TE Vwgh Erkenntnis 2006/2/28 2005/06/0084

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Veröffentlicht am 28.02.2006
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
10/10 Grundrechte;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
BauG Stmk 1995 §21 Abs1 Z2 litb idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §21 Abs4 idF 2003/078;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3 idF 2003/078;
BauRallg;
B-VG Art140;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
WEG 2002 §2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Chlup, über die Beschwerde des Univ.-Prof. DI Dr. W B in G, vertreten durch Dr. Mario Sollhart, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/V, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 19. Jänner 2005, Zl. 068768/2004-5, betreffend einen Bauauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist nebst anderen Personen Miteigentümer einer Liegenschaft in Graz, auf welcher sich, soweit hier erheblich, zwei Wohngebäude (mit mehreren Wohnungen) befinden (Häuser 1 und 1a).

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 6. September 2004 wurde dem Beschwerdeführer und den weiteren Miteigentümern gemäß § 41 Abs. 3 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk. BauG), LGBl. Nr. 59, in der Fassung LGBl. Nr. 78/2003, der Auftrag erteilt, die auf der fraglichen Liegenschaft errichteten baulichen Anlagen, und zwar vier Terrassen- und eine Stiegenüberdachung bei den Häusern 1 und 1a mit einer Gesamtdachfläche von ca. 57,0 m2, nämlich beim Haus 1:

a) eine Vordachkonstruktion aus Stahl und Glas, mit zwei Säulen, Höhe ca. 2,40 m, Dachfläche ca. 4,5 m x 2,0 m, angebaut im Erdgeschoss (Top 2),

b) eine Terrassenüberdachung im abgewinkelter Form, Stahl-Glaskonstruktion, bestehend aus vier Säulen und einer Dachfläche von ca. 16,80 m2, an der südöstlichen Gebäudeecke im Erdgeschoss situiert,

c) eine Stiegenüberdachung mit zwei Säulen und einer Dachfläche von ca. 13,0 m2,

sowie bei Haus 1a:

d) eine Terrassenüberdachung aus Stahl und Glas mit zwei Säulen, Höhe ca. 2,5 m, Dachfläche ca. 9,60 m2 im Südosten an der Südwestecke im Erdgeschoss angebaut und

e) eine Vordachkonstruktion aus Stahl und Glas, auf Stahlseilen abgehängt, Dachfläche ca. 9,60 m2 im Südosten an der Südostecke im Erdgeschoss situiert

binnen vier Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

Begründend heißt es, die Baubehörde habe festgestellt, dass die im Spruch angeführten baulichen Anlagen ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden seien. Gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 lit. b Stmk. BauG seien Schutzdächer (Flugdächer) mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch als Zubauten zu Gebäuden, baubewilligungsfrei. Auf dem Bauplatz seien aber Schutzdächer mit einer Gesamtfläche von ca. 57,0 m2 errichtet worden, ohne dass eine entsprechende Baubewilligung erteilt worden sei. Damit seien diese Schutzdächer vorschriftswidrig.

Dagegen erhoben der Beschwerdeführer und eine weitere Miteigentümerin gesonderte Berufungen, die mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen wurden.

Begründend führte die belangte Behörde, soweit für das Beschwerdeverfahren erheblich, aus, entgegen dem Berufungsvorbringen sei die belangte Behörde sehr wohl der Auffassung, dass die Bestimmung des § 21 Abs. 1 Z 2 lit. b Stmk. BauG, wonach die Errichtung von Schutzdächern (Flugdächern) mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt würden, bewilligungsfrei sei, dahingehend zu verstehen sei, dass die Fläche der Schutzdächer maximal 40 m2 betragen dürfe, bezogen auf ein Grundstück, sprich auf einen Bauplatz. Hiezu sei auch auf Anmerkung 5 zu dieser Bestimmung in Hauer/Trippl, Stmk. Baurecht4, zu verweisen, wo ebenfalls dargelegt werde, dass dem Baurecht grundsätzlich immer die Grundstücks- bzw. Bauplatzbezogenheit immanent sei. Auch "aus der Zusammenschau" der gemäß dem Stmk. Baugesetz bewilligungsfreien baulichen Anlagen ergebe sich zweifelsohne, dass die Gesamtfläche von insgesamt 40 m2 sich sowohl in § 21 Abs. 1 Z 2 lit. g (Gerätehütten) wie auch in lit. h (Gewächshäuser) finde. Die Hervorhebung des Gesetzgebers, dass Schutzdächer mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2 auch dann als bewilligungsfrei anzusehen seien, wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt würden, sei laut Auffassung der belangten Behörde lediglich deshalb erfolgt, weil bei den übrigen bewilligungsfreien baulichen Vorhaben, bei welchen auf eine Gesamtfläche von 40 m2 abgestellt worden sei, nur dann von einer Bewilligungsfreiheit auszugehen sei, wenn diese nicht als Zubau ausgeführt, sondern freistehend errichtet würden. Offensichtlich habe der Gesetzgeber beabsichtigt, bewilligungsfrei Baulichkeiten auf einem Grundstück (auf einem Bauplatz) bis zu einer Gesamtgröße von maximal 40 m2 zuzulassen bzw. nur Baulichkeiten in dieser Größenordnung unter dem § 21 leg. cit. zu subsumieren. Die Gesamtfläche der hier fraglichen Schutzdächer sei aber größer als 40 m2.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), idF LGBl. Nr. 78/2003 anzuwenden.

