TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2004/06/0166

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
L82006 Bauordnung Steiermark;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42;
AVG §52;
AVG §8;
BauG Stmk 1995 §25 Abs2 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §26 Abs1 Z3;
BauG Stmk 1995 §27 Abs1 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §43 Abs2 Z5;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs10 impl;
BauG Vlbg 2001 §8 Abs3 impl;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2 impl;
BauO NÖ 1996 §48 Abs2 idF 8200-3 impl;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3 impl;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §3 Abs1 Z2 idF 2003/020;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des PS in P, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 1. September 2004, GZ. FA13B-12.10 P 171 - 04/3, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister; 2. G-Kommanditgesellschaft in P, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Hartenaugasse 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 4. Februar 2004 (eingelangt bei der mitbeteiligten Gemeinde am selben Tag) beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die Erteilung der baurechtlichen Bewilligung für die Errichtung des Gemeindezentrums auf mehreren Grundstücken der KG O. Das geplante Gemeindezentrum umfasst einen Trainingsplatz, einen Fußballplatz, einen Abenteuerspielplatz, Schotterboxen, eine Veranstaltungshalle/Sportbereich, einen Eislaufplatz bzw. im Sommer Parkplätze und einen Bauhof. Die Grundstücke sind nach dem Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde VF: 3.02 NEU teils als "Sondernutzung im Freiland-Erholungsfläche und Sportplatz" und teils als "Dorfgebiet" gewidmet. Die südlich geplante Veranstaltungshalle liegt im Dorfgebiet.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 513/11 und 513/19 der KG O., für die die Widmung allgemeines Wohngebiet festgelegt ist. Die beiden Grundstücke liegen südöstlich des geplanten Gemeindezentrums, ohne jedoch direkt an eines der Baugrundstücke anzugrenzen. Zwischen dem am südlichsten gelegenen Baugrundstück und den beiden Grundstücken des Beschwerdeführers liegt das Grundstück Nr. 807/2. Die kürzeste Entfernung von der nördlichen Grenze der Grundstücke des Beschwerdeführers zu der südlichsten Grenze der Baugrundstücke beträgt ca. 75 m. Der geplante Fußballplatz liegt - wie dies der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst ausführt - in einer Luftlinie von ca. 200 m von den Grundstücken des Beschwerdeführers entfernt.

In der am 23. Februar 2004 im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführten Bauverhandlung erhob der Vertreter des Beschwerdeführers Einwendungen gegen das Bauvorhaben insbesondere wegen der zu erwartenden übergroßen Lärmbelästigung durch die in das Gemeindezentrum integrierte Sportanlage. Die Kundmachung zur Bauverhandlung am 4. Februar 2004 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Postamt am 6. Februar 2004 zugestellt und enthielt den Hinweis, dass gemäß § 42 AVG Einwendungen, die nicht spätestens am Tage vor Beginn der Verhandlung bei der Behörde oder während der Verhandlung vorgebracht würden, keine Berücksichtigung fänden und die Beteiligten den Parteiantrag, dem Vorhaben oder der Maßnahme, die den Gegenstand der Verhandlung bildete, als zustimmend angesehen würden.

Mit Bescheid vom 17. März 2004 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der zweitmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung eines Gemeindezentrums auf mehreren Grundstücken der KG O. unter Auflagen und mit der Maßgabe, dass die mit dem Genehmigungsvermerk versehenen und angeschlossenen Pläne und Unterlagen einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildeten.

Nach der Begründung dieses Bescheides wurden die Einwendungen des Beschwerdeführers "zurückgewiesen". Im Hinblick auf die Lärmsituation sei das von der medizinischen Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft H erstattete Gutachten vom 22. Februar 2004, das im veranstaltungsrechtlichen Verfahren für die Bewilligung des Gemeindezentrums erforderlich gewesen sei, als Beweis verwendet worden. In diesem Gutachten sei nachgewiesen, dass die zu erwartenden Lärmeinwirkungen des Gemeindezentrums (Veranstaltungshalle) im Hinblick auf das Grundstück Nr. 513/11, KG O. (es wurde an vier Messpunkten an der nördlichen Grenze der beiden Grundstücke des Beschwerdeführers Nr. 513/11 und 513/19, KG.O., und einem Messpunkt bei dem auf dem Grundstück Nr. 513/11, KG.O., befindlichen Wohnhaus gemessen) weder bei Tag noch bei Nacht zu einer Verschlechterung der Ist-Situation führten. Das mit den Projektunterlagen vorgelegte Lärmgutachten der Z. GmbH D. sei vom Amtssachverständigen der "BBL. H, Referat Hochbau" überprüft und der medizinischen Sachverständigen für ihre Beurteilung vom 30. Jänner 2004 übermittelt worden. Das Gutachten der Z. GmbH. D. werde als schlüssig beurteilt. Es werde eine Erhöhung des Ist-Zustandes mit maximal 0,9 dB erwartet, die noch unter der Grenze der zumutbaren Störung liege. Das Lärmgutachten der Z. GmbH D. sei nach Auftrag der Baubehörde betreffend die Emissionen, die sich vom Fußballplatz und dem Bauhof ergeben, ergänzt worden. Die diesbezüglichen Unterlagen seien dem Vertreter des Beschwerdeführers mit einer zweiwöchigen Frist zur Stellungnahme übermittelt worden. Innerhalb dieser Frist sei keine Stellungnahme abgegeben worden. Gemäß dem ergänzten Lärmgutachten und dem ergänzten medizinischen Gutachten werde festgestellt, dass demnach keine Gefahr für die Gesundheit und das Leben sowie keine unzumutbare Belästigung für den Beschwerdeführer im Bereich seiner Liegenschaften vorliege.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. In dieser Berufung wurden umfangreiche Bedenken gegen das herangezogene lärmtechnische Gutachten und seine Ergänzung und gegen das medizinische Gutachten erhoben. Der Beschwerdeführer legte dazu auch eine gutachterliche Stellungnahme eines Sachverständigen zum lärmtechnische Gutachten vor.

Mit Bescheid vom 8. Juli 2004 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde dieser Berufung teilweise Folge und änderte den erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid dahingehend ab, dass die Bewilligung bei Einhaltung und Erfüllung auch der weiteren Auflage Nr. 11 erteilt werde. Diese Auflage 11. sieht vor, dass bei Musikdarbietungen mit Blasmusik oder solchen mit vergleichbarer Schallleistung (z.B. Lautsprecherverstärkung) die Türen und Fenster geschlossen zu halten seien. Der Gemeinderat begründete seine Entscheidung damit, dass der Bauplatz im Dorfgebiet gemäß § 23 Abs. 5 lit. f Stmk. ROG bzw. im Freiland mit entsprechender Sondernutzung nach § 25 Abs. 2 Z. 1 Stmk. ROG liege. In Bezug auf beide Widmungsarten gebe es kein gesetzlich vorgegebenes Widmungsmaß. Solcherart sei der Nachbar dann, wenn er aus dem Verwendungszweck von baulichen Anlagen eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder Gesundheitsgefährdung geltend mache, auf das "Begehren" auf Vorschreibung größerer Abstände nach § 13 Abs. 12 Stmk. BauG zu verweisen. Eine solche Einwendung sei nicht erhoben worden, weshalb Präklusion anzunehmen sei. Die Berufungsbehörde habe dennoch das Ermittlungsverfahren ergänzt.

Grundsätzlich sei auf das für den Bauplatz zulässige Widmungsmaß abzustellen. Sehe eine Flächenwidmung ein solches Widmungsmaß nicht vor, dann sei auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen. Der Bauplatz liege nach dem gültigen Flächenwidmungsplan im Dorfgebiet bzw. im Freiland mit Sondernutzung "E" bzw. "Spo". Solcherart wäre bei Beurteilung der Bewilligungsfähigkeit von Immissionseinwirkungen auf die örtlichen Verhältnisse des Bauplatzes abzustellen. Dennoch habe die Berufungsbehörde im Interesse eines umfassenden Nachbarschutzes die vom lärmtechnischen Sachverständigen geforderte Auflage Nr. 11 in den Spruch aufgenommen. Nach dem ergänzenden medizinischen Gutachten vom 17. Juni 2004 komme es durch den Betrieb des Gemeindezentrums bei geschlossenen Fenstern und Türen der Veranstaltungshalle (gemeint: bei entsprechenden Musikveranstaltungen) im Vergleich zur Ist-Situation zu einer maximalen Erhöhung des energieäquivalenten Dauerschallpegels um 0,7 dB (an den angenommenen fünf Messpunkten entlang des Grundstückes des Beschwerdeführers Nr. 513/11, KG.O., wobei zwei Messpunkte auch an der Grenze des Grundstückes des Beschwerdeführers Nr. 513/19, KG.O., gelegen sind). Ein solcher Unterschied zum bestehenden Ist-Zustand sei vom menschlichen Ohr nicht wahrnehmbar. Es sei daher von medizinischer Seite eine gesundheitliche Beeinträchtigung nicht zu erwarten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.

