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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde
1. der Waltraud Gruber in Lilienfeld, 2. der Ingrid Monaghan in Bethesda (USA) und 3. des Dr. Heinz Gruber in Wien, alle vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 2004, Zl. RU1-B-0115/02, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Prefa Aluminiumprodukte Gesellschaft mbH in Marktl, vertreten durch Hofbauer, Hofbauer & Wagner, Rechtsanwälte Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 21. August 2002 stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung für den Zu- und Umbau einer bestehenden Betriebsanlage auf einem näher bezeichneten Grundstück, nach den Einreichunterlagen umfassend die Erweiterung einer Lagerhalle. Das Grundstück der Beschwerdeführer grenzt im nordöstlichen Bereich des Baugrundstückes direkt an dieses an. In der Verhandlungsschrift vom 2. Dezember 2002 ist im Wesentlichen festgehalten, dass die Erweiterung eine Größe von 6,10 m x 34,46 m Richtung Südwesten aufweise. Nordostseitig werde ebenfalls eine Erweiterung mit einer Nutzfläche von 1.181 m2 hergestellt. Die neue, zur Grundstücksgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführer zeigende Außenwand werde in einem Abstand von mindestens 3,10 m zur Grundstücksgrenze errichtet. Die Gebäudehöhe der nordostseitigen Erweiterung betrage laut den vorliegenden Schnitten Y-Y 5,85 m, im Schnittbereich X-X 5,45 m. Das Baugrundstück sei als Bauland-Industriegebiet gewidmet. Das Nachbargrundstück der Beschwerdeführer liege im Grünland mit der Nutzung Landwirtschaft. Das auf der Nachbarliegenschaft befindliche Wohnhaus in einem Abstand von ca. 30 m zur Grundgrenze sei als "Grünland erhaltenswertes Gebäude" ausgewiesen. Der Bebauungsplan regle keine "hintere Baulinie". Bei einer Gegenüberstellung der geplanten Bauhöhe knapp unter 6 m und einem Gesamtabstand zum Wohnhaus der Nachbarn von ca. 33 m sei der freie Lichteinfall nach einem zu Protokoll gegebenen "Gutachten im baubehördlichen Verfahren" auf jeden Fall gewährleistet. Weiters wurde ein Gutachten eines lärmtechnischen Amtssachverständigen zu Protokoll genommen.
Seitens der Beschwerdeführer wurden bei der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2002 Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Flächenwidmung vorgebracht. Ferner wurde ausgeführt, dass der gesetzlich vorgeschriebene Mindestabstand gemäß § 50 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (BO) nicht eingehalten werde. Angesichts einer Gebäudehöhe von 12 m müsste der Mindestabstand 6 m betragen. Tatsächlich sei jedoch entsprechend dem eingereichten Projekt lediglich ein Abstand von 3,5 m gegeben. Der Erstbeschwerdeführerin sei darüber hinaus von der Eigentümerin des Baugrundstückes das lebenslängliche Nutzungsrecht über ein Teilstück des Werkskanalgrundstückes eingeräumt worden. Die Inanspruchnahme dieses "dienlichen" Rechtes würde durch das Bauvorhaben vollkommen aufgehoben bzw.
