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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Elisabeth Haase in 2490 Ebenfurth, vertreten durch Stangl & Ferstl, Rechtsanwaltspartnerschaft in 2700 Wiener Neustadt, Neunkirchnerstraße 34, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 27. März 2003, Zl. RU1- V-00064/02 betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Ebenfurth), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut einer Mitteilung der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 27. September 1999 wurde das Tierasyl der Beschwerdeführerin für 25 Hunde und 61 Katzen auf dem Grundstück Nr. 332, KG Ebenfurth (Mühlgasse 3b) am 20. November 1995 nach den Bestimmungen des NÖ Tierschutzgesetzes zur Kenntnis genommen; eine dementsprechende Gewerbeberechtigung liege aber nicht vor.
Auf Grund einer Anrainerbeschwerde wegen Geruchs- und Lärmbelästigung wegen der Tierhaltung der Beschwerdeführerin wurde eine "Feststellungsverhandlung gemäß § 33 und § 48" NÖ BauO anberaumt.
Im Zuge der Verhandlung der Baubehörde vom 8. Oktober 1999 wurde festgestellt, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan vom 24. März 1997 als "Bauland-Wohngebiet" ausgewiesen sei. Für den Gebäudebestand auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück sei mit Ausnahme eines kleinen "Zubaus" keine Eintragung im Bauakt vorhanden. Der Gebäudebestand werde in drei Einheiten gegliedert, wobei die nördliche Einheit von der Beschwerdeführerin genutzt werde. Diese Einheit bestehe aus einem Unter- und Obergeschoss. Im Untergeschoss befänden sich ein Vorraum, ein Heizraum, ein Brennstofflagerraum sowie ein großer und ein kleiner Raum. Sowohl im Heizraum als auch in den beiden Kellerräumen würden Tiere gehalten. Das Obergeschoss bestehe aus einem WC, einem Bad, einer Küche, einem Esszimmer, einem Wohnzimmer sowie einem weiteren Aufenthaltsraum. Die Hunde- und Katzenhaltung erfolge in allen zugänglichen Räumen. Laut Angabe der Beschwerdeführerin befänden sich ca. 36 Hunde und 40 Katzen in dieser Einheit.
Der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung anwesende bautechnische Amtsachverständige Ing. Z. gab an, dass aus bau- und brandschutztechnischer Sicht die gegenständliche Tierhaltung kein erhöhtes Gefährdungspotenzial darstelle. Ob die vorgebrachten unüblichen Lärm- und Geruchsbelästigungen örtlich zumutbar seien, sei nach der für das Baugrundstück im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungs- und Nutzungsart zu beurteilen.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. März 2000 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 NÖ ROG 1976 aufgetragen, das Gebäude auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück seiner widmungsgemäßen Nutzung (mit üblicher Haustierhaltung) unter Berücksichtigung der Flächenwidmung "Bauland - Wohngebiet" bis spätestens 20. September 2000 zuzuführen. Die Baufläche weise laut rechtsgültigem Flächenwidmungsplan die Widmung "Bauland - Wohngebiet" auf. Eine übliche Haltung von Haustieren in "Bauland - Wohngebiet" erscheine grundsätzlich als zulässig, eine Haltung von 36 Hunden und 40 Katzen widerspreche aber dem Begriff der üblichen Tierhaltung auf als Bauland-Wohngebiet gewidmeten Flächen.
In der dagegen erstatteten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, sie halte derzeit 52 Hunde und 48 Katzen. Bereits 1995 habe ihr die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die Genehmigung zur Führung eines Tierheimes erteilt. Die Besonderheit ihres Tierheimes liege darin, dass sich die Tiere im ganzen Haus frei und ohne Zwinger bewegen können. Die Tiere seien aus diesem Grund auch nicht verhaltensgestört und es gehe daher auch keine örtlich unzumutbare Lärmimmission von ihnen aus. Zudem seien die Fenster doppelt verglast und es werde dadurch der Großteil der Geräusche im Haus absorbiert. Der Garten werde zweimal am Tag von Kot gesäubert, weshalb auch keine Geruchsbelästigung entstehe. Bei der Beurteilung der Frage, ob Lärm- oder Geruchsbelästigungen ein ortsübliches Maß überschreiten, müsse von den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort ausgegangen werde.