Die belangte Behörde begründete dies im Wesentlichen damit, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Ausdruck der "zufriedenstellenden Wohn- und Arbeitsbedingungen" in § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG als Maßstab zulässiger Immissionen auf das jeweils in einer Widmungskategorie zulässige Widmungsmaß hinweise. Diese Regelung lasse keine Deutung dahingehend zu, dass danach auf die Ortsüblichkeit der Immissionen abzustellen sei. Solange sich eine Schallimmission im Rahmen des in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halte bzw. das für die Widmungskategorie geltende Widmungsmaß einhalte, sei davon auszugehen, dass zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt seien. Die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG gewährte in dieser Beziehung dem Beschwerdeführer sohin nur insofern ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht, als sich eine Schallimmission im Rahmen des in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halte bzw. das für die Widmungskategorie geltende Widmungsmaß einhalte. Da aber im Freiland und im Dorfgebiet kein derartiges Widmungsmaß festgesetzt sei, könne auch in diesem Zusammenhang nur § 13 Abs. 12 Stmk. BauG, der unabhängig von der Flächenwidmung dem Nachbarn Immissionsschutz einräume, angewendet werden. § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG sei nach Ansicht der Behörde daher nicht anwendbar.

Im Hinblick auf § 13 Abs. 12 Stmk. BauG sei der Beschwerdeführer jedoch bereits präkludiert. Den Einwendungen des Beschwerdeführers sei nichts zu entnehmen, was eine Deutung dahingehend zuließe, dass er die Einhaltung größerer Abstände gefordert hätte. Daher könne im Vorstellungsverfahren die Frage nicht geprüft werden, ob durch die Schallimmissionen etwaige größere Abstände vorgeschrieben hätten werden müssen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wahrung des Schallschutzes gemäß § 26 Abs. 1 Z. 3 Stmk. BauG und in seinem Recht auf ein gesetzmäßiges Verfahren verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die zweitmitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 1 Steiermärkisches Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Das sind u.a. Bestimmungen über

"1. die Übereinstimmung des Vorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan und mit Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

2.

die Abstände (§ 13);

3.

den Schallschutz (§ 43 Abs. 2 Z. 5);

4.

... ."

Gemäß § 4 Z. 41 Stmk. BauG i.d.F. LGBl. Nr. 78/2003 ist Nachbar u.a. der Eigentümer oder Inhaber eines Baurechtes (Bauberechtigter), der an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen sowie jener Grundflächen, die zum vorgesehenen Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis stehen, dass vom geplanten Bau oder dessen konsensgemäßer Benützung Einwirkungen auf diese Grundflächen ausgehen können, gegen welche die Bestimmungen dieses Gesetzes Schutz gewähren.

Gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG sind allgemeine Anforderungen an Bauwerke u.a.:

              "5.              Schallschutz

Das Bauwerk muss derart geplant und ausgeführt sein, dass der von den Benützern oder von Nachbarn wahrgenommene Schall auf einem Pegel gehalten wird, der nicht gesundheitsgefährdend ist und bei dem zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sichergestellt sind."

