § 6 Abs. 2 BO zur Verfügung gestanden seien, und zwar auch bei gewerblichen Betriebsanlagen nicht auf jene des § 6 Abs. 2 Z 3 BO beschränkt, wie dies § 6 Abs. 3 BO zuvor angeordnet hatte. Im hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass die Widmung Bauland-Industriegebiet keinen Immissionsschutz beinhalte, wohl aber § 48 BO. Im Beschwerdefall sei die Betriebsanlagengenehmigung im vereinfachten Verfahren gemäß § 359b GewO 1994 erteilt worden. In einem solchen Verfahren hätten die Nachbarn keine Parteistellung und daher keine Gelegenheit, den Immissionsschutz geltend zu machen. Der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde war wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben, weil rechtzeitig erhobene Einwendungen der Beschwerdeführer von der belangten Behörde unberücksichtigt geblieben waren. § 20 Abs. 1 BO müsse so ausgelegt werden, dass den Anrainern dort, wo ihnen im gewerbebehördlichen Verfahren keine Parteistellung zukommt, im Baubewilligungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt ist, den ihnen durch die Bauordnung gewährten Immissionsschutz geltend zu machen.

1.3. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Ersatzbescheid hat die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführer hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Folge gegeben. Im Übrigen wurde die Berufung erneut abgewiesen und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass der mitbeteiligten Partei die "mit Schreiben vom 13. November 2001 beantragte abgeänderte Baubewilligung" unter Einhaltung mehrerer Auflagen erteilt wurde. Dabei wurden u.a. die Vornahme raumakustischer, schallabsorbierender Maßnahmen in der Strangpresshalle und in der Weiterverarbeitungshalle vorgeschrieben, ebenso, dass die an der südlichen Grundstücksgrenze projektgemäß vorgesehene Lärmschutzwand einschließlich des Zufahrtstores im Osten, in Verlängerung der Außenfassade-Wärmebehandlung beginnend und bis zur östlichen Gebäudefluchtlinie der geplanten Pressenhallenerweiterung im Süden führend, mit einer Höhe von 2 m über dem geländebedingten Straßenniveau und einer Gesamtlänge von rund 85 m schalldicht mit einem bestimmten Mindestschalldämmmaß auszuführen ist und außerdem beidseitig projektgemäß schallabsorbierend herzustellen ist. Ein Mindestschalldämmmaß wurde auch für das in Richtung Osten weisende Tor des Aggregatraumes vorgeschrieben. Vorgeschrieben wurde ferner, dass der im Projekt vorgesehene Streifenvorhang im Bereich des östlichen Tores zur Strangpressenhalle dichtschließend an die Decke und Wände heranzuführen ist und sämtliche ins Freie führenden Tore und Türen einschließlich des Tores in der Lärmschutzwand des Freilagers mit Ausnahme des kurzzeitigen Befahrens oder Begehens ständig geschlossen zu halten sind. Öffenbare Fenster und Brandrauchentlüftungen sind nach den Vorschreibungen sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit ständig geschlossen zu halten (ausgenommen Rauchentlüftung im Notfall).

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht der Nachbarn in Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektivöffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0196, mwN).

§ 6 Abs. 2 BO lautet:

"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."

Die Aufzählung der Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 BO ist abschließend (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2002/05/0769).

2.2. Soweit in der Beschwerde gerügt wird, dass die Pläne weder vom Bauwerber noch vom Grundeigentümer und Bauführer unterfertigt worden seien und die Zustimmung des grundbücherlichen Eigentümers nicht vorliege, wird damit kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht im Sinne des § 6 Abs. 2 BO geltend gemacht. Zu diesen Fragen steht dem Nachbarn kein Mitspracherecht zu (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 5. Auflage, S. 317).

2.3. Des Weiteren wird in der Beschwerde dargelegt, dass die Flächenwidmung Bauland-Industriegebiet gesetzwidrig sei. Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid auch mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft haben (vgl. dazu den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2005/05/0348). Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde mit Beschluss vom 10. Oktober 2005, B 113/04 u.a., abgelehnt und in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer würden nicht ausreichend berücksichtigen, dass unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bzw. Flächenwidmungsplanes vorgelegen seien (Hinweis zur Abrundung eines bestehenden Betriebsgebietes auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 13.835/1994), die vorgenommene Umwidmung den Anforderungen des NÖ ROG 1976 (insbesondere den Planungsrichtlinien) entspreche und im Hinblick auf die Grünlandwidmung des Grundstückes der Beschwerdeführer auch keine konfligierende Widmung geschaffen worden sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 10.131/1984).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Flächenwidmung. Er sieht sich daher auf Grund der Beschwerdeausführungen nicht veranlasst, einen Antrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

2.4.1. Die Beschwerdeführer bringen weiters vor, dass von dem Bauvorhaben gesundheitsgefährdende bzw. örtlich unzumutbare Lärmemissionen ausgingen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

2.4.2. § 48 BO idF LGBl. 8200-6 hat folgenden Wortlaut:

"§ 48

Immissionsschutz

(1) Emissionen, die von Bauwerken oder deren Benützung ausgehen, dürfen

1.

das Leben oder die Gesundheit von Menschen nicht gefährden;

2.

