TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2002/03/0314

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
49/08 Amtshilfe Zustellung von Schriftstücken;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1;
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §11 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des EK in S, Deutschland, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Oktober 2002, Zl. Senat-WU-01-0218, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung vom 4. September 2001 wurde dem Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 zur Last gelegt und es wurde über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG aus dem Grunde des § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Dazu führte die belangte Behörde begründend aus, dass das Straferkenntnis - wie sich aus dem im Akt befindlichen Rückschein entnehmen lasse - am 10. September 2001 (unter der Anschrift des Dienstgebers des Beschwerdeführers) zugestellt und die Übernahme mit der Beistellung "Postbev." durch den Namenzug "Gebhard" bestätigt worden sei. Mit Schreiben vom 28. September 2001, der Post auch an diesem Tag zur Beförderung übergeben, sei die Berufungserhebung erfolgt. Im Rechtsmittel sei u.a. behauptet worden, dass es zum Erhalt des angefochtenen Bescheides erst per 28. September 2001 gekommen sei. Im Hinblick auf die rechtrichtige Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid, dessen Zustellung mit 10. September 2001 und den Umstand, dass der Beschwerdeführer trotz Aufforderung kein nachprüfbares Vorbringen, das für eine rechtzeitige Berufungserhebung sprechen könne, erstattet habe, erweise sich nach der Aktenlage die vorliegende Berufung als verspätet.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstige Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

Gemäß Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl. Nr. 526/1990, wird Amts- und Rechtshilfe nach dem Recht des ersuchten Staates geleistet. Die Vornahme von Zustellungen ist in Art. 10 des genannten Vertrages geregelt.

Gemäß dessen Art. 10 Abs. 1 werden Schriftstücke im Verfahren nach Art. 1 Abs. 1 (somit auch im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstückes nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

Im vorliegenden Fall war - unbestritten - die Zustellung durch die Post möglich, die zentrale Anlaufstelle für die Vornahme von Zustellungen in Deutschland musste daher nicht befasst werden.

Im Beschwerdefall wurde ein Zustellnachweis über die erfolgte Zustellung des Straferkenntnisses benötigt - Gegenteiliges wird von der belangten Behörde auch gar nicht behauptet -, es hätte daher nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen "Eigenhändig" und "Rückschein" versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerkes "Eigenhändig" unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung an einen Beschäftigten im Unternehmen des Arbeitgebers des Beschwerdeführers war in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. November 2005, Zl. 2001/03/0108, sowie vom 8. September 2004, Zl. 2002/03/0152). In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde jedoch eine Auseinandersetzung damit unterlassen, ob dieser Dienstnehmer zur Übernahme einer an den Beschwerdeführer gerichteten "eigenhändigen" Postsendung etwa auf Grund einer (Post)vollmacht (arg. "Postbev.") berechtigt war und auch keine Feststellungen zu Inhalt und Umfang dieser allenfalls bestehenden Vollmacht getroffen. Dies wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren nachzutragen haben.

Da somit im Hinblick auf die unrichtige Rechtsansicht der belangten Behörde der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ungeklärt blieb, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2002030314.X00

Im RIS seit

22.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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