Die §§ 19, 20 und 21 leg. cit. (die durch die genannte Novelle einige Änderungen erfahren haben) lauten auszugsweise:

"§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

1.

Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen;

2.

...

§ 20

Anzeigepflichtige Vorhaben

Anzeigepflichtig sind folgende Vorhaben, soweit sich aus § 21

nichts anderes ergibt:

              1.              Neu-, Zu- oder Umbauten von Kleinhäusern im Bauland, wenn die Eigentümer der an den Bauplatz angrenzenden Grundstücke sowie jene Grundeigentümer, deren Grundstücke vom Bauplatz durch ein schmales Grundstück bis zu 6 m Breite (z.B. öffentliche Verkehrsfläche, privates Wegegrundstück, Riemenparzelle u. dgl.) getrennt sind, durch Unterfertigung der Baupläne ausdrücklich ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt haben;

              2.              die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von

              a)              Abstellflächen für mehr als fünf Krafträder bis höchstens 30 Krafträder oder mehr als zwei Kraftfahrzeuge bis höchstens zwölf Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten;

              b)              Garagen für höchstens 30 Krafträder oder höchstens zwölf Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg und Nebenanlagen, auch wenn sie als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;

              c)              Schutzdächern (Flugdächern) mit einer überdeckten Fläche von über 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;

              d)              Nebengebäuden,

jeweils wenn die Voraussetzungen nach Z. 1 vorliegen.

              3.              ...

§ 21

Baubewilligungsfreie Vorhaben

(1) Zu den bewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:

1. Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen), landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u.dgl., jeweils nur im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 und 2 berührt werden;

2. kleineren baulichen Anlagen, wie insbesondere

a) für die Verwertung (Kompostierung) von biogenem Abfall im Sinne des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes; wie insbesondere Kleinkompostieranlagen für Gebäude mit nicht mehr als sechs Wohnungen;

b) Abstellflächen für höchstens fünf Kraftfahrräder oder höchstens zwei Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten, Fahrradabstellanlagen sowie Schutzdächer (Flugdächer) mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden;

c) Skulpturen und Zierbrunnenanlagen bis zu einer Höhe von 3,0 m inklusive Sockel, kleineren sakralen Bauten sowie Gipfelkreuzen;

d) Wasserbecken bis zu insgesamt 100 m3 Rauminhalt, Saisonspeichern für solare Raumheizung und Brunnenanlagen;

e) luftgetragenen Überdachungen bis zu insgesamt 100 m2 Grundfläche;

f) Pergolen bis zu einer bebauten Fläche von 40 m2, Klapotetzen, Maibäumen, Fahnen- und Teppichstangen, Jagdsitzen sowie Kinderspielgeräten;

g) Gerätehütten im Bauland bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 40 m2;

h) Gewächshäusern bis zu 3,0 m Firsthöhe und bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 40 m2;

i) Solar- und Parabolanlagen sowie Hausantennenempfangsanlagen im Privatbereich; Mikrozellen zur Versorgung von Geländeflächen mit einem Durchmesser von 100 m bis 1 km und Picozellen für Mobilfunkanlagen zur Versorgung von Geländeflächen mit einem Durchmesser bis 100 m, samt Trag- und Befestigungseinrichtungen;

j) Telefonzellen und Wartehäuschen für öffentliche Verkehrsmittel;

k) Stützmauern bis zu einer Höhe von 50 cm über dem angrenzenden natürlichen Gelände;

l) Loggiaverglasungen einschließlich der erforderlichen Rahmenkonstruktion;

3. kleineren baulichen Anlagen und kleineren Zubauten, jeweils im Bauland, soweit sie mit den in Z. 2 angeführten Anlagen und Einrichtungen hinsichtlich Größe und Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbar sind;

4.

...

5.

...

5a.

...

6.

...

(2) Bewilligungsfrei sind überdies:

1. der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt;

2. die bis zu drei Tagen dauernde Aufstellung von Fahrzeugen und anderen transportablen Einrichtungen im Sinne des § 19 Z. 6;

3.

die Lagerung von Heizöl bis 300 l;

4.

der Abbruch aller nicht unter § 19 Z. 7 fallenden baulichen Anlagen;

              5.              Einfriedungen gegen Nachbargrundstücke (ausgenommen öffentliche Verkehrsflächen) bis zu einer Höhe von 1,5 m.