Menschen durch Lärm, Geruch, Staub, Abgase, Erschütterungen, Blendung oder Spiegelung nicht örtlich unzumutbar belästigen.

(2) Ob Belästigungen örtlich zumutbar sind, ist nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungsart und der sich daraus ergebenden zulässigen Auswirkung des Bauwerks und dessen Benützung auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen zu beurteilen."

2.4.3.1. Seitens der Beschwerdeführer wurde bei der bau- und gewerberechtlichen Verhandlung am 8. Oktober 1998 bemängelt, dass die Unterlagen betreffend Lärmimmissionen erst an diesem Tag vorgelegt worden seien. Die Verhandlung wurde vertagt.

2.4.3.2. Mit Schreiben vom 5. Jänner 1999 haben die Beschwerdeführer gerügt, dass ein von der mitbeteiligten Partei (offenbar im gewerberechtlichen Verfahren) vorgelegter Prüfbericht samt Gutachten zu den Schallemissionen vom 4. Dezember 1998 unvollständig und nicht nachvollziehbar sei.

2.4.3.3. Bei der bau- und gewerberechtlichen Verhandlung am 7. Jänner 1999 wurde im Protokoll u.a. festgehalten, dass die "Expertise" vom 4. Dezember 1998 auch dem Beschwerdevertreter seit 29. Dezember 1998 zur Verfügung stehe. Im Anhang der Verhandlungsschrift vom 7. Jänner 1999 befindet sich ein "Befund und Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen," welches auf einen Prüfbericht und ein Gutachten der staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikerprüfgemeinschaft für Luft und Lärm vom 4. Dezember 1998, das mit den Einreichunterlagen vorgelegt worden sei, Bezug nimmt. Zur Ist-Lärm-Situation wird ausgeführt, dass an einem Messpunkt MP5 südöstlich des Betriebsgeländes beim Wohnhaus der Beschwerdeführer, ca. 8 m vor dem Wohnhaus in Richtung Norden, Messhöhe ca. 1,5 m, am 5., 6. und 7. November 1998 messtechnische Erhebungen stattgefunden hätten. Dargestellt sind ferner die dabei erzielten Messergebnisse sowie die aus lärmtechnischer Sicht relevanten Baumaßnahmen und die Lärmquellen. Es sei eine nachvollziehbare Schallimmissionsberechnung für die exponiertesten Nachbarschaftspunkte entsprechend der Ö-Norm S 5010 durchgeführt worden. Dabei seien die im Zuge der Lärm-Ist-Bestandserhebung festgelegten Messpunkte als Berechnungspunkte für die durch den Bestand und die geplante Erweiterung verursachten Immissionen herangezogen worden. Für MP5 hätten sich prognostizierte Lärmimmissionen von 39 dB (Summe Tagzeit) bzw. 32 dB (Summe Nachtzeit) sowie Lärmpegelspitzen von 54 dB (Tagzeit) bzw. 49 dB (Nachtzeit) ergeben. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, der Vergleich der prognostizierten Lärmimmissionen mit den durchgeführten messtechnischen Erhebungen der Ist-Lärm-Situation zeige für die betrachteten Nachbarschaftspunkte, dass die Prognosewerte beträchtlich unter den niedrigsten gemessenen Werten der äquivalenten Dauerschallpegel lägen. Selbst die niedrigsten erhobenen Basispegel würden durch die berechneten Immissionen nicht erreicht, sodass grundsätzlich mit keiner Verschlechterung der Gesamtlärmsituation in den betrachteten Nachbarschaften zu rechnen sei. Hinsichtlich der durch die mitbeteiligte Partei verursachten Lärmimmissionen werde sogar eine Verminderung derselben prognostiziert. Auch die Grenzwerte für Wohngebiete gemäß der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4-0 (55 dB zur Tagzeit, 45 dB zur Nachtzeit), würden entsprechend der Prognose nicht erreicht. Bezüglich der Grenzwertbildung für Spitzenlärmpegel sei auf die ÖAL Richtlinie Nr. 3 Blatt 1 zu verweisen. Für Bauland-Wohngebiet sähe diese für die Zeit von 6 bis 18 Uhr 75 dB, von 18 bis 22 Uhr und für Sonn- und Feiertage 70 dB, schließlich für die Nachtzeit 65 dB vor. Ein Vergleich mit den Prognosewerten zeige, dass auch diese Grenzwerte nicht erreicht würden.