Die belangte Behörde ist zutreffend von der Nachbarstellung des Beschwerdeführers ausgegangen, da vom vorliegenden Bauvorhaben Einwirkungen auf seine Grundstücke im Sinne des § 4 Z. 41 Stmk. BauG ausgehen könnten.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Interpretation der belangten Behörde, dass die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Z. 3 (i.V.m. § 43 Abs. 2 Z. 5) Stmk. BauG im vorliegenden Fall unanwendbar sei, da nach der Widmung der Baugrundstücke kein Widmungsmaß für Lärmimmissionen bestünde. Aus dem hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 97/06/0219, könne dies nicht abgeleitet werden. Das Abstellen auf das Widmungsmaß bei der Beurteilung des Schallschutzes gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG könne nur für Fälle gelten, in denen auf dem Baugrundstück und auf dem Nachbargrundstück die selbe Widmung bestehe. Im vorliegenden Fall unterschiedlicher Widmung müsse es auf die Widmung des Nachbargrundstückes (hier also die Widmung allgemeines Wohngebiet) ankommen. Darüber hinaus sei dem Gesetz nicht der Inhalt zu unterstellen, dass jeglicher Schallschutz entfalle, wenn ein Widmungsmaß für die entsprechende Widmungskategorie nicht existiere. Eine derartige Rechtsansicht bedeutete, dass letztlich in einem Dorfgebiet gesundheitsgefährdende Lärmemissionen zulässig wären. Die Ansicht der belangten Behörde sei unzutreffend, dass in solchen Fällen wie dem vorliegenden nur § 13 Abs. 12 Stmk. BauG eine Rolle spielen könnte. Aus § 26 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG ergebe sich ein durchsetzbarer Schutz vor Schallimmissionen, wobei Maßstab der von Nachbarn wahrgenommene Schall sei und es geboten sei, dass dieser Schall nicht gesundheitsgefährdend sei und zudem zufriedenstellende Arbeits- und Wohnbedingungen sichergestellt seien.

Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers kommt insofern keine Berechtigung zu, als der Beschwerdeführer meint, es käme bei der Auslegung des § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG im Falle des Nachbarschutzes auf das Widmungsmaß der für das Nachbargrundstück geltenden Widmung an. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG ausgesprochen, dass der Ausdruck der zufriedenstellenden Wohn- und Arbeitsbedingungen als Maßstab zulässiger Immissionen auf das zulässige Widmungsmaß der jeweiligen Widmungskategorie hinweist. Solange sich eine Schallemission im Rahmen des in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaßes hält. bzw. das für die Widmungskategorie geltende Widmungsmaß einhält, ist nach dieser Judikatur davon auszugehen, dass zufriedenstellende Wohn- und Arbeitsbedingungen sicher gestellt sind (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. März 1999, Zl. 97/06/0219, vom 4. April 2002, Zl. 2001/06/0093, vom 20. März 2003, Zl. 99/06/0010, und vom 4. April 2003, Zl. 2001/06/0112). Auch wenn dies in diesen Erkenntnissen nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde, kommt es dabei, da die widmungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben im baurechtlichen Verfahren von zentraler Bedeutung und als baurechtlicher Grundsatz zu beachten ist, auf die Widmung des Baugrundstückes an (vgl. dazu die ausdrückliche Statuierung in § 48 Abs. 2 Nö BauO 1996 in der Fassung LGBl. 8200-3, und § 8 Abs. 3 Vlbg. BauG, LGBl. Nr. 52/2001; weiters dazu auch das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2002, Zl. 2000/06/0081, zu § 4 Abs. 3 Stmk. BauO1968 zum Kriterium des ortsüblichen Ausmaßes von durch ein Bauvorhaben verursachten Immissionen, und zu vergleichbaren Immissionsschutzbestimmungen anderer Bauordnungen die hg. Erkenntnisse vom 27. April 1999, Zl. 98/05/0032, und vom 25. April 2002, Zl. 2001/05/0267, zum ortsüblichen Ausmaß von Immissionen gemäß § 62 Abs. 2 Nö BauO 1976, und das hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2002/06/0088, zu § 6 Abs. 10 Vbg. BauG gleichfalls zu dem Kriterium des ortsüblichen Ausmaßes von Belästigungen, und grundsätzlich dazu auch Hauer, Der Nachbar im Baurecht5, S. 263). Maßstab der zufriedenstellenden Wohn- und Arbeitsbedingungen im Sinne des § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG ist grundsätzlich das sich für ein Bauvorhaben auf Grund der widmungsrechtlichen Regelungen ergebende, zulässige Ausmaß an Immissionen (vgl. in diesem Sinne auch das angeführte hg. Erkenntnis vom 25. April 2002, Zl. 2001/05/0267, zur Nö BauO 1976), also die Widmung des Baugrundstückes (wobei darauf hinzuweisen ist, dass schon bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes die unterschiedlichen Widmungskategorien aufeinander abzustimmen sind - vgl. § 3 Abs. 1 Z. 2 Stmk ROG 1974 i. d.F. LGBl. Nr. 20/2003). Dies ist in der wiedergegebenen hg. Judikatur zu § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG auch entsprechend zum Ausdruck gekommen, wenn ausgesprochen wurde (vgl. u.a. das angeführte hg. Erkenntnis vom 25. März 1999), dass zufriedenstellende Arbeits- und Wohnbedingungen im Sinne dieser Bestimmung zu bejahen sind, wenn sich die Schallimmissionen (eines Bauvorhabens) im Rahmen des in einer bestimmten Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten bzw. das für die Widmungskategorie geltende Widmungsmaß einhalten.