ausgeschlossen werden.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom
6. Mai 2003 wurde die beantragte Baubewilligung erteilt.
Gegen diesen Bescheid wurde seitens der Beschwerdeführer
Berufung erhoben. Darin wurden die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Widmung des Baugrundstückes sowie die Einwendungen betreffend die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Mindestabstandes und die Beeinträchtigung des dinglichen Nutzungsrechtes eines Teilstückes des Werkskanalgrundstückes wiederholt. Ferner wurde vorgebracht, der bestehenden Anlage liege der Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1993 zu Grunde. Einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bilde das Protokoll über die Bauverhandlung vom 4. Oktober 1993. Nach dem Bescheidinhalt seien die in der Niederschrift angeführten Auflagen und Bedingungen einzuhalten. Die Niederschrift enthalte u.a. die Auflagen bzw. Bedingungen, im Sinne der geforderten hohen Wohnqualität zwischen dem Gebäude und dem Anrainergrundstück der Beschwerdeführer eine Begrünung und einen Sichtschutz aus Bäumen vorzusehen sowie die bereits auf der Dammböschung bestehende Ligusterhecke zu erhalten. Diese Auflagen bzw. Bedingungen würden durch die erteilte Baubewilligung außer Kraft gesetzt. Sowohl die bestehenden Bäume als auch die Ligusterhecke würden entfernt.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Baugrundstück habe die Widmung Bauland-Industriegebiet, in der die beantragte Abänderung einer bereits bestehenden Betriebsanlage jedenfalls zulässig sei. Das rechtmäßige Zustandekommen der Widmung stelle kein subjektivöffentliches Recht gemäß § 6 Abs. 2 BO dar. Weiters legte die belangte Behörde dar, dass nach den Immissionsberechnungen betreffend den Schallschutz die Bestimmung des § 48 Abs. 2 BO eingehalten werde. Ferner sei gemäß § 50 Abs. 2 BO zwischen einem Gebäude und der hinteren Grundstücksgrenze grundsätzlich bei jeder Bebauungsweise ein Bauwich im Ausmaß nach § 50 Abs. 1 BO einzuhalten, sofern der Bebauungsplan nichts anderes festlege und nicht § 51 Abs. 4 BO zutreffe. Im vorliegenden Fall handle es sich aber bei dem Abstand zwischen dem geplanten Gebäude und der Liegenschaft der Beschwerdeführer um einen seitlichen Bauwich. Dieser müsse im geregelten Baulandbereich (Bebauungsplan) der halben Gebäudehöhe entsprechen. Wenn er nicht in besonderen gesetzlichen Bestimmungen oder im Bebauungsplan durch Baufluchtlinien anders geregelt sei, müsse er mindestens 3 m betragen. Die Gebäudehöhe der nordseitigen Erweiterung zum Anwesen der Beschwerdeführer hin betrage laut Schnitt Y-Y 5,85 m und laut Schnitt X-X 5,45 m. Daher sei ein Mindestabstand von 3 m vorzusehen. In der Verhandlungsschrift vom 2. Dezember 2002 sei festgehalten worden, dass die Außenwand in einem Abstand von mindestens 3,10 m zur Grundstücksgrenze errichtet werde. Damit sei jedenfalls der gesetzlichen Bestimmung des § 50 Abs. 1 BO Rechnung getragen. Die privatrechtliche Einwendung betreffend das Nutzungsrecht der Erstbeschwerdeführerin sei vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Die Behauptung, dass die im Baubewilligungsbescheid vom 20. Oktober 1993 näher angeführten Auflagen durch die genehmigte Bauführung außer Kraft gesetzt würden, sei mangels Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechtes im Sinne des § 6 Abs. 2 BO nicht weiter zu prüfen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und verwies in einem Schriftsatz vom 23. Dezember 2004 auf die Ausführungen im bekämpften Bescheid. Ein Kostenersatzantrag wurde nicht gestellt.
Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 2004, Zl. 2003/05/0196, mwN). Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG idF BGBl. I Nr. 158/1998 die Parteistellung behalten hat.
§ 6 Abs. 2 BO lautet:
"(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die
1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4) sowie
2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,
gewährleisten und über
3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen."
Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid würden die Auflagen bzw. Bedingungen des Baubewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1993 betreffend eine Begrünung und einen Sichtschutz aus Bäumen bzw. die Erhaltung einer Ligusterhecke "außer Kraft gesetzt", ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer zwar bei der mündlichen Verhandlung am 2. Dezember 2002 keine derartigen Einwendungen erhoben haben, sondern erst in der Berufung. Dennoch waren diese Einwendungen nicht verspätet, da in der Ladung zur Verhandlung vom 2. Dezember 2002 auf die Rechtsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 (Verlust der Parteistellung bei nicht rechtzeitiger Erhebung von Einwendungen spätestens bei der mündlichen Verhandlung) nicht hingewiesen worden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2005, Zl. 2004/05/0173, mwN).
Im Spruch des von den Beschwerdeführern genannten Baubewilligungsbescheides vom 20. Oktober 1993 ist folgender Passus enthalten:
"Das Protokoll über die Bauverhandlung liegt in Abschrift bei und bildet einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides. Die Ausführung des Vorhabens hat nach Maßgabe der Sachverhaltsdarstellung sowie der mit einer Bezugsklausel versehenen Baubeschreibung und den Planunterlagen zu erfolgen; hiebei sind die in der Niederschrift angeführten Auflagen und Bedingungen einzuhalten."
In der bezogenen Niederschrift ist unter der Überschrift "Erklärung der Anrainer: Hr. Dr. Hans Gruber erklärt:" unter anderem Folgendes protokolliert:
"2.) Im Sinne der geforderten hohen Wohnqualität soll zwischen dem Gebäude und dem Anrainergrundstück eine Begrünung und ein Sichtschutz aus Bäumen vorgesehen werden (12 Stk).