2.4.3.4. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 4. Februar 1999 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt. Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

2.4.3.5. Mit Schreiben vom 21. Juni 2000 legten die Beschwerdeführer einen schalltechnischen Prüfbericht ("Ist-Bestandsmessung" ihrer Liegenschaft vom 8. Mai 2000 und ein Schreiben der T. GmbH, akkreditierte Prüfstelle Lärmschutz-Akustik-Bauphysik, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige) vor. Die Messungen sind nach diesem Prüfbericht im Nahebereich des Gebäudes der Beschwerdeführer und in diesem durchgeführt worden. In diesen Unterlagen ist festgehalten, dass der Grenzwert für Wohngebiete gemäß der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmung sowohl zur Tages- als auch zur Nachtzeit überschritten werde. Der im schalltechnischen Projekt vom 4. Dezember 1998 prognostizierte Immissionspegel werde durch den Betrieb der gegenständlichen Anlagen sowohl zur Tageszeit als auch zur Nachtzeit um rund 20 dB überschritten. Bei der Prognose sei auch für den Nachtzeitraum ein Vollbetrieb sämtlicher Anlagen berücksichtigt worden. Für einen derartigen Betriebsfall würden sich beim derzeitigen Zustand Überschreitungen von 30 dB ergeben. Durch die noch auszuführenden Maßnahmen sei daher zur Erzielung des prognostizierten Immissionswertes eine Verbesserung um mindestens 30 dB erforderlich. Für die Gesamtanlage (Altbestand und Neubestand) würde die Einhaltung des prognostizierten Immissionswertes eine Immissions- bzw. Emissionsreduktion um mindestens 33 dB erfordern. Die Berechnungsmethode nach der Ö-Norm S 5010 entspreche nicht dem Stand der Technik, da diese Berechnung keine Reflexionsanteile sowie augenscheinlich keine Ermittlung der tatsächlichen Schirmwerte berücksichtige. Dies zeige sich insbesondere bei der durchgeführten Prognose für Lkw-Fahrbewegungen, da hier beispielsweise für die Liegenschaft der Beschwerdeführer für sämtliche Quellen der theoretische maximale Schirmwert berücksichtigt worden sei. Inwieweit die gewählte Berechnungsmethode bzw. die damit berechneten Immissionsanteile überhaupt erreicht werden könnten, wäre daher noch gesondert zu überprüfen.

Die Beschwerdeführer brachten in ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2000 weiters vor, das lärmtechnische Projekt vom 4. Dezember 1998 könne im Baubewilligungsverfahren nicht verwertet werden, da den Beschwerdeführern im vereinfachten gewerberechtlichen Verfahren auch diesbezüglich kein Stellungnahmerecht und Einwendungsrecht zugestanden sei. Im Übrigen würden die Projektunterlagen den Anforderungen der ÖAL Richtlinie Nr. 10 nicht entsprechen. Die Ö-Norm S 5010 sei bereits am 26. Mai 1998 vom Fachnormenausschuss zurückgezogen worden, weil sie nicht mehr dem Stand der Technik entspreche. Außerdem seien die Emissionswerte im lärmtechnischen Projekt vom 4. Dezember 1998 nicht an der Grundgrenze, sondern im Bereich des Wohnhauses der Beschwerdeführer gemessen worden. Die Überschreitungen, die sich bei den Untersuchungen der T. GmbH ergeben hätten, seien so massiv, dass auch nach Errichtung der noch fehlenden Lärmschutzwand eine Reduktion auf ein zulässiges bzw. zumutbares und nicht gesundheitsgefährdendes Ausmaß ausgeschlossen erscheine.

2.4.3.6. In einer Stellungnahme des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI P. vom 10. Juli 2000 wird u.a. dargelegt, dass die projektgemäß vorgesehene Lärmschutzwand noch nicht ausgeführt worden sei. Im Prüfbericht und Gutachten vom 4. Dezember 1998 seien die Lärmimmissionen durch die damals bestehende Betriebsanlage und die geplanten Erweiterungen untersucht worden. Dabei sei auch zwischen Lärmimmissionen ohne schallmindernde Maßnahmen und solchen mit schallmindernden Maßnahmen differenziert worden. Hinsichtlich des Nachbarschaftspunktes MP5 (Wohnhaus der Beschwerdeführer) zeige der Vergleich, dass die vorgesehene Lärmschutzwand die Immissionen aus dem Bereich des Freilagers während der Tageszeit von 46 dB auf 37 dB und damit um 9 dB reduzieren würde. Ohne Schallhindernis würde eine Verschlechterung der derzeit herrschenden akustischen Situation eintreten. Zur Hintanhaltung sei daher diese Maßnahme in das Projekt eingearbeitet worden. Die Schirmwirkung der Wand hinsichtlich Gebäudeabstrahlung und anderer Emittenten sei zu vernachlässigen.