Mit Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 25. Mai 2000 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der Bescheid erster Instanz bestätigt. Eine Tierhaltung von 36 Hunden und 40 Katzen widerspreche der üblichen Tierhaltung im "Bauland-Wohngebiet", weshalb die Wiederherstellung der widmungsgemäßen Verwendung der gegenständlichen Liegenschaft zu Recht aufgetragen worden sei.
Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2000 Folge gegeben, der Bescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde verwiesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei der Betrieb eines Tierheimes für 52 Hunde und 48 Katzen (nach den Angaben in der Vorstellung) in einem Wohngebäude, welches im gewidmeten "Bauland-Wohngebiet" liege, unzulässig. Ein Bauwerk für eine Tierhaltung, die über die hier zu Lande übliche Haltung von Haustieren hinausgehe, gehöre ins "Bauland-Agrargebiet". Ein baupolizeilicher Auftrag, mit dem von der Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als den bewilligten oder aus den der Anzeige zu ersehenden Verwendungszweck verboten werde, könne aber nicht auf § 16 Abs. 1 Z. 1 ROG, sondern nur auf § 35 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1996, gestützt werden.
Mit Bescheid vom 28. Juni 2001 erteilte der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 3 NÖ BauO 1996 den Auftrag, das auf dem gegenständlichen Grundstück errichtete Gebäude unter Berücksichtigung der Flächenwidmung "Bauland-Wohngebiet" seiner widmungsgemäßen Nutzung bis spätestens 15. Jänner 2002 zuzuführen. Unter Behebung des von der Vorstellungsbehörde aufgezeigten Formalfehlers (falsches Gesetzeszitat) werde der Auftrag nunmehr auf § 35 Abs. 3 NÖ BauO gestützt.
Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 2001 neuerlich Folge gegeben, weil nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein baupolizeilicher Auftrag, damit er vollstreckt werden könne, ausreichend konkretisiert werden müsse. Bei Pflichten begründenden individuellen Verwaltungsakten müsse die Behörde den Gegenstand und den Umfang der ausgesprochenen Verpflichtung so hinreichend umschreiben, dass der Bescheid jederzeit einer Vollstreckung im Wege einer behördlichen Vollstreckungsverfügung zugänglich sei. Der Spruch des Berufungsbescheides genüge dem geforderten Konkretisierungsgebot nicht.
Mit Bescheid vom 10. September 2002 verbot der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Beschwerdeführerin, gestützt auf § 35 Abs. 3 NÖ BauO 1996, die Nutzung des zu Wohnzwecken gewidmeten Gebäudes als Tierheim "in der Gestalt des Halten, Pflegen- und Betreuen von Hunden und Katzen". Bis 31. März 2003 sei die Nutzung des oben angeführten Gebäudes als Tierheim einzustellen und die in diesen Räumlichkeiten und auf dieser Liegenschaft untergebrachten Hunde und Katzen zu entfernen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne kein Zweifel bestehen, dass der Betrieb eines Tierheims, unabhängig ob dieses mit Gewinnabsicht geführt werde oder nicht, eine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung verursachen könne und deshalb jedenfalls im "Bauland-Wohngebiet" unzulässig sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin neuerlich Vorstellung an die belangte Behörde. Der Bescheid sei nach wie vor nicht ausreichend konkretisiert, da sich darin keine Feststellungen fänden, wo auf der Liegenschaft das Tierheim betrieben werde. Insbesondere habe es die Behörde unterlassen, sich ausreichend mit dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin auseinander zu setzen. Es sei im Zuge der Verhandlung nicht festgestellt worden, ob Emissionen von der Liegenschaft ausgehen. Das gegenständliche Tierheim sei behördlich genehmigt. Da im Zuge der Erteilung der Genehmigung gemäß § 74 Gewerbeordnung eine Prüfung der Beeinträchtigungen von berechtigten Nachbarinteressen vorgenommen werde, könne davon ausgegangen werden, dass in Ansehung der positiven Erledigung des entsprechenden Ansuchens der Beschwerdeführerin die Gewerbebehörde auch die Nachbarrechte mit berücksichtigt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab. Sowohl aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als auch aus den Erfahrungen des täglichen Lebens ergebe sich eindeutig und zweifelsfrei, dass der Betrieb eines Tierheimes für (nunmehr) 36 Hunde und 14 Katzen in einem Wohngebäude, welches im gewidmeten "Bauland - Wohngebiet" liege, unzulässig sei.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 16. Jänner 2004, B 711/03-13, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerdeführerin machte in ihrer Beschwerdeergänzung Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstatte, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer Beschwerde vor, ihr Tierheim verfüge über rechtskräftige gewerbebehördliche und auch baubehördliche Bewilligungen, in die nicht ohne weiteres eingegriffen werden dürfe. Darüber seien keine Feststellungen getroffen worden. Die Behörden hätten es verabsäumt, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt, insbesondere hinsichtlich des tatsächlichen ortsüblichen Lärm- und Geruchspegels, festzustellen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde komme es aber nicht darauf an, wie viele Tiere auf einer Liegenschaft im "Bauland-Wohngebiet" gehalten werden, sondern ob von diesen Emissionen ausgehen, die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen.
