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L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauG Vlbg 2001 §43;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/06/0096Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerden 1. des Dkfm. K W und 2. des H R, beide vertreten durch Mag. Martin Künz, Rechtsanwalt 6850 Dornbirn, Goethestraße 5, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 16. April 2003, 1. Zl. 1-0789/02/E8 (betreffend den Erstbeschwerdeführer) und 2. Zl. 1-0788/02/E8 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), jeweils betreffend Übertretung des Vorarlberger Baugesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen insoweit gleichlautenden angefochtenen Bescheiden wurden die Beschwerdeführer schuldig erkannt, sie hätten es als handelsrechtliche Geschäftsführer der
I. GmbH und somit als gemäß § 9 VStG zur Vertretung dieses Unternehmens nach außen berufene Organe zu verantworten, dass der zweite Bauabschnitt eines näher bezeichneten Einkaufszentrums am
22. und 23. August 2002 benützt worden sei, obwohl die Befunde über die Ausführung des Bauvorhabens durch befugte Fachleute nur mangelhaft vorgelegt worden seien, in dem die Bestätigung eines befugten Statikers über die ordnungsgemäße Ausführung der tragenden Konstruktion und Prüfbefunde der Rolltreppen, Tore sowie Glasschiebetüren gefehlt hätten. Dadurch hätten die Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. l iVm § 44 Abs. 2 Baugesetz iVm der Auflage II/A/16 lit. c und d des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 13. Juni 2000, Zl. II-7000/00, begangen. Über sie wurde eine Geldstrafe verhängt.
In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zunächst den unstrittigen Sachverhalt wieder:
Die Bezirkshauptmannschaft Bludenz erteilte mit Bescheid vom 13. Juni 2000 der I. GesmbH in Spruchpunkt 2 die Baubewilligung mit Auflagen für den Abbruch des bestehenden Gebäudes und die Errichtung eines näher genannten zweigeschossigen Einkaufszentrums. Die Auflage II/A/16 lautete:
"Mit dem unverzüglich nach Vollendung des bewilligten Vorhabens einzubringenden Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung sind folgende Unterlagen vorzulegen:
...
c) eine Bescheinigung, ausgestellt von einem Ziviltechniker einschlägiger Fachrichtung oder einem anderen befugten Statiker, aus der hervorgeht, dass die tragenden Konstruktionen den statischen Erfordernissen entsprechend ausgeführt worden sind;
d) eine Bescheinigung eines anerkannten Sachverständigen (technischer Überwachungs-Verein, befugter Ziviltechniker) über die Prüfung der Rolltreppen und Tore sowie Glasschiebetüren;
..."
Das Bauvorhaben sei in zwei Bauabschnitten umgesetzt worden. Der zweite Bauabschnitt sei am 22. August 2002 in Betrieb genommen worden. Die A. GmbH habe im Namen der I. GmbH mit Schreiben vom 20. August 2002 die Fertigstellung des Bauvorhabens bekannt gegeben. Am 8. Oktober 2002 habe die Baubehörde die Schlussüberprüfung für den zweiten Bauabschnitt durchgeführt. Die Bescheinigungen über die Prüfung der Rolltreppen, Tore sowie Glasschiebetüren gemäß Auflage II/A/16 lit. d seien von der A. GmbH mit Eingabe vom 3. September 2002, bei der Baubehörde am selben Tag eingelangt, vorgelegt worden. Das Statikattest gemäß Auflage II/A/16 lit. c sei mit Eingabe der A. GmbH vom 2. September 2002, bei der Baubehörde am 5. September 2002 eingelangt, abgegeben worden.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, der gegenständliche Baubescheid sei auf Grund des Baugesetzes 1972 erlassen worden. Aus der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 1 Baugesetz, LGBl. Nr. 52/2001, ergebe sich im Bezug auf die Benützung des zweiten Bauabschnittes des in Rede stehenden Einkaufszentrums, dass die §§ 43 und 44 Baugesetz sinngemäß anzuwenden seien. Nach diesen Bestimmungen bedürfe die Benützung eines bewilligungspflichtigen Vorhabens im Unterschied zum Baugesetz 1972 keiner Benützungsbewilligung mehr und entfalle demnach ein Antrag auf Benützungsbewilligung; die Bauvollendungsmeldung sei jedoch nach wie vor zu erstatten. Wenn in der Auflage II/A/16 lit. c und d ausgesprochen werde, die Unterlagen seien "mit dem ... Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung" vorzulegen, könne eine sinngemäße Anwendung der §§ 43 und 44 Baugesetz nur zum Ergebnis führen, dass diese Unterlagen mit der Meldung über die Bauvollendung vorzulegen seien. Denn bereits nach der alten Rechtslage (vgl. § 45 Abs. 1 Baugesetz 1972) habe die Benützungsbewilligung gleichzeitig mit der Meldung über die Bauvollendung beantragt werden müssen. Ein anderer Zeitpunkt für die Vorlage der Unterlagen komme daher nicht in Betracht. Die belangte Behörde könne daher nicht erkennen, dass hinsichtlich dieser Auflage für die Beschuldigten die Rechtslage nicht eindeutig erkennbar gewesen wäre. Es stehe fest, dass die gemäß der Auflage II/A/16 lit. c und d vorzulegenden Unterlagen erst nach Aufnahme der Benützung des zweiten Bauabschnittes vorgelegt worden seien, womit die Benützung dem § 44 Abs. 2 Baugesetz widersprochen und die Beschuldigten die ihnen nunmehr vorgeworfenen Taten in objektiver Hinsicht zu vertreten hätten. Da eine Übertretung nach § 55 Abs. 1 lit. l Baugesetz ein Ungehorsamsdelikt darstelle, sei es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer für die Strafbarkeit unerheblich, ob durch ihr Verhalten die Sicherheit der Kunden gefährdet worden sei und ob die Baubehörde die Benützung des Einkaufszentrums untersagt habe.
Hinsichtlich der subjektiven Tatseite sei zu beachten, dass die I. GmbH - und nicht die A. GmbH - Bauherrin des in Rede stehenden Einkaufszentrums und als solche Inhaberin des gegenständlichen Baubescheides sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trage der Bauherr die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung dafür, dass der Bau entsprechend der Baubewilligung ausgeführt werde; eine Abwälzung dieser Verantwortung auf andere Personen ohne gesetzliche Grundlage sei nicht möglich. Aus dem anzuwendenden Baugesetz ergebe sich keine Norm, auf deren Grundlage der Bauherr seine strafrechtliche Verantwortlichkeit auf eine andere Person abwälzen könnte. Die Beschuldigten als handelsrechtliche Geschäftsführer der Bauherrin träfe nur dann keine strafrechtliche Haftung, wenn kein Verschulden im Sinne des § 5 VStG vorläge. Die Beschuldigten hätten diesbezüglich vorgebracht, dass die A. GmbH, ein renommiertes, das Vertrauen der Bauherrin genießendes Unternehmen, mit der Planung und Ausführung des Einkaufszentrums beauftragt worden sei. Die A. GmbH sei über die bescheidmäßigen Auflagen informiert gewesen. Nach Ansicht der belangten Behörde reiche es aber nicht aus, wenn der Bauherr einen Dritten mit der Bauausführung beauftrage und dann die bescheidkonforme Errichtung des Bauvorhabens und die Einhaltung der Auflagen des Baubescheides allein den Bauausführenden überlasse. Für ein gewisses Maß an Überwachung der Bauausführung müsse der Bauherr auch in diesem Fall Sorge tragen. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Sorgfaltspflicht im vorliegenden Fall im Hinblick auf den entfernten Firmensitz der Bauherrin nicht überspannt werden dürfe, hätte es auf jeden Fall vor der Aufnahme der Benützung des zweiten Bauabschnittes, also nach Abschluss der Bauarbeiten für diesen Bauabschnitt, konkreter Kontrollmaßnahmen bedurft. Dabei hätte die Bauherrin im Sinn einer abschließenden Bauabnahme die bescheidgemäße Ausführung, also auch die Erfüllung der Bescheidauflagen, zu überprüfen gehabt. Da die Beschuldigten dies nicht veranlasst hätten, könnten sie mangelndes Verschulden nicht mit Recht geltend machen.
Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, die übertretene Rechtsvorschrift diene dem Interesse der Sicherheit. Bauvorhaben sollten nur benützt werden, wenn die von der Baubehörde für erforderlich erachteten Befunde befugter Fachleute vorlägen. Dem Schutzzweck dieser Bestimmung hätten die Beschuldigten von vornherein nicht unerheblich zuwider gehandelt. Sonstige nachteilige Folgen der Tat seien nicht hervorgekommen. Als Verschuldensform werde Fahrlässigkeit angenommen. Erschwerungsgründe kämen nicht in Betracht, als mildernd sei die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer zu berücksichtigen gewesen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beide Beschwerdeverfahren wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hat erwogen:
Der Baubewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 13. Juni 2000, mit dem der I. GmbH die Baubewilligung für den Abbruch des bestehenden Gebäudes und die Errichtung eines zweigeschossigen Einkaufszentrums erteilt wurde, enthielt Auflagen, denen zufolge mit dem unverzüglich nach Vollendung des bewilligten Vorhabens einzubringenden Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung näher angeführte Bescheinigungen vorzulegen seien.
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen grundsätzlich strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Die Beschwerdeführer sind handelsrechtliche Geschäftsführer der I. GmbH, sie waren dies auch zum Zeitpunkt der Übertretung. Dass die A. GmbH von der Bauwerberin mit der Planung und Ausführung des gegenständlichen Einkaufszentrums beauftragt worden sei, die Anträge um bau-, naturschutz- und gewerberechtliche Genehmigung namens der Bauwerberin eingebracht und diese Vertretung auch die Einbringung der Fertigstellungsanzeige samt der Vorlage der entsprechenden Befunde umfasst habe, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der in § 9 Abs. 2 und 4 VStG geregelten Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten. Es trifft auch nicht zu, dass die A. GmbH Bescheidadressat der baurechtlichen Bewilligung gewesen sei.
Gemäß § 55 Abs. 1 lit. l des Vorarlberger Baugesetzes begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Bauwerke, sonstige Anlagen oder Teile davon entgegen den Vorschriften des § 44 benützt.
Gemäß § 44 Abs. 2 des Vorarlberger Baugesetzes ist eine Benützung bei nach § 18 Abs. 1 Baugesetz bewilligungspflichtigen Vorhaben - ein solches stellt das vorliegende Einkaufszentrum dar -
zulässig, wenn der Behörde die Meldung über die Vollendung des Bauvorhabens sowie die Befunde nach den §§ 29 Abs. 6 erster Satz und 37 Abs. 2 vorliegen.
Gemäß der Übergangsbestimmung des § 56 Abs. 1 des Vorarlberger Baugesetzes bleiben Bewilligungen und sonstige Berechtigungen zur Ausführung von Bauvorhaben auf Grund der bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes geltenden Vorschriften bestehen, (u.a.) die §§ 43 und 44 des Vorarlberger Baugesetzes sind auf derartige Bauvorhaben sinngemäß anzuwenden. Nach diesen Bestimmungen bedarf die Benützung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens (im Unterschied zum Baugesetz 1972) keiner Benützungsbewilligung mehr. Ein Antrag auf Benützungsbewilligung entfällt demnach, die Bauvollendungsmeldung ist jedoch nach wie vor zu erstatten.
Die Beschwerdeführer, die mit den jeweiligen Antragstellungen bei den Behörden die A. GmbH beauftragt haben, trugen dennoch grundsätzlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die Einhaltung der Vorschrift des § 44 leg. cit. Ein dem hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, Zl. 97/06/0206, vergleichbarer Sachverhalt liegt im Beschwerdefall nicht vor.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer war auch die Rechtslage nach den Übergangsbestimmungen des Vorarlberger Baugesetzes eindeutig erkennbar. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden ist zu verweisen. Unzutreffend ist der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe Analogie angewendet, weil entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer eine Gesetzeslücke auf Grund des Zusammenhaltes der Bestimmungen der §§ 56 Abs. 1, 43 und 44 Baugesetz nicht vorliegt. Die belangte Behörde hat auch zutreffend ausgeführt, dass das Ansuchen um Erteilung der Benützungsbewilligung "unverzüglich nach Vollendung des bewilligten Vorhabens" einzubringen ist und mit diesen - also gleichzeitig - die in den einzelnen Auflagen angeführten Unterlagen vorzulegen sind.
Es kann auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde nicht im Sinne des § 21 VStG vorgegangen ist, weil von einem geringfügigen Verschulden der Beschwerdeführer, die eine Kontrolle des fertiggestellten Bauvorhabens nicht durchgeführt haben, nicht gesprochen werden kann.
Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 28. Februar 2006
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003060095.X00Im RIS seit
27.03.2006