2.4.3.7. In einer Stellungnahme des technischen Büros für Physik, Mag. M., vom 17. Dezember 2000 wird ausgeführt, aus der Zurückziehung der Ö-Norm S 5010 mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 1998 könnte vereinfachend der Schluss gezogen werden, dass die in dieser Ö-Norm enthaltenen Rechenregeln nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen. Auch wenn dies die Meinung der beteiligten Mitglieder des zuständigen Fachausschusses gewesen sei, müsse diese Meinung von Dritten nicht geteilt werden. Die weitgehend äquivalente VDI-Richtlinie 2571 "Schallabstrahlung von Industriebauten" sei auch im Jahr 2000 noch nicht zurückgezogen worden und nach wie vor gültig. Daraus könne geschlossen werden, dass die den Regeln der Ö-Norm S 5010 äquivalenten Rechenregeln der VDI-Richtlinie 2571 noch immer dem Stand der Technik entsprächen. Anzumerken sei, dass die auch vor ihrer Zurückziehung nicht als rechtsverbindlich gekennzeichnete Ö-Norm S 5010 ohne Angabe eines Ersatz- bzw. Nachfolgedokuments zurückgezogen worden sei. Zwar liege mit der ÖAL-Richtlinie Nr. 28 "Schallabstrahlung und Schallausbreitung" ein deutlich verfeinertes Rechenverfahren vor, das, über jenes der Ö-Norm S 5010 hinausgehend, z.B. die Schallabsorption in Luft, die Bodendämpfung, die Vegetationsdämpfung usw. berücksichtige. Die zum Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens publizierte Fassung dieser Richtlinie sei jedoch fehlerbehaftet bzw. ergänzungsbedürftig gewesen. Der zum Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens publizierte Text dieser Richtlinie enthalte z.B. korrekturbedürftige Anweisungen, unter welchen Umständen Reflexionen zu berücksichtigen seien. Schallreflexionen könnten im Übrigen bei Berechnungen gemäß der Ö-Norm S 5010 durch die Einbeziehung von Spiegelschallquellen in eindeutiger Weise berücksichtigt werden. Fehler und unklare Regelungen der ÖAL-Richtlinie seien vielen Anwendern aus der eigenen Praxis bekannt gewesen (Hinweis auf einen Bericht des Bundesministeriums für Umwelt, Jugend und Familie). Erläuternde Ergänzungen zu dieser Richtlinie seien erst im Oktober 1999 verfasst und am 21. Juni 2000 publiziert worden. Es liege daher beim lärmtechnischen Sachverständigen, nach welchen Rechenregeln und Kriterien Schallimmissionsprognosen durchgeführt würden, solange physikalische Grundprinzipien der Schallausbreitung nicht missachtet werden. Die Entscheidung für die Ö-Norm S 5010 sei aus physikalischer Sicht verständlich und nachvollziehbar, zumal davon auszugehen sei, dass sich die physikalischen Grundprinzipien der Schallausbreitung, die sowohl in der Ö-Norm S 5010 als auch in der ÖAL Richtlinie Nr. 28 weitestgehend ident festgelegt seien, nicht geändert hätten. Zudem zeige die eigene Erfahrung mit Parallelberechnungen nach der ÖAL Richtlinie Nr. 28 und der Ö-Norm S 5010, dass für derart einfache Situationen, wie sie auch im Falle der gegenständlichen Betriebsanlage vorlägen, keine signifikant unterschiedlichen Berechnungsergebnisse zu erwarten seien. Die Vorteile komplexerer Rechenregeln, wie jener der ÖAL Richtlinie Nr. 28, würden erst bei komplexeren Schallschutzproblemen deutlich.

2.4.3.8. In einer Stellungnahme des lärmtechnischen Amtssachverständigen DI P. vom 4. September 2001 ist ausgeführt, die dem Gutachten vom 7. Jänner 1999 zu Grunde gelegte schalltechnische Einreichunterlage vom 4. Dezember 1998 entspreche dem Stand der Technik und ein neues Projekt sei nicht vorzulegen. Die primäre Anforderung an Einreichunterlagen bestehe aus lärmtechnischer Sicht darin, dass diese ein nachvollziehbares akustisches Bild des geplanten Betriebes widerspiegelten. Die Unterlagen seien nachvollziehbar aufbereitet worden, wodurch die Ausarbeitung eines Gutachtens möglich gewesen sei. Der von den Beschwerdeführern vorgelegte schalltechnische Prüfbericht der T. GmbH vom 8. Mai 2000 entspreche dem Stand der Technik. Die Messungen seien am 26. April 2000 vorgenommen worden. Wie weit zu diesem Zeitpunkt die projektgemäß vorgesehenen Maßnahmen bzw. Auflagenpunkte realisiert gewesen seien, lasse sich nicht exakt beurteilen. Die lärmtechnischen Stellungnahmen vom 10. Juli 2000 und 18. Oktober 2000 ließen jedoch den Schluss zu, dass Maßnahmen zum Zeitpunkt der Messung noch nicht umgesetzt worden seien und daher der Prüfbericht die Situation des Zustandes zum Messzeitpunkt umfasse. Der Prüfbericht der T. GmbH erscheine somit nicht geeignet, Mängel des lärmtechnischen Projektes vom 4. Dezember 1998 aufzuzeigen.

