Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/03/0036Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Beschwerdesache des W B in W, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bartensteingasse 16, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 16. November 2005, Zl Senat-WU-04-0245, betreffend Übertretung des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, und über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung dieser Beschwerde, den Beschluss gefasst:
Spruch
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs 1 iVm § 27 Abs 2 Z 15 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes, BGBl I Nr 145/1998 idF BGBl I Nr 118/2005 (GGBG), bestraft.
Dieser Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers nach dem Vorbringen in der Beschwerde am 24. November 2005 zugestellt. Da davon ausgehend die am 18. Jänner 2006 eingelangte (persönlich überbrachte) Beschwerde verspätet erschien, erhielt der Beschwerdeführer mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Februar 2006 Gelegenheit, zur Frage der Verspätung Stellung zu nehmen.
Mit dem am 14. Februar 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz bestätigte der Beschwerdeführer, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides an ihn am 24. November 2005 erfolgte, und brachte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist ein. Darin bringt er im Wesentlichen vor, der Kanzleileiterin seines Rechtsvertreters sei bei der Fristenberechnung und -eintragung insoweit ein Fehler unterlaufen, als sie irrtümlich die nach § 222 ZPO normierte verhandlungsfreie Zeit vom 24. Dezember 2005 bis 6. Jänner 2006 zur sechswöchigen Frist dazugezählt und deshalb als letzten Tag der Beschwerdefrist den 19. Jänner 2006 eingetragen habe. Deshalb sei die Beschwerdefrist erst nach den Weihnachtsurlauben verfasst und am Tag vor Ablauf der im Fristenbuch eingetragenen Frist persönlich überreicht worden. Die Kanzleileiterin sei sehr versiert und habe bisher fehlerfrei gearbeitet; ihre Aufgabe sei es unter anderem, alle einlangenden Schriftstücke zu prüfen und allfällige Fristen im Fristenbuch einzutragen. Es handle sich hiebei um "von ihr beherrschte Routinearbeiten", sodass es sich um eine fehlerhafte Fristeintragung handle, die ihr noch nie unterlaufen sei. Generell würden "diese Fristen (vom Vertreter des Beschwerdeführers) genauestens überprüft". Im Beschwerdefall habe der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers die von seiner Kanzleileiterin ermittelte und im Fristenbuch eingetragene Frist "irrtümlich übernommen". Der Umstand der Verspätung sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers erst mit Zustellung der Verfügung vom 2. Februar 2006, nämlich am 9. Februar 2006 bekannt geworden, weshalb die Frist zur Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages gewahrt sei.
§ 46 VwGG lautet (auszugsweise):
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
...
(4) Über den Antrag ist in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zu entscheiden."
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller den Tatbestand des § 71 Abs 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft den Antragsteller die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage ein entsprechend begründetes Antragsvorbringen voraussetzt. Nichts anderes gilt für Wiedereinsetzungsanträge nach § 46 VwGG (vgl den hg Beschluss vom 24. Mai 2005, Zl 2004/11/0233, mwN).
Gleichfalls in ständiger Rechtsprechung wird vom Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist dabei nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers abgesteckt wird. Ein bevollmächtigter Vertreter hat die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten, dass auch die richtige Vormerkung und Wahrnehmung von Terminen und damit die fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen, etwa die fristgerechte Einbringung von Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, nach menschlichem Ermessen gesichert ist. So gehört es etwa zu den Organisationserfordernissen, dass in der Kanzlei des Parteienvertreters eine Kontrolle der Terminwahrnehmung stattfindet, die gewährleistet, dass fristgebundene Schriftsätze tatsächlich erstattet und abgefertigt werden. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige, unerfahrene Personen (vgl den hg Beschluss vom 24. November 2005, Zl 2005/11/0176, mwN).
Aus den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich nicht, dass der Vertreter des Beschwerdeführers seinen Organisations- bzw Überwachungspflichten nachgekommen wäre:
Offen bleibt zunächst, in welcher Weise die Kanzleileiterin des Vertreters des Beschwerdeführers hinsichtlich der Errechnung und Vormerkung von Rechtsmittelfristen (wobei es nicht um einen rein manipulativen Vorgang, sondern um eine juristische Tätigkeit handelt - vgl das hg Erkenntnis vom 17. März 2005, Zl 2004/16/0204, mwN) überwacht wurde (vgl den hg Beschluss vom 8. Juli 1991, Zl 91/19/0172, wonach schon im Wiedereinsetzungsantrag Art und Intensität der Kontrolle darzutun ist).
Ferner ist darauf zu verweisen, dass dem Vertreter des Beschwerdeführers anlässlich des Verfassens der Beschwerde am 17. Jänner 2006 deren Verspätung hätte auffallen müssen, wird doch im Schriftsatz ausdrücklich der 24. November 2005 als Tag der Zustellung des anzufechtenden Bescheides genannt.
Nach dem Wiedereinsetzungsantrag kann damit nicht gesagt werden, dass der Fristversäumnis insgesamt ein bloß minderer Grad des Versehens im Sinne des § 46 Abs 1 VwGG zugrunde lag. Der Antrag war somit abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 34 Abs 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2006
Schlagworte
Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des EinschreitersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006030016.X00Im RIS seit
03.05.2006