3.) Die bereits auf der Dammböschung bestehende Ligusterhecke soll erhalten bleiben. Wo sie beschädigt wird, wird sie nachgesetzt."
Bereits aus der Formulierung der genannten Passagen ergibt sich, dass es sich dabei nicht um Auflagen und Bedingungen im Sinne des Bescheidspruches handeln kann (arg.: "soll"), zumal diese Textstellen auch nicht von Sachverständigen stammen, sondern bloße "Erklärungen" des Nachbarn wiedergeben. Abgesehen davon geht es im hier gegenständlichen Baubewilligungsverfahren um eine Änderung der Baulichkeit. Dies bedeutet, dass dabei nach Maßgabe der geltenden Regelungen der BO auch vormalige Baukonsense eine Änderung erfahren. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Angaben betreffend die Bäume und die Ligusterhecke Teil des seinerzeitigen Baukonsenses waren, führte das folglich nicht dazu, dass das nunmehr zu beurteilende Änderungsvorhaben an ihnen zu messen wäre. Im Übrigen wird von den Beschwerdeführern auch nicht näher ausgeführt, dass durch die Beseitigung der Bäume und der Ligusterhecke ein Nachbarrecht im Sinne des § 6 Abs. 2 BO betroffen sein könnte.
Des Weiteren wird in der Beschwerde dargelegt, dass die Flächenwidmung Bauland-Industriegebiet gesetzwidrig sei. Dazu ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid auch mit Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpft haben (vgl. dazu den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2005/05/0350). Der Verfassungsgerichtshof hat die Beschwerde mit Beschluss vom 10. Oktober 2005, B 113/04 u.a., abgelehnt und in der Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beschwerdeführer würden nicht ausreichend berücksichtigen, dass unter den hier gegebenen Umständen die Voraussetzungen für die Änderung des örtlichen Raumordnungsprogrammes bzw. Flächenwidmungsplanes vorgelegen seien (Hinweis zur Abrundung eines bestehenden Betriebsgebietes auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 13.835/1994), die vorgenommene Umwidmung den Anforderungen des NÖ ROG 1976 (insbesondere den Planungsrichtlinien) entspreche und im Hinblick auf die Grünlandwidmung des Grundstückes der Beschwerdeführer auch keine konfligierende Widmung geschaffen worden sei (Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 10.131/1984).
Auch der Verwaltungsgerichtshof hat keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Flächenwidmung. Er sieht sich daher auf Grund der Beschwerdeausführungen nicht veranlasst, einen Antrag auf Aufhebung des Flächenwidmungsplanes an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.
Die Beschwerdeführer machen darüber hinaus geltend, dass das Bauvorhaben den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstand gemäß § 50 Abs. 2 BO nicht einhalte. Angesichts einer Gebäudehöhe von 12 m wäre ein Mindestabstand von 6 m zum Nachbargrundstück der Beschwerdeführer notwendig. Tatsächlich wäre jedoch lediglich ein Abstand von 3,5 m gegeben. Nicht nachvollziehbar sei die Annahme der belangten Behörde, dass ein seitlicher Bauwich vorliege. Sowohl das Gutachten im baubehördlichen Verfahren bei der Verhandlung vom 2. Dezember 2002 als auch der in erster Instanz ergangene baubehördliche Bescheid vom 6. Mai 2003 gingen von einem hinteren Bauwich aus, wenn übereinstimmend darauf Bezug genommen werde, dass der Bebauungsplan keine hintere Baulinie regle. Auch aus § 70 BO gehe unmissverständlich hervor, dass der vordere und damit auch der hintere Bauwich aus der Lage des jeweiligen Bauvorhabens in Bezug auf die Verkehrsfläche zu beurteilen sei. Aus den Plänen ergäbe sich, dass an derjenigen Außenwand, die der geplanten Erweiterung gegenüberliege, der Wallfahrerweg entlang führe. An der unmittelbar an den Wallfahrerweg grenzenden Grundstücksgrenze sei somit der vordere Bauwich einzuhalten. Entlang der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze, wo das Baugrundstück unmittelbar an das Grundstück der Beschwerdeführer grenze, sei daher der hintere Bauwich einzuhalten.
§ 50 BO lautet:
"§ 50
Bauwich
(1) Der seitliche Bauwich (§ 70 Abs. 1 Z. 2 bis 5) muß im geregelten Baulandbereich (Bebauungsplan) der halben Gebäudehöhe entsprechen. Wenn er nicht in den folgenden Bestimmungen oder im Bebauungsplan durch Baufluchtlinien anders geregelt ist, muß er mindestens 3 m betragen.