2.4.3.9. In einem Schreiben der Amtsärztin Dr. W. vom 27. November 2001 wurden "auf Grund der zur Verfügung stehenden Unterlagen" die Gesamtbetriebslärmimmissionen für einen gesunden Durchschnittsmenschen als zumutbar und nicht gesundheitsstörend bzw. -gefährdend beurteilt. Aus amtsärztlicher und lärmhygienischer Sicht erscheine es sinnvoll und zielführend, eine Kontrollmessung der neu geschaffenen akustischen Ist-Situation nach der Realisierung aller vorgesehenen Bauabschnitte und Erfüllung aller Auflagenpunkte zu veranlassen. Eine endgültige Stellungnahme, inwieweit die durch die Benützung der Betriebsanlage ausgehenden Emissionen eine Belästigung bzw. Gefährdung für die Nachbarschaft darstellten, sei nach Vorlage messtechnischer Nachweise im Hinblick auf die tatsächliche Schallbelastung möglich.

2.4.3.10. In der Stellungnahme der Amtsärztin Dr. W. vom 11. Jänner 2002 wird ausgeführt, dass "auf Grund der vorliegenden Messberichte und Berechnungen" davon ausgegangen werden könne, "dass nach der Umsetzung aller vorgeschriebenen lärmmindernden Maßnahmen mit keiner Verschlechterung der derzeit herrschenden Lärmsituation im Nachbarschaftsbereich, somit mit keinen durch das Bauvorhaben bedingten gesundheitsrelevanten Beeinträchtigungen zu rechnen" sei.

2.4.3.11. In einer Stellungnahme vom 14. Juli 2003 legten die Beschwerdeführer u.a. dar, es gäbe keine prüffähigen Unterlagen, aus denen die Lärmimmissionen an der Grundgrenze hervorgingen. Daher sei es nicht möglich zu überprüfen, ob an der Grundgrenze Lärmimmissionen aufträten, die das örtlich zumutbare Maß überstiegen. Die Messungen hätten 50 m von der Grundgrenze entfernt stattgefunden. Der Amtssachverständige DI P. habe sich zu den Einwendungen nicht konkret geäußert bzw. sich mit dem schalltechnischen Prüfbericht der T. GmbH nicht konkret auseinandergesetzt. Die Stellungnahmen der Amtsärztin entsprächen nicht den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Gutachten. Es sei nicht nachzuvollziehen, weshalb nach der Stellungnahme vom 27. November 2001, ohne dass die darin genannte Kontrollmessung durchgeführt worden sei, plötzlich eine andere endgültige Stellungnahme abgegeben worden sei. Diese sei überhaupt nicht begründet und daher nicht nachvollziehbar. Im gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren habe sich mittlerweile herausgestellt, dass das bisherige Projekt hinsichtlich der Hallenbelüftungen nicht ausreiche und ein vollkommen neues Projekt eingereicht werden müsse. Auch in dem Abänderungsantrag der mitbeteiligten Partei vom 13. November 2001 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass bezüglich der Abluftsituation mit dem ablufttechnischen Sachverständigen Kontakt aufzunehmen sei, damit ein geeignetes ablufttechnisches Projekt vorgelegt werden könne. Ein solches sei bisher nicht vorgelegt worden. Von dem Belüftungsprojekt gingen aber jedenfalls zusätzliche Lärmemissionen aus. Des Weiteren wiesen die Beschwerdeführer auf Änderungsanträge im gewerberechtlichen Bewilligungsverfahren mit Auswirkungen auf Lärmemissionen hin.