Die Behörden haben den Bauauftrag auf Absatz 3 des § 35 NÖ BauO 1996, LGBl. 8200 - 6 (BO), gestützt. Diese Bestimmung lautet:
(3) Wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, hat die Baubehörde die Nutzung eines Bauwerks zu einem anderen als dem bewilligten oder aus der Anzeige (§ 15) zu ersehenden Verwendungszweck mit Bescheid zu verbieten."
§ 35 Abs. 3 BO geht von dem bewilligten oder aus der Anzeige zu ersehenden Verwendungszweck aus. Eine diesem Zweck widersprechende Verwendung hat die Baubehörde, wenn es zur Vermeidung von Gefahren für Menschen und Sachen oder von unzumutbaren Belästigungen notwendig ist, zu verbieten. Ob die Verwendung eines Gebäudes im Widerspruch zu dem im Zeitpunkt des Beseitigungsauftrags bestehenden Flächenwidmungsplan steht, ist nach dieser Bestimmung hingegen nicht zu beurteilen. Dies ist insofern begreiflich, als die Übereinstimmung des angestrebten Verwendungszweckes mit dem Flächenwidmungsplan bereits im Zeitpunkt eines Bauansuchens oder einer Anzeige nach § 15 BO von Seiten der Baubehörde zu überprüfen war und selbst bei nachträglicher Umwidmung bereits rechtmäßig bestehende Betriebe bleiben dürfen (vgl. das hg Erkenntnis vom 16. Dezember 2003, 2001/05/0387).
Welcher Verwendungszweck für das gegenständliche Gebäude bewilligt oder aus einer Anzeige zu ersehen ist, wurde weder zweifelsfrei festgestellt noch kann er dem beigeschlossenen Verwaltungsakt entnommen werden. Zwar wurde in der Bauverhandlung dargelegt, es sei in dem das Baugrundstück betreffenden Akt nur ein "Zubau" eingetragen, dies führte aber zu keiner bescheidmäßigen Feststellung. Im Bescheid des Stadtsenates vom 10. September 2002 (im 3. Rechtsgang) findet sich zwar die Aussage, es handle sich um ein zu Wohnzwecken genutztes Gebäude, es findet sich aber kein Hinweis im Akt, worauf sich diese Aussage gründet. Eine nach entsprechender Beweisaufnahme, insbesondere durch Einsicht in den für die Liegenschaft bestehenden Bauakt getroffene Feststellung ist - wie oben dargestellt - Grundvoraussetzung für die Beurteilung, ob ein baupolizeilicher Auftrag nach § 35 Abs. 3 BO erteilt werden kann. Erst dann kann ein allfälliger Widerspruch zu der tatsächlichen Nutzung aufgezeigt werden und ist bei einem Widerspruch eine Gefahr für Menschen oder Sachen oder eine unzumutbare Belästigung, allenfalls unter Zuhilfenahme von Sachverständigengutachten, zu prüfen.
Da die belangte Behörde diese Mängel des Gemeindeverfahrens nicht wahrnahm, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 2003/333.
Wien, am 27. Februar 2006
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche BeurteilungBesondere RechtsgebieteBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004050004.X00Im RIS seit
27.03.2006Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009