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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des G S in S, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Koloman-Wallisch-Platz 22, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. April 2005, Zl. FA13B12.10 M 229-05/1, betreffend Beseitigungsauftrag nach dem Stmk. Baugesetz (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines im Gebiet der mitbeteiligten Gemeinde im Freiland gelegenen Grundstückes, auf dem sich eine bauliche Anlage im Ausmaß von 75,70 m2 (bestehend aus einer Konstruktion aus Holzstehern und Pressspanplatten mit einer Wellblechdacheindeckung) befindet.
Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde erteilte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG den Auftrag, das vorgenannte Bauwerk zu beseitigen.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 5. Oktober 2004 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. In der Begründung führte der Gemeinderat aus, das verfahrensgegenständliche Bauwerk befinde sich auf einem im gültigen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesenen Grundstück, und es liege hiefür keine Baubewilligung vor. Zum Berufungsvorbringen, es seien keine Feststellungen hinsichtlich des Errichtungszeitraums getroffen worden, was im Hinblick auf die Stichtagsregelungen des § 40 Abs. 1 und 2 Stmk BauG erforderlich sei, werde auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen, wonach im April 1998 festgestellt worden sei, dass sich auf dem in Rede stehenden Grundstück das gegenständliche Bauwerk befinde. Diese Feststellung sei auf Grund eines Augenscheines getroffen worden, der auf Grund von Anzeigen bei der Behörde durchgeführt worden sei. Dass das Gebäude vor 1984 errichtet worden sei, könne jedenfalls ausgeschlossen werden, weil auf dem vom Land Steiermark übermittelten Luftbild des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 1. Juni 1996 klar erkennbar sei, dass das Gebäude zu diesem Zeitpunkt noch nicht existent gewesen sei. Es sei daher gemäß § 41 Abs. 3 Stmk. BauG ein Beseitigungsauftrag zu erlassen.
In seiner Vorstellung machte der Beschwerdeführer geltend, dass - sollte ein derartiges Luftbild tatsächlich existieren - der Gemeinderat verpflichtet gewesen wäre, ihn damit zu konfrontieren und ihm die Möglichkeit zu einer Stellungnahme einzuräumen. Er sei nicht einmal von der Existenz eines derartiges Luftbildes unterrichtet worden und es sei ihm auch keine Kopie zur Verfügung gestellt worden, sodass ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme entzogen worden sei. Auch dem Berufungsbescheid sei eine Kopie dieses Lichtbildes nicht beigeschlossen gewesen, sodass er nach wie vor keine Stellungnahme zu diesem angeblichen Luftbild abgeben könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. April 2005 wies die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers ab. Zum Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei über das Vorliegen eines Luftbildes nicht in Kenntnis gesetzt worden, führte sie aus, das Parteiengehör müsse von der Behörde zwar in förmlicher Weise gewährt werden, die Verletzung des Parteiengehörs begründe nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nur dann eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wenn die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Um dies beurteilen zu können, müsse der Rechtsmittelwerber im Rechtsmittel jene entscheidenden Tatsachen bekannt geben, die der Behörde wegen dieser Unterlassung unbekannt geblieben seien. Dem Beschwerdeführer sei im Berufungsbescheid zur Kenntnis gebracht worden, einem Luftbild des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen sei zu entnehmen, dass zumindest am 1. Juni 1996 auf dem Grundstück noch kein Gebäude existent gewesen sei; der Beschwerdeführer habe jedoch in keiner Weise Tatsachen oder Beweise bekannt gegeben, die belegen könnten, dass das bestehende Gebäude bereits vor dem 31. Dezember 1984 errichtet worden sei. Er habe sich somit lediglich darauf beschränkt, die Verletzung des Parteiengehörs aufzuzeigen, jedoch nicht vorgebracht, was auf einen Errichtungszeitpunkt vor dem 31. Dezember 1984 hindeuten könnte. Er habe somit zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes nichts beigetragen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer wiederholt sein bereits im Vorstellungsverfahren erstattetes Vorbringen, ihm sei die angebliche Luftbildaufnahme nie übermittelt worden, sodass er dazu nicht habe Stellung nehmen können. Es sei unzumutbar, auf bloßen Verdacht hin umfangreiche Beweisanträge zu stellen und ein kostenaufwändiges Verwaltungsverfahren abzuführen, wenn sich schon durch die bloße Erörterung des Inhaltes der Luftbildaufnahme herausstellen würde, dass die Interpretation der Verwaltungsbehörden unrichtig sei. Dies habe sich zwischenzeitig herausgestellt; der Beschwerdeführer habe seinerseits eine Luftbildaufnahme beigebracht, aus der eindeutig hervorgehe, dass dieser Zubau bereits vor 1984 errichtet worden sei. Durch diesen Sachverhalt sei die vorgreifende und unbegründete Beweiswürdigung der belangten Behörde bzw. der mitbeteiligten Marktgemeinde widerlegt.
Dazu ist zunächst aus den vorgelegten Verwaltungsakten festzuhalten, dass tatsächlich eine Luftbildaufnahme in Fotokopie im Vorstellungsakt erliegt. Diese trägt den handschriftlichen Vermerk "Luftbildaufnahme, die von Herrn S vorgelegt wurde" und ist im Aktenverzeichnis ohne Datumsangabe, aber chronologisch nach dem Entwurf bzw. der Ausfertigung des angefochtenen Bescheides angeführt. Wann sie vom Beschwerdeführer vorgelegt wurde, ist nicht ersichtlich (in der Gegenschrift nimmt die belangte Behörde insofern dazu Stellung, als sie vorbringt, aus dieser Aufnahme ergebe sich keineswegs ein Errichtungszeitpunkt vor dem 31. Dezember 1984. Das auf dieser Aufnahme ersichtliche Objekt sei auch wesentlich kleiner als das verfahrensgegenständliche Gebäude).
Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG hat die Behörde hinsichtlich vorschriftwidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Bewilligung oder Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.
Gemäß § 40 Abs. 1 Stmk BauG gelten bauliche Anlagen, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden; nach Abs. 2 dieser Bestimmung gelten bauliche Anlagen als rechtmäßig, die zwischen dem 1. Jänner 1969 und 31. Dezember 1984 errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.
Unstrittig ist, dass dem Beschwerdeführer das in Rede stehende Luftbild des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen vom 1. Juni 1996 nicht mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt wurde. Er wurde auch nicht aufgefordert, in den Akt Einsicht zu nehmen. Er wurde dadurch an der Möglichkeit der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gehindert (vgl. etwa zu einem ähnlichen Fall das hg. Erkenntnis vom 23. Dezember 1999, Zl. 99/06/0066, mwN). Da nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Behörde bei Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Verbindung mit dem von ihm vorgelegten Beweismittel zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte, hat er die Relevanz dieses Verfahrensmangels dargetan.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Februar 2006
Schlagworte
AkteneinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005060300.X00Im RIS seit
23.03.2006