(3) Bewilligungsfreie Vorhaben sind vor ihrer Ausführung der Gemeinde schriftlich mitzuteilen. Die Mitteilung hat den Ort und eine kurze Beschreibung des Vorhabens zu enthalten.

(4) Durch baubewilligungsfreie Vorhaben dürfen Bau- und Raumordnungsvorschriften, wie insbesondere festgelegte Bauflucht-, Baugrenz- und Straßenfluchtlinien, sowie die Vorschriften über Abstände nicht verletzt werden."

§ 21 Abs. 1 Z. 2 lit. b Stmk. BauG lautete in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 78/2003 (also in der Stammfassung):

"b) Abstellflächen auf einem Bauplatz für höchstens fünf Kraftfahrräder oder höchstens zwei Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von je 3500 kg einschließlich der erforderlichen Zu- und Abfahrten sowie Fahrradabstellanlagen;"

Nach § 41 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer (Bau-)Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. zu erteilen.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass es sich bei den fraglichen Dächern um "Schutzdächer" im Sinne des § 21 Abs. 1 Z 2 lit. b Stmk. BauG handelt. Strittig ist im Beschwerdeverfahren, ob die dort genannte Fläche von 40 m2 gebäudebezogen oder grundstücks- bzw. bauplatzbezogen zu sehen ist (wobei in diesem Erkenntnis nicht zu untersuchen ist, ob es überdies einen Unterschied zwischen grundstücks- und bauplatzbezogener Betrachtung gäbe; diese Fälle werden hier unterschiedslos als Einheit behandelt).

Der Beschwerdeführer bringt hiezu zusammengefasst vor, würde man der Argumentation der belangten Behörde hinsichtlich des Willens des Gesetzgebers folgen, bedeutete dies, dass auf einem Bauplatz bzw. Grundstück lediglich eine Antennenanlage installiert werden könnte, was unsinnig erschiene. Nach den Intentionen des Gesetzgebers gehörten zu den bewilligungsfreien Vorhaben solche, bei denen typischerweise eine sicherheitstechnisch geringe Relevanz bestehe, sodass es unter dem Gesichtpunkt des öffentlichen Interesses vertretbarer erscheine, diese Anlagen und Maßnahmen keinem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen. Maßgeblich sei somit die sicherheitstechnische Relevanz und nicht das Faktum, wie viele Gebäude sich auf einem Bauplatz befänden. Sicherheitstechnisch bestehe kein Unterschied darin, ob sich auf einem Grundstück mehrere Gebäude mit jeweils bis zu 40 m2 Vordachkonstruktionen befänden oder lediglich ein Gebäude mit einer Konstruktion eben dieser Fläche. Folgte man der Auffassung der belangten Behörde, würde lediglich das Zuvorkommen entscheiden, woraus sich eine Ungleichbehandlung ergebe. Auch die Formulierung des Gesetzes: "Mit einer überdeckten Fläche von insgesamt höchstens 40 m2, auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden" sei dahin zu verstehen, dass diese Schutzdächer immer im Zusammenhang mit einem Gebäude zu betrachten seien, demnach die höchstzulässige Fläche von 40 m2 gebäudebezogen zu verstehen sei, ansonsten käme es zum ungleichen Ergebnis, dass, befände sich auf einer Liegenschaft ein Haus, eine solche überdachte Fläche von insgesamt 40 m2 zulässig wäre, dann aber, wenn sich auf dem Grundstück etwa zehn Häuser befänden, bei jedem Haus nur eine überdachte Fläche von 4 m2 bewilligungsfrei wäre.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Im Beschwerdefall ist nicht die Frage zu lösen, wie viele Parabolantennen, oder allenfalls auch wie viele Abstellflächen für höchstens (jeweils) fünf Kraftfahrräder pro Grundstück (Bauplatz) baubewilligungsfrei im Sinne des § 21 leg. cit. sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob die hier bestehenden Schutzdächer baubewilligungsfrei im Sinne dieser Bestimmung sind. Mag auch in der nunmehrigen Fassung des § 21 Abs. 1 Z. 2 lit. b leg. cit. die Bezugnahme auf den "Bauplatz" entfallen sein, kommt es nach dem maßgeblichen Wortlaut dieser Norm aber hier entscheidend auf das Wort "insgesamt" an, welches im gegebenen Zusammenhang dahin zu verstehen ist, dass die Gesamtfläche aller Schutzdächer das Ausmaß von 40 m2 nicht übersteigen darf, was hier nur grundstücks- (bauplatz-)bezogen zu sehen ist, und zwar einerlei, ob es nun um ein Schutzdach oder um mehrere geht, oder ob dieses oder diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt wurde(n) oder nicht. Der Satzteil "..., auch wenn diese als Zubau zu einem Gebäude ausgeführt werden" ist deswegen erforderlich, um die Spezialität des § 21 Abs. 1 Z 2 lit. b leg. cit. gegenüber den Bestimmungen zum Ausdruck zu bringen, in denen eine Baubewilligungs- oder Anzeigepflicht für Zubauten zu baulichen Anlagen (und damit auch Zubauten zu Gebäuden) normiert ist. Auch aus diesem Gesichtspunkt kann dieser Teilsatz nicht, wie vom Beschwerdeführer gewünscht, dahin zu verstehen sein, dass die Fläche von 40 m2 gebäudebezogen zu sehen sei, zumal offen bliebe, wie dann freistehende (nicht als Zubau zu einem Gebäude ausgeführte) Schutzdächer zu behandeln wären (je Gebäude 40 m2 an Schutzdächern jeweils als Zubau und noch einmal 40 m2 an freistehenden Schutzdächern?).

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass auch baubewilligungsfreie Vorhaben im Sinne des § 21 Stmk. BauG gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen den Bau- und Raumordnungsvorschriften zu entsprechen haben. Wenn sich der Landesgesetzgeber dazu entschlossen hat, solche Schutzdächer nur bis zu einer Fläche von insgesamt 40 m2 je Grundstück (Bauplatz) als baubewilligungsfrei zu normieren (wobei allfällige Vorschriftswidrigkeiten im Sinne des § 21 Abs. 4 leg. cit. in einem Bauauftragsverfahren geprüft werden können) und bei einer Überschreitung dieses Gesamtausmaßes einem Baubewilligungs- oder Bauanzeigeverfahren zu unterwerfen, erscheint dies bei der Vielzahl unterschiedlichster Lebenssachverhalte, die der Baugesetzgeber zu bedenken und zu erfassen hat (insbesondere im Hinblick auf das unterschiedliche Ausmaß von Grundstücken, oder auch auf Grundstücke, die mit einem oder mehreren Gebäuden bebaut sind), nicht unsachlich (im Sinne einer verfassungsrechtlichen Bedenklichkeit).

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die Behörden hätten nicht festgestellt, welche der Dachkonstruktionen in seinem Eigentum stehe und welche er zu beseitigen habe. Er sei nämlich lediglich "Eigentümer einer Eigentumswohnung"; die Beseitigung baulicher Anlagen, die nicht ihm gehörten, könne ihm nicht aufgetragen werden.

Mit diesem Einwand ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Er verkennt insbesondere, dass das Wohnungseigentum kein selbständiges ("Voll-)Eigentum an einer Wohnung vermittelt, sondern gemäß § 2 Abs. 1 WEG 2002 (lediglich) das einem Miteigentümer einer Liegenschaft oder einer Eigentümerpartnerschaft eingeräumte dingliche Recht ist, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen. Dass aber diese Dächer (entgegen § 297 ABGB) nicht im Eigentum der Grundeigentümer stünden, hat er nicht behauptet.

Im Ergebnis ist die Beschwerde aber dennoch berechtigt:

§ 21 Abs. 1 Z 2 lit. b  Stmk. BauG idF der Novelle LGBl. Nr. 78/2003, womit solche Schutzdächer bis zu einer Fläche von insgesamt 40 m2 baubewilligungsfrei gestellt wurden, ist am 1. Jänner 2004 in Kraft getreten. Ginge man nun davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt solche (zuvor konsensbedürftige) Schutzdächer (erst) in einer 40 m2 nicht übersteigenden Gesamtfläche errichtet waren, wären diese ab 1. Jänner 2004 baubewilligungsfrei und damit nicht (wie von der belangten Behörde angenommen) vorschriftwidrig aus dem Grund der Konsensbedürftigkeit. Gleiches gilt sinngemäß für allenfalls später errichtete Schutzdächer, solange dieses Maß von 40 m2 nicht überschritten wird. Dazu hätte es entsprechender Feststellungen bedurft, wann diese Dächer errichtet wurden. Überstieg die Gesamtfläche solcher am 1. Jänner 2004 bestehenden Schutzdächer bereits dieses Ausmaß, wären die Miteigentümer aufzufordern gewesen bekannt zu geben, welche jener das Gesamtausmaß von 40 m2 übersteigenden Dachflächen beseitigt werden sollen. Mangels entsprechender Einigung hätte die Behörde nach sachlichen Kriterien und unter Berücksichtigung des Schonungsprinzips die zu entfernenden Flächen festzulegen gehabt. All dies unterblieb aber in Verkennung der Rechtslage.

Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 28. Februar 2006

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Rechtliche Beurteilung Besondere Rechtsgebiete Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des Parteiwillens Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005060084.X00

Im RIS seit

28.03.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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