2.4.3.12. In der Begründung des angefochtenen Bescheides legte die belangte Behörde hinsichtlich der Lärmemissionen zunächst dar, dass die Stellungnahme des Sachverständigen für Lärmschutz Mag. M. nachvollziehbar sei, wonach es bei Heranziehung der Ö-Norm S 5010 zu keinem signifikant unterschiedlichen Berechnungsergebnis als bei Anwendung der ÖAL Richtlinie Nr. 28 gekommen sei. Im Übrigen seien die Einreichunterlagen aus lärmtechnischer Sicht nachvollziehbar aufbereitet worden, dass sie nicht alle Kriterien der ÖAL Richtlinie Nr. 10 erfüllten, sei daher nicht von Bedeutung. Der Prüfbericht, der mit den Einreichunterlagen vorgelegt worden sei, entspreche dem Stand der Technik. Es gebe keinen Anlass, an der diesbezüglichen gutachterlichen Stellungnahme des Amtssachverständigen, der die Beschwerdeführer im Übrigen nicht durch einen lärmtechnischen Sachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten seien, zu zweifeln. In diesem Prüfbericht sei der Gutachter hinsichtlich des Informationsrechenpunktes "RP5" am Grundstück der Beschwerdeführer zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vergleich der Berechnungsergebnisse vom derzeitigen Bestand mit den Ergebnissen der Prognose für den geplanten Zubau keine Erhöhung des Betriebslärmes ergebe. Abschließend habe er ausgeführt, dass der Betrieb der Anlagen im geplanten Zubau bei den zu Grunde gelegten akustischen Anforderungen an die Halle keine Verschlechterung der derzeit herrschenden akustischen Situation bei den Anrainern hervorrufe. Bei der gewerberechtlichen Verhandlung am 7. Jänner 1999 habe der Amtssachverständige für Lärmtechnik u. a. ausgeführt, dass grundsätzlich mit keiner Verschlechterung der Gesamtlärmsituation in den betrachteten Nachbarschaften zu rechnen sei und hinsichtlich der durch die mitbeteiligte Partei verursachten Lärmimmissionen sogar eine Verbesserung und eine Verminderung prognostiziert werde. Auch aus der von den Beschwerdeführern vorgelegten Verhandlungsschrift der gewerberechtlichen Verhandlung vom 21. Juni 2002 gehe hervor, dass sich die 1998 messtechnisch erfasste Ist-Lärm-Situation nach der teilweisen Realisierung des am 7. Jänner 1999 verhandelten Projektes grundsätzlich nicht verschlechtert habe, was Messungen am 21. und 22. Mai 2002 ergeben hätten. Weiters habe der lärmtechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten vom 7. Jänner 1999 aufgezeigt, dass die gemessenen Werte weder die Grenzwerte für Wohngebiete gemäß der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen noch die Grenzwerte für Spitzenlärmpegel entsprechend der ÖAL Richtlinie Nr. 3 für Bauland-Wohngebiete erreichten. Dabei sei auch in Betracht zu ziehen, dass sich diese beiden Beurteilungen sowohl hinsichtlich des äquivalenten Dauerschallpegels als auch hinsichtlich der Schallpegelspitzen bei den Vergleichswerten auf die Widmungsart Bauland-Wohngebiet der ÖAL Richtlinie Nr. 3 gestützt hätten. Für diese Widmungsart sei jedoch ein weit höheres Schutzniveau anzunehmen als im hier vorliegenden Fall. Das Grundstück der Beschwerdeführer sei als "Grünland/Land- und Forstwirtschaft" und das darauf befindliche Wohnhaus in einer Entfernung von ca. 50 m von der Grundstücksgrenze als "erhaltenswertes Gebäude im Grünland" gewidmet. Dies bedeute im Gegensatz zu benachbarten Baulandwidmungen, dass im vorliegenden Fall eine Bauführung zu Wohnzwecken nur mehr als unmittelbarer Zubau zum bestehenden Wohnhaus möglich und somit die Neubegründung einer Wohnnutzung in einer kürzeren Entfernung zur Emissionsquelle rechtlich ausgeschlossen sei. Auf Grund dieses Umstandes sei daher auch die Lärmbelastung richtigerweise nicht an der Grundgrenze, sondern im Bereich des Wohnhauses (Messpunkt 5) gemessen worden. Im schalltechnischen Prüfbericht der T. GmbH, den die Beschwerdeführer vorgelegt hätten, seien keine Berechnungen dahingehend angestellt worden, wie sich das eingereichte Projekt auf die tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auswirke. Der lärmtechnische Amtssachverständige sei zum Schluss gekommen, dass zum Zeitpunkt der Messung der T. GmbH die Lärmschutzmaßnahmen noch nicht umgesetzt worden seien, der Prüfbericht lediglich die Situation des ausgeführten Zustandes zum Messzeitpunkt erfasse und daher auch nicht geeignet sei, Mängel des lärmtechnischen Projektes vom 4. Dezember 1998 aufzuzeigen. Im Gutachten vom 4. Dezember 1998 sowie den Gutachten des lärmtechnischen und der medizinischen Amtssachverständigen werde für die belangte Behörde nachvollziehbar dargelegt, dass sich die örtliche Lärmsituation durch das eingereichte Projekt nicht ändere. Die Beschwerdeführer seien diesen nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Gutachten letztlich nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten. Da es nach § 48 BO nur darauf ankomme, wie sich die projektgemäßen Änderungen auf die vorhandenen tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auswirkten, und sich die tatsächlichen örtlichen Lärmverhältnisse durch das Projekt nicht änderten, läge Zumutbarkeit im Sinne des § 48 BO vor. Aus dem Regelungssystem des § 48 Abs. 2 BO sei durch einen Größenschluss sichergestellt, dass im Falle der Bejahung der örtlichen Zumutbarkeit von Immissionen jedenfalls eine Gesundheitsgefährdung eines gesunden, normal empfindenden Menschen durch diese Immissionen auszuschließen sei. Abgesehen davon ergebe sich unter Berücksichtigung der Schallminderungsmaßnahmen eine Immissionsbelastung von 39 dB zur Tagzeit und 32 dB zur Nachtzeit. Gemäß ÖAL Richtlinie Nr. 6/18 "die Wirkungen des Lärms auf den Menschen" betrage der äquivalente Dauerschallpegel, der zur Vermeidung von gravierenden Schlafstörungen eingehalten werden sollte, 35 bis 45 dB am Ohr des Schläfers. Dieser Wert sei sowohl ohne als auch unter Berücksichtigung der Lärmschutzmaßnahmen mit 32 bzw. 34 dB nicht erreicht.