Ab einer Gebäudehöhe von mehr als 8 m und einer Länge der der Grundstücksgrenze zugewandten Gebäudefront von mehr als 15 m muß der Bauwich für jenen Teil der Gebäudefront, der über diese 15 m hinausreicht, der vollen Gebäudehöhe entsprechen (abgesetzte Gebäudefront).
(2) Zwischen einem Gebäude und der hinteren Grundstücksgrenze ist grundsätzlich bei jeder Bebauungsweise ein Bauwich im Ausmaß nach Abs. 1 einzuhalten, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgelegt ist und nicht § 51 Abs. 4 zutrifft.
(3) Ein geringerer Bauwich als nach Abs. 1 und 2 genügt, wenn
1. dies zur Wahrung des Charakters der Bebauung in Schutzzonen, erhaltungswürdigen Altortgebieten und zusammenhängend bebauten Ortsgebieten erforderlich ist,
2. der freie Lichteinfall unter 45 Grad auf die Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbarbauplätzen gewährleistet ist und
3. keine hygienischen oder brandschutztechnischen Bedenken bestehen.
Einen anderen Bauwich als nach Abs. 1 und 2 darf die Baubehörde für Betriebsgebäude im Bauland-Betriebsgebiet oder -
Industriegebiet
bewilligen, wenn Z. 2 und 3 zutreffen, und
vorschreiben, wenn dies zum Brandschutz notwendig ist.
(4) Wenn die Grundstücksgrenze und die Gebäudefront nicht parallel zueinander verlaufen, muß jeweils der geringste Abstand das im Abs. 1 oder 2 bestimmte Ausmaß aufweisen.
(5) Bei Fahnengrundstücken (§ 10 Abs. 2 Z. 4) darf der streifenförmige Grundstücksteil je zur Hälfte seiner Breite dem Bauwich der angrenzenden Grundstücke angerechnet werden. Einfriedungen oder sonstige Bauwerke auf diesem Grundstücksteil dürfen den freien Lichteinfall unter 45 Grad auf die Hauptfenster der zulässigen Gebäude auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigen."
§ 51 Abs. 4 BO lautet:
"(4) Im Bauland mit den Widmungsarten Kerngebiet, Betriebsgebiet, Industriegebiet, Agrargebiet und Sondergebiet ohne Schutzbedürftigkeit, darf ein Gebäude oder -teil im hinteren Bauwich errichtet werden, wenn im Bebauungsplan keine hintere Baufluchtlinie festgelegt ist und der freie Lichteinfall unter 45 Grad auf die Hauptfenster zulässiger Gebäude auf den Nachbargrundstücken nicht beeinträchtigt wird."
Die belangte Behörde ist in ihrer Bescheidbegründung davon ausgegangen, dass die Gebäudehöhe gegenüber dem Nachbargrundstück der Beschwerdeführer unter 6 m betrage. Dies ist auch den Einreichunterlagen so zu entnehmen. Die Beschwerdeführer bringen zwar vor, dass eine Gebäudehöhe von 12 m gegeben sei. Sie begründen diese Annahme aber nicht näher und legen auch nicht dar, weshalb die von der belangten Behörde ihrer Entscheidung zu Grunde gelegte Gebäudehöhe unrichtig berechnet worden sei.
Ist aber davon auszugehen, dass eine Gebäudehöhe von unter 6 m vorliegt, ist der in den Einreichunterlagen ausgewiesene Abstand zur Nachbargrundgrenze von 3,10 m jedenfalls ausreichend, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich um einen seitlichen Bauwich im Sinne des § 50 Abs. 1 BO oder um einen hinteren Bauwich nach § 50 Abs. 2 BO handelt.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Beschwerdeführer haben die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der im Beschwerdefall in Rede stehende Anspruch als "civil right" im Sinne der EMRK zu beurteilen ist, weil im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus folgenden Gründen jedenfalls nicht erforderlich ist: Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegensteht.
Der EGMR hat zuletzt in seiner Entscheidung vom 2. September 2004, Zl. 68087/01 (Hofbauer/Österreich) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass die Anforderungen von Art. 6 EMRK auch bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung oder überhaupt jeglicher Anhörung (im Originaltext: any hearing at all) erfüllt sind, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "technische" Fragen betrifft. Der Gerichtshof verwies im erwähnten Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist hier geklärt. In der vorliegenden Beschwerde wurden keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Art. 6 EMRK steht somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2005, Zl. 2002/05/1519 mwN). Die Entscheidung konnte daher im Sinne des § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 27. Februar 2006
Schlagworte
Baurecht NachbarEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004050201.X00Im RIS seit
29.03.2006