Der Beschwerdeführer ist aber im Recht, wenn er meint, dass § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG auch dann anzuwenden ist, wenn es für die dabei heranzuziehende Widmung (wie dargelegt des Baugrundstückes) kein Widmungsmaß gibt. Aus dem Wortlaut des Kriteriums zufriedenstellender Wohn- und Arbeitsbedingungen in § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG kann nämlich keine Beschränkung des diesbezüglich verankerten Schallschutzes auf in bestimmter Weise gewidmete Grundstücke herausgelesen werden. In Fällen, in denen sich aus der heranzuziehenden Widmung kein Widmungsmaß ableiten lässt, ist über das Kriterium zufriedenstellender Arbeits- und Wohnbedingungen für die Benützer und die Nachbarn gemäß § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG - wie auch über die weitere Voraussetzung der nicht gesundheitsgefährdenden Schallimmissionen - auf der Grundlage eines entsprechenden medizinischen Gutachtens, dem ein lärmtechnisches Gutachten zu Grunde liegt, zu entscheiden. Hinzu kommt, dass die Baubehörden und die belangte Behörde verkannt haben, dass, insoweit das Baugrundstück die Widmung "Dorfgebiet" aufweist, aus der Ö-Norm S 5021-1 (vom 1. März 1998) betreffend Schalltechnische Grundlagen für die örtliche und überörtliche Raumplanung und Raumordnung, S. 4, als Widmungsmaß ein energieäquivalenter Dauerschallpegel von 55 dB (bei Tag) und von 45 dB (bei Nacht) abgeleitet werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 18. Mai 2004, Zl. 2003/06/0159). Diese unzutreffende Rechtsansicht der Behörden führte dazu, dass sich weder die Berufungsbehörde noch die belangte Behörde mit den umfangreichen Einwänden des Beschwerdeführers (unter Vorlage auch eines Privatgutachtens) gegen das von der Behörde herangezogene Lärmgutachten auseinander gesetzt haben.

Indem die belangte Behörde im vorliegenden Bauverfahren zu Unrecht § 43 Abs. 2 Z. 5 Stmk. BauG für nicht anwendbar hielt, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Abschließend ist anzumerken, dass Präklusion betreffend allfällige Einwendungen gemäß § 13 Abs. 12 Stmk. BauG schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil in der persönlichen Ladung des Beschwerdeführers zur Verhandlung nicht auf die Rechtsfolge des Verlustes der Parteistellung im Falle der nicht rechtzeitigen Erhebung von Einwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 i. V.m. § 25 Abs. 2 Stmk. BauG i.d.F. der Novelle LGBl. Nr. 78/2003) hingewiesen wurde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 27. April 2004, Zl. 2003/05/0026).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des konkreten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Besondere RechtsgebieteSachverständiger Erfordernis der Beiziehung ArztSachverständiger Erfordernis der Beiziehung TechnikerBaurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004060166.X00

Im RIS seit

04.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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