2.4.4.1. Gemäß § 48 Abs. 2 BO ist die im Flächenwidmungsplan festgelegte Widmungsart zu berücksichtigen. Für die Baubehörde ist allein die Widmung des zu bebauenden Grundes, nicht aber die Widmung der Grundstücke der Nachbarn entscheidend (vgl. die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, S. 501f wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

2.4.4.2. Im vorliegenden Fall ist daher die Widmung Bauland-Industriegebiet maßgebend, die, wie der Verwaltungsgerichtshof im eingangs zitierten hg. Vorerkenntnis vom 19. Dezember 2000 bereits ausgesprochen hat, keinen Immissionsschutz enthält. Wesentlich ist aber auch in diesem Fall, dass § 48 BO eingehalten wird. Im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Z 2 BO ist dabei festzuhalten, dass als Richtwerte der in einer Widmungsart jedenfalls zulässigen Emissionswerte die in der Verordnung über die Bestimmung des äquivalenten Dauerschallpegels bei Baulandwidmungen, LGBl. 8000/4- 0, vorgesehenen Werte herangezogen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 2002, 2002/05/0111). Für Bauland-Industriegebiet sind dies 70 dB bei Tag und 60 dB bei Nacht.

2.4.4.3. Zu beachten ist ferner, dass nicht nur im entfernteren Grundstücksbereich der Nachbarliegenschaft, sondern jedenfalls auch schon an der Grundgrenze des Nachbarn keine unzulässigen Immissionen auftreten dürfen (vgl. dazu bereits die bei Hauer/Zaussinger, a.a.O., S. 168 unter Z 29 wiedergegebene hg. Rechtsprechung zur früheren Rechtslage). Dies gilt hinsichtlich § 48 Abs. 1 Z 2 BO schon deshalb, da ansonsten die Maßgeblichkeit der Widmung des zu bebauenden Grundstückes im Sinne des § 48 Abs. 2 BO nicht gewährleistet wäre, was sich im vorliegenden Fall schon dadurch deutlich zeigt, dass zwischen dem Gebäude der Beschwerdeführer und der Grundgrenze eine Fläche mit anderer Widmung als jener des Baugrundstückes liegt: Die Auswirkungen von Bauwerken und deren Benützung im Sinne des § 48 Abs. 2 BO wären jeweils andere, wenn man einräumt, dass nicht zum Baugrundstück gehörende Flächen zu berücksichtigen sind, weil dann nämlich trotz gleicher Widmung der Baugrundstücke unterschiedliche Ergebnisse zu erzielen wären, welche Belästigungen örtlich zumutbar sind. Dies würde § 48 Abs. 2 BO, der allein die Widmung des Baugrundstückes für maßgebend erklärt, nicht entsprechen. Dass es auf die Immissionen an der Grundgrenze des Nachbarn ankommt, gilt aber auch im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Z 1 BO, da diese Bestimmung - wie auch Z 2 - keine Einschränkung des damit gewährten Nachbarrechtes in räumlicher Hinsicht enthält.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde trifft dies auch auf "erhaltenswerte Gebäude im Grünland" zu. Es liegt diesbezüglich nämlich keine Besonderheit vor, die anders zu beurteilen wäre, als wenn etwa im Bereich des Baulandes ein Bauplatz nicht bis zur Grundgrenze mit einem Wohnobjekt bebaut werden dürfte.

2.4.4.4. Ausgehend davon kommt der Beschwerderüge, dass keine lärmtechnischen Feststellungen dahingehend vorliegen, welche Lärmbelastungen an der Grundgrenze der Nachbarliegenschaft durch das gegenständliche Projekt hervorgerufen werden, Berechtigung zu. Erst wenn derartige Feststellungen vorhanden sind, kann der medizinische Sachverständige beurteilen, ob eine Gefährdung im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 1 BO vorliegt und ob die Anforderungen des § 48 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 BO eingehalten werden.

2.4.4.5. Festzuhalten ist darüber hinaus, dass sich die belangte Behörde insofern mit dem schalltechnischen Prüfbericht der T. GmbH hätte inhaltlich auseinandersetzen müssen, als nach Befassung eines lärmtechnischen Sachverständigen darauf einzugehen gewesen wäre, wie sich im Hinblick auf die von der T. GmbH ermittelten Werte die noch ausständigen Schallschutzmaßnahmen auswirken würden. Die Beschwerdeführer haben nämlich auf entsprechender fachlicher Ebene einen schalltechnischen Prüfbericht vorgelegt, von dem die belangte Behörde nicht festgestellt hat, dass die Messungen unzutreffend wären. Der Privatgutachter hat Werte genannt, um die die Schallbelastung durch Schallschutzmaßnahmen verringert werden müsste, damit die ursprünglichen Prognosewerte eingehalten werden. Es wäre darauf einzugehen gewesen, dass bzw. weshalb auch angesichts dieser Aussagen das Projekt die Anforderungen des § 48 BO erfüllt. Unabhängig davon, dass das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren ist, führt der Umstand, dass ein Betrieb vor der Erfüllung der vorgeschriebenen Schallschutzmaßnahmen betrieben wird, nicht dazu, dass eine Auseinandersetzung mit den unter diesen Umständen von den Beschwerdeführern veranlassten Messungen im (noch) anhängigen Baubewilligungsverfahren hinfällig wäre.

2.4.4.6. Nicht nachvollziehbar ist ferner die Annahme der belangten Behörde, dass im Hinblick auf die Zulässigkeit eines Betriebes im Bauland-Industriegebiet jedenfalls auch eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist. Vielmehr sind nämlich die spezifische Art und Dauer des Lärms in die Betrachtung einzubeziehen und in Bezug auf ihre Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke von einem medizinischen Sachverständigen nachvollziehbar zu beurteilen.

2.4.4.7. Richtlinien und Normen, die nicht kraft Gesetzes verbindlich sind, sind Gegenstand der Beweisaufnahme und der Beweiswürdigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1972, Slg. Nr. 8297/A). Soweit sich die belangte Behörde auf die Stellungnahme des Sachverständigen für Lärmschutz Mag. M. hinsichtlich der Heranziehung der Ö-Norm S 5010 berufen hat, kann ihr nicht mit Erfolg entgegen getreten werden. In dieser Stellungnahme ist nachvollziehbar dargelegt, dass die Anwendung der Ö-Norm S 5010 bei der Prognoseberechnung zu keinen relevanten Abweichungen gegenüber der Heranziehung der ÖAL Richtlinie Nr. 28 geführt hat. Die Beschwerdeführer sind diesen Ausführungen des Sachverständigen Mag. M. nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

2.4.4.8. Die belangte Behörde beruft sich auch darauf, dass sich nach den Einreichunterlagen vom 4. Dezember 1998 und den Gutachten des lärmtechnischen Sachverständigen die örtliche Lärmsituation durch das eingereichte Projekt nicht ändere. Dazu ist festzustellen, dass es nach § 48 BO nicht auf die Änderung der (§ 48 BO eventuell schon widersprechenden) Lärmsituation ankommt, sondern darauf, dass vom geplanten Bauwerk oder dessen Benützung Emissionen nur in bestimmtem Maße ausgehen dürfen. Dass vom gegenständlichen Bauprojekt keine Emissionen ausgingen, ist jedoch nicht ersichtlich und hat auch die belangte Behörde nicht dargelegt.

Auch in diesem Zusammenhang ist schließlich festzuhalten, dass im lärmtechnischen Gutachten des Amtssachverständigen vom 7. Jänner 1999, auf das sich die belangte Behörde hier stützt (die Einreichunterlagen vom 4. Dezember 1998, die offenbar im gewerberechtlichen Verfahren vorgelegt wurden, befinden sich nicht im Akt), von den "betrachteten Nachbarschaftspunkten", also nicht von der jedenfalls auch relevanten Grundgrenze, ausgegangen worden ist, und abgesehen davon wäre auch in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Angaben der T. GmbH erforderlich gewesen.

Da die belangte Behörde somit die Regelung des § 48 BO verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Februar 2006

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerBesondere RechtsgebieteSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6Anforderung an ein GutachtenNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Beweismittel Sachverständigenbeweis Technischer SachverständigerSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerBaurecht NachbarSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004050006.X00

Im RIS seit

28.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten