Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Angst, Dr.Graf und Dr.Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Heinz Bauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Günther R*****, vertreten durch Dr.Klaus Gstrein, Dr.Ulrich Gstrein, Rechtsanwälte in Imst, wegen Unterlassung und Vornahme einer Handlung (Streitwert S 2,000.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 12.Juni 1992, GZ 4 R 95/92-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Feber 1992, GZ 18 Cg 288/91-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Hermann R*****, der Vater des Beklagten, war ua Alleineigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG O*****. Ob dieser Liegenschaft war (laut Buchstandsbericht des Bezirksgerichtes Silz vom 10.4.1991 zu TZ 1635/91) ua zu C-OZl 136 im Range der zu Tz 2143/90 angemerkten, bis 9.8.1991 wirksamen Rangordnung das Pfandrecht für die Darlehensforderung der klagenden Partei im Betrag von S 2,000.000 sA einverleibt. Bereits im Zeitpunkt der Erwirkung dieser Rangordnung waren auf der Liegenschaft zwei Rangordnungen für die beabsichtigte Veräußerung angemerkt, und zwar zu TZ 1492/90 mit Rechtswirksamkeit bis einschließlich 22.5.1991 und zu TZ 1954/90 mit Rechtswirksamkeit bis einschließlich 12.7.1991. Mit Vereinbarung vom 10.1.1991 abgeändert durch Vertragsergänzung vom 16.5.1991, schenkte und übergab Hermann R***** dem Beklagten aus der EZ ***** KG O***** die beiden Grundstücke 5925 (welches durch Teilung und Vereinigung der Trennflächen mit anderen Grundstücken vom bisherigen Ausmaß von
13.797 m2 auf ein solches von 12.540 m2 verkleinert wurde) und 5929 im Ausmaß von 193 m2 (sowie Anteile anderer Liegenschaften). Im Punkt V dieser Vereinbarung (vom 10.1.1991) hieß es: "Auf der Liegenschaft EZ ***** KG O***** haften folgende Lasten:
1.) Das Pfandrecht für die Darlehensforderung des Ö*****-AG in Höhe von S 2,000.000 (zwei Millionen) samt 9 % Zinsen, höchstens 18 % Verzugs- und Zinseszinsen sowie einer Nebengebührensicherstellung bis zu einem Höchstbetrag von S 400.000 (vierhunderttausend).
2.) Das Pfandrecht für eine Forderung des Ö*****-AG im Höchstbetrag von S 3,600.000 (dreimillionensechshunderttausend).
Die Rückzahlung der genannten Pfandrechte an das Ö*****-AG erfolgt ausschließlich durch den Übergeber. Hinsichtlich der Rückzahlung dieser Pfandrechte übernimmt der Übernehmer keine wie immer geartete persönliche Haftung, sondern besteht für den Übernehmer nur eine reine Sachhaftung mit der übergebenen vertragsgegenständlichen Liegenschaft."
Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Silz vom 3.7.1991, TZ 2370/91, wurde ua in der angemerkten Rangordnung TZ 1492/90 die Abschreibung der Grundstücke 5925 (im nunmehrigen Ausmaß von 12.540 m2 siehe oben) und 5929, die Eröffnung der neuen EZ ***** KG O***** und die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Beklagten unter Mitübertragung des Pfandrechtes für die Darlehensforderung der klagenden Partei in Betrag von S 2,000.000 samt 9 % Zinsen, höchstens 18 % Verzugs- und Zinseszinsen sowie einer Nebengebührensicherstellung bis zu einem Höchstbetrag von S 400.000 bewilligt, wobei die EZ ***** KG O***** als Haupteinlage und die EZ *****KG O***** als Nebeneinlage bezeichnet wurden. Der Beklagte beantragte (aufgrund der Rangordnung TZ 1954/90) beim Bezirksgericht Silz als Grundbuchgericht die Löschung des zu Gunsten der klagenden Partei eingetragenen Pfandrechts im Betrag von S 2,000.000 sA gemäß § 57 Abs 1 GBG. Diese Löschung wurde bereits bewilligt, aber noch nicht vollzogen.
Die klagende Partei begehrt unter Berufung darauf, daß sie aus der dargestellten Vertragsklausel Punkt V, als einem Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 881 Abs 2 ABGB, direkt begünstigt sei, ua die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der (wohl gemeint: Antragstellung auf) Einverleibung der Löschung des Pfandrechts im Betrag von S 2,000.000 sA und zur Rückziehung des beim Bezirksgericht Silz anhängigen Antrages im Rahmen der Bestimmungen des § 57 GBG.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil er in dem mit seinem Vater geschlossenen Vertrag vom 10.1.1991 samt Nachtrag eine Verpflichtung zur Beibehaltung oder Duldung einer Sachhaftung gegenüber der klagenden Partei nicht übernommen habe, sohin ein Vertrag zugunsten Dritter nicht vorliege.
Hierauf erwiderte die klagende Partei, der Beklagte sei voll informiert gewesen, daß mit dem von der klagenden Partei (seinem Vater) zur Umschuldung gewährten Darlehen andere Pfandrechte getilgt worden seien; die im Punkt V der Vereinbarung vom 10.1.1991 enthaltene Verpflichtung lasse den zwingenden Schluß zu, daß durch die Übernahme der Sachhaftung durch den Beklagten die Rechte der klagenden Partei geschützt werden sollten. Der Beklagte habe mit diesem Vertragspunkt die Berechtigung der klagenden Partei auf Aufrechterhaltung der Sachhaftung ausdrücklich anerkannt.
Das Erstgericht gab dem auf Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung und Antragsrückziehung gerichteten Klagebegehren statt. Es stellte über den eingangs dargelegten Sachverhalt hinaus noch fest, sowohl für den Beklagten als auch für dessen Vater Hermann R***** sei beim Abschluß der Vereinbarung vom 10.1.1991 klar gewesen, daß das Pfandrecht der klagenden Partei aufrecht zu erhalten sei, sowie daß der Rechtsvertreter der beiden vor der Unterfertigung der Vereinbarung vom 10.1.1991 mit dem Beklagten die wesentlichsten Punkt der Vereinbarung besprochen und ihn insbesondere über Punkt V der Vereinbarung aufgeklärt habe, und daß die klagende Partei mit dem Beklagten vor Verfassung der Vereinbarung vom 10.1.1991 nicht verhandelt habe. In seiner rechtlichen Beurteilung qualifizierte das Erstgericht Punkt V der Vereinbarung vom 10.1.1991, wonach für den Beklagten zwar keine persönliche Haftung für die Rückzahlung der Pfandrechte, sondern eine reine Sachhaftung mit der übergebenden Liegenschaft bestehe, als echten Vertrag zugunsten Dritter (der klagenden Partei) im Sinne des § 881 Abs 2 ABGB. Überdies verstoße die Vorgangsweise des Beklagten gegen die guten Sitten, weil er mit dem Antrag nach § 57 GBG nur den Zweck verfolgt habe, die klagende Partei zu schädigen. Aber auch unter dem Gesichtspunkt der Vertragsverletzung durch schadensstiftendes Verhalten habe der Beklagte die seiner Vertragspflicht zuwiderlaufenden Prozeßhandlungen, die das Pfandrecht der beklagten Partei zu gefährden geeignet seien, zu unterlassen.
Das Gericht zweiter Instanz wies infolge Berufung des Beklagten das Klagebegehren ab. Es bewertete den Wert des Entscheidungsgegenstandes über S 50.000 und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die bekämpften Feststellungen, daß sowohl für den Beklagten als auch dessen Vater bei Abschluß der Vereinbarung vom 10.1.1991 klar gewesen sei, daß das Pfandrecht der klagenden Partei aufrecht zu erhalten sei und daß auch der Vertreter der beiden vor Unterfertigung der Vereinbarung vom 10.1.1991 mit dem Beklagten die wesentlichsten Punkten derselben besprochen und ihn insbesondere über Punkt V der Vereinbarung aufgeklärt habe, seien rechtlich nicht relevant und daher aus rechtlichen Gründen nicht zu überprüfen, weil die Aufklärung des Beklagten über den wesentlichen Vertragsinhalt durch seinen Rechtsvertreter einen unmittelbaren Anspruch der klagenden Partei im Sinne des Klagebegehrens nicht begründen könne und der Beklagte den Vertrag vom 10.1.1991 unbestritten selbst unterfertigt habe, sodaß er dessen Inhalt gegen sich gelten lassen müsse, auch wenn er ihn nicht näher gelesen haben sollte. Daß das auf der Liegenschaft EZ ***** KG O***** für die Darlehensforderung der klagenden Partei in Höhe von S 2,000.000 sA haftende Pfandrecht bei Veräußerung von Grundstücken aus dem haftenden Grundbuchskörper auf die neu eröffnete Grundbuchseinlage mitzuübertragen war, falls die klagende Partei einer lastenfreien Abschreibung nicht zustimmte, ergebe sich bereits aus den gesetzlichen Bestimmungen (§ 466 ABGB, §§ 3 und 13 LiegTeilG), bedürfte sohin keiner ausdrücklichen Verpflichtungserklärung des Beklagten. Eine solche sei im Vertrag (dessen Punkt V) auch nicht enthalten. Darin werde lediglich zugunsten des Beklagten klargestellt, daß für ihn als Übernehmer keine persönliche, sondern nur eine reine Sachhaftung mit der übergebenen Liegenschaft bestehe. Eine Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme und Aufrechterhaltung des streitgegenständlichen Pfandrechts könne somit aus dem Vertragpunkt V nicht abgeleitet werden. Der klagenden Partei stehe daher gegen den Beklagten ein Anspruch auf Aufrechterhaltung dieses Pfandrechts durch Abstandnahme von dem dem Erwerber gemäß § 57 Abs 1 GBG zustehenden Löschungsrecht nicht zu. Ein echter Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 881 Abs 2 ABGB sei in der die Sachhaftung des Beklagten gegenüber seinem Vater klarstellenden Vertragsbestimmung Punkt V nicht zu erblicken. Zufolge der beiden Rangordnungsanmerkungen TZ 1492/90 und TZ 1954/90 sei das mit einem schlechteren Rang einverleibte Pfandrecht der klagenden Partei aufgrund der Löschungsmöglichkeit nach § 57 GBG ohne besonderen Wert gewesen, wenn sich die Pfandgläubigerin - offenbar wie hier - gegen die Ausübung dieses Löschungsrechtes nach § 57 GBG durch den Erwerber nicht vorsorglich absicherte. Mache aber der Erwerber von seinem Recht Gebrauch, könnten daraus ohne Hinzutreten eines zusätzlichen Sachverhaltes Schadenersatzansprüche des Pfandgläubigers gegenüber einem Erwerber, mit dem er in keiner Vertragsbeziehung stehe, nicht begründet werden. Die vom Erstgericht angenommene mißbräuchliche Rechtsausübung im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB komme schon deshalb als Klagsgrund nicht in Betracht, weil die klagende Partei ein auf diesen Rechtsgrund oder auch auf den Einwand der Sittenwidrigkeit oder auf das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes hinweisendes Vorbringen in erster Instanz nicht erstattet habe.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das zweitinstanzliche Urteil gerichtete außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.
Da es im Rechtsstreit um die Erwirkung von Unterlassungen und Handlungen geht, besteht gegen die Bewertung des Streitgegenstandes auch im Lichte der § 500 Abs 3 ZPO, §§ 57, 60 JN kein Bedenken.
Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt, wie die Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof ergibt, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Für den echten Vertrag zugunsten Dritter gibt § 881 Abs 2 ABGB die Auslegungsregel an die Hand, "ob und in welchem Zeitpunkt auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, vom Versprechenden Erfüllung zu fordern, ist aus der Vereinbarung und der Natur und dem Zweck des Vertrages zu beurteilen; im Zweifel erwirbt der Dritte dieses Recht, wenn die Leistung hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichen soll". Das Erstgericht hat - vom Beklagen in der Berufung bekämpfte, vom Berufungsgericht aufgrund seiner Rechtsauffassung nicht geprüfte - Feststellungen getroffen, daß für den Beklagten und dessen Vater beim Abschluß dieser Vereinbarung klar gewesen sei, daß das Pfandrecht der klagenden Partei aufrecht zu erhalten sei, sowie daß der Rechtsvertreter der beiden vor der Unterfertigung der Vereinbarung vom 10.1.1991 mit dem Beklagten die wesentlichsten Punkte der Vereinbarung besprochen und ihn insbesondere über Punkt V der Vereinbarung aufgeklärt habe. Wird darnach im Sinne des § 881 Abs 2 ABGB die dargestellte Vereinbarung nach der Natur und dem Zweck ihrer Errichtung geprüft, dann könnte - im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes - aus dem Gesamtbild der dargelegten rechtsgeschäftlichen Vorgangsweise des Beklagten und seines Vaters kein Zweifel darüber bestehen, daß der Beklagte sich mit der Übernahme und Aufrechterhaltung der Sachhaftung zugunsten der klagenden Partei als Pfandgläubigerin verpflichtete.
Ob auch der Dritte unmittelbar das Recht erwirbt, ist eine Auslegungsfrage (SZ 51/25; Rummel in Rummel2 Rz 2 zu § 881 ABGB; Apathy in Schwimann Rz 2 zu § 881 ABGB; vgl Heinrichs in Palandt52 407; Gottwald in Münchener Kommentar2 Rz 25 zu § 328 BGB). Es ist zwar, ginge jemand allein von der Formulierung des Punktes V des Vertrages aus, die Beurteilung des Berufungsgerichtes zu billigen, daß sich daraus ein objektiver Erklärungsinhalt zur Annahme eines Vertrags zugunsten Dritter nicht ableiten ließe. Nach § 1408 ABGB liegt im Zweifel eine Schuldübernahme (privative Übernahme der persönlichen Haftung - Mader in Schwimann, ABGB Rz 1 zu § 1408) vor, wenn der Erwerber einer Liegenschaft ein auf ihr haftendes Pfandrecht übernimmt. Durch diese Vertragsbestimmung sollte denn aber diese sonst eintretende persönliche Haftung des Beklagten ausgeschlossen werden. Der Vertragszweck kann aber nicht nur aus dem Wortlaut einer Vereinbarung allein abgeleitet werden, maßgeblich sind weiters auch die Erklärungen der Parteien, die vor Vertragsabschluß dem anderen Teil gegenüber abgegeben wurden (WoBl 1991/100; vgl SZ 59/223; JBl 1986, 173; JBl 1982, 142; 4 Ob 137/83; Rummel aaO Rz 7 zu § 914, Binder in Schwimann, ABGB Rz 24 zu § 914; Gschnitzer in Klang2 IV/1 406). Es ist immer das Gesamtverhalten der am Vertragsabschluß beteiligten Personen und der Zweck der von ihnen abgegebenen Erklärungen zu berücksichtigen (WoBl 1991/100; Mayer-Maly in Münchener Kommentar3 Rz 44 zu § 133 BGB). Begleitende Erklärungen können daher durchaus entscheidend sein. Dabei sind die Vorstellungen redlicher, mit den allgemeinen Verkehrssitten vertrauter Vertragspartner entscheidend (Gottwald aaO Rz 26).
Gegenstand eines Vertrages zugunsten Dritter kann nämlich nicht nur ein Tun, eine Leistung, sondern auch die Verpflichtung zu einer Unterlassung sein (Gottwald aaO, Rz 16). Diese ohne Beteiligung der klagenden Partei übernommene Verpflichtung des Beklagten wirkte sich aber dann auch zugunsten der klagenden Partei aus, weil ihre vom Vater des Beklagten bestellte dingliche Sicherung dadurch ungeachtet der im konkreten Fall gesetzlich möglichen Pfandrechtslöschung gemäß § 57 Abs 1 GBG erhalten bleiben sollte. Gerade in dieser bei beiden Vertragsparteien nach den erstgerichtlichen Feststellungen (auf Grund der weiters festgestellten Aufklärung durch den Vertragsverfasser) vorhandenen Klarheit, daß die Pfandrechte aufrecht zu erhalten sind, läge aber das vom Berufungsgericht vermißte "Hinzutreten eines zusätzlichen Sachverhaltes", der abgesehen von den gesetzlichen Folgen der Übertragung einer pfandbelastenden Liegenschaft durch Mitübertragung der Lasten ein vertragliches Element in Form der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Sachhaftung trotz "offenstehender gesetzlicher Löschungsmöglichkeiten" enthält. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes sind daher die vom Beklagten bekämpften dargelegten erstgerichtlichen Feststellungen rechtlich relevant, sodaß sie vom Berufungsgericht im fortgesetzten Verfahren zu überprüfen sein werden.
Während im fortgesetzen Verfahren bei der Beurteilung des Unterlassungsbegehrens zu beachten sein wird, daß ein Anspruch auf Unterlassung einer Handlung, die bereits vorgenommen wurde und nicht mehr vorