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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der GW in W, vertreten durch Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. August 2005, Zl SD 898/05, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 Z 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) die ihr am 5. September 1986 ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass am 25. März 2004 mehrere anonyme Zeugen vor der Erstbehörde behauptet hätten, in der Wohnung der Beschwerdeführerin befänden sich frei zugänglich mehrere Waffen und der Ehemann der Beschwerdeführerin, welcher arbeitslos sei, neige in Verbindung mit einem labilen psychischen Allgemeinzustand zu starkem Alkoholgenuss. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei bereits mehrmals aggressiv gegenüber Personen aus seinem Umkreis aufgetreten. Es bestünde zudem die Gefahr, dass der 15-jährige Sohn der Beschwerdeführerin Zugriff auf geladene Schusswaffen erhalten könnte.
Anlässlich des daraufhin angeordneten Polizeieinsatzes sei der Ehemann der Beschwerdeführerin in seiner Wohnung in alkoholisiertem Zustand angetroffen worden. Nach den übereinstimmenden Angaben der einschreitenden Beamten habe er lallend gesprochen und die Bindehäute seiner Augen hätten Rötungen aufgewiesen. In der Wohnung seien mehrere Schusswaffen, teilweise mit angestecktem Magazin und durchgeladen, sichergestellt worden. Weiters hätten sich auf einem runden Tisch im Wohnzimmer mehrere geöffnete Flaschen mit alkoholischem Inhalt befunden. Angesichts dieses Sachverhaltes sei gegenüber dem Ehemann der Beschwerdeführerin ein Waffenverbot verhängt worden.
Die belangte Behörde hat folgenden für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt festgestellt:
"Ein mit fünf Patronen geladener Revolver Smith & Wesson befand sich im Wohnzimmer hinter einem auf einem Regal befindlichen Standbild, eine Pistole CZ 75, ebenfalls mit fünf Patronen geladen, lag in einem offenen Aktenschrank im Schlafzimmer. Neben mehreren, dem Ehegatten der Berufungswerberin gehörenden Schusswaffen wurden auch zwei auf die Berufungswerberin registrierte Faustfeuerwaffen mangelhaft verwahrt vorgefunden."
...
"Wie bereits dargestellt waren die auf die Berufungswerberin registrierten Waffen in geladenem Zustand frei zugänglich auf einem Wohnzimmerregal bzw. in einem offenen Aktenschrank im Schlafzimmer der ehelichen Wohnung deponiert. Diese Verwahrungsart ist keinesfalls geeignet, die Waffen vor dem Zugriff einer dritten, zum Besitz der Waffen nicht befugten Person - nämlich dem Sohn der Berufungswerberin - zu sichern, wenn diese Person - vor allem auch während der Abwesenheit der Berufungswerberin - ungehindert Zutritt zu den betreffenden Räumen hat. Es widerspricht auch jeglicher Lebenserfahrung, ständig Kontrolle darüber zu haben, wo sich eine - wenn auch im gemeinsamen Haushalt lebende - 'Person' gerade aufhält."
Basierend auf diesen Feststellungen kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die von der Beschwerdeführerin gewählte Verwahrungsart keinesfalls dem gemäß § 8 WaffG erforderlichen Sorgfaltsgrad entspräche, da die Waffe vor einem möglichen Zugriff einer dazu nicht berechtigten Person in keiner Weise gesichert gewesen sei. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihr Gatte habe die Faustfeuerwaffen lediglich für einen Besuch des Schießstandes am nächsten Tag vorbereitet, sei keine Glaubwürdigkeit beizumessen gewesen, da sich die Waffen diesfalls nicht hinter einem Standbild bzw in einem Aktenschrank befunden hätten. Nach Darlegung des § 8 Abs 1 Z 2 zweiter Fall WaffG, des § 3 Abs 1 und Abs 2 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV) sowie unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelangte die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass die waffenrechtliche Verlässlichkeit der Beschwerdeführerin nicht mehr gegeben sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erklärte von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand zu nehmen und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 25 Abs 3 WaffG hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen, wenn sich ergibt, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist.
§ 8 Abs 1 WaffG, welcher die Verlässlichkeit näher bestimmt, lautet wie folgt:
"§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er
1.
Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
2.
mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;
3. Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind."
§ 3 der 2. Waffengesetz-Durchführungsverordnung (2. WaffV), BGBl. II Nr. 313/1998, regelt die sichere Verwahrung einer Waffe; Abs 1 und 2 dieser Bestimmung lauten wie folgt:
"§ 3. (1) Eine Schußwaffe ist sicher verwahrt, wenn ihr Besitzer sie in zumutbarer Weise vor unberechtigtem - auf Aneignung oder unbefugte Verwendung gerichteten - Zugriff schützt.
(2) Für die Beurteilung der Sicherheit der Verwahrung von Waffen und Munition sind insbesondere folgende Umstände maßgeblich:
1. Verwahrung der Waffe an einem mit der Rechtfertigung oder dem Bedarf in Zusammenhang stehenden Ort, in davon nicht betroffenen Wohnräumen oder in Dritträumen (z.B. Banksafe);
2. Schutz vor fremdem Zugriff durch Gewalt gegen Sachen, insbesondere eine der Anzahl und der Gefährlichkeit von Waffen und Munition entsprechende Ein- oder Aufbruchsicherheit des Behältnisses oder der Räumlichkeit;
3. Schutz von Waffen und Munition vor dem Zugriff von Mitbewohnern, die zu deren Verwendung nicht befugt sind;
4. Schutz von Waffen und Munition vor Zufallszugriffen rechtmäßig Anwesender."
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung des Kriteriums der waffenrechtlichen Verlässlichkeit angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen. Ob die im Einzelfall gewählte Verwahrungsart als sorgfältig bezeichnet werden kann, hängt von objektiven Momenten ab (vgl dazu etwa das hg Erkenntnis vom 17. September 2003, Zl 2000/20/0372).
2. Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, dass eine mangelhafte Verwahrung nur dann vorliege, wenn festgestellt werde, dass tatsächlich eine konkrete Person ungehinderten Zutritt zu Waffen habe, so ist sie auf die hg Rechtsprechung zu verweisen, wonach darauf abzustellen ist, ob die gewählte Verwahrung abstrakt betrachtet Vorkehrung dagegen bietet, dass jeder Dritte in der Wohnung Weilende ungehinderten Zugang zu den Waffen habe (vgl etwa das hg Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl 93/01/0327). Eine Aufbewahrung von geladenen Faustfeuerwaffen "frei zugänglich auf einem Wohnzimmerregal bzw. in einem offenen Aktenschrank im Schlafzimmer" in einer Wohnung, zu der auch der minderjährige Sohn der Beschwerdeführerin Zutritt hat, kann den Anforderungen an eine sichere Verwahrung gemäß § 8 Abs 1 Z 2 WaffG iVm § 3 2. WaffV keinesfalls genügen.
3. Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe ihre Waffen ihrem Ehemann kurzfristig zur Vorbereitung auf einen Schießstandbesuch überlassen, wofür sie auch die Parteieneinvernahme sowie die Einvernahme ihres Ehemannes beantragt habe. Die belangte Behörde - wie auch die Erstbehörde - sei diesen Beweisanträgen jedoch nicht nachgekommen und hätte dem Vorbringen widersprechende Feststellungen getroffen.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin einen relevanten Verfahrensmangel auf, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Falle einer Durchführung der beantragten Einvernahme jedenfalls des Ehemannes die belangte Behörde zu dem Ergebnis hätte kommen können, dass die Beschwerdeführerin, wie sie in ihrer Beschwerde vorbringt, ihre Waffen ihrem Ehemann - der über die erforderliche waffenrechtliche Berechtigung verfügt habe - kurzfristig überlassen habe und ihr in diesem Fall die von der belangte Behörde festgestellte nicht sorgfältige Verwahrung nicht zur Last fallen würde.
Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, "dass die von der Berufungswerberin (der nunmehrigen Beschwerdeführerin) gewählte Verwahrungsart" keinesfalls dem von einer zum Besitz einer Waffe berechtigten Person anzuwendenden Sorgfaltsgrad entspricht. Sie hat dabei dem Einwand der Beschwerdeführerin, wonach ihre Waffen von ihrem Ehegatten - welcher Zugriff zu den Waffen gehabt habe - lediglich auf einen Schießstandbesuch vorbereitet worden seien, keinen Glauben geschenkt, da sich die Waffen in einem solchen Fall nicht hinter einem Standbild bzw in einem Aktenschrank befunden hätten.
Zwar ist der belangten Behörde darin zu folgen, dass bei einer Aufbewahrung in der dargestellten Art nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese Waffen unmittelbar auf einen Schießstandbesuch vorbereitet würden, jedoch fehlt im angefochtenen Bescheid jede Auseinandersetzung mit der Frage, wem diese Aufbewahrungsart der auf die Beschwerdeführerin registrierten Waffen zuzurechnen ist.
4. Da sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bei der Beurteilung der mangelnden waffenrechtlichen Verlässlichkeit der Beschwerdeführerin ausschließlich darauf stützt, dass diese (selbst) die Waffen nicht sorgfältig verwahrt hat, kann zum gegenwärtigen Verfahrensstand dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführerin nicht schon deshalb mangelnde Verlässlichkeit zu attestieren wäre, wenn sie in Kenntnis der mangelhaften Aufbewahrung von Waffen durch ihren Ehemann (vgl dazu auch das diesen betreffende hg Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl 2005/03/0206) diesem dennoch die Waffen überlassen hätte.
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 28. Februar 2006
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005030207.X00Im RIS seit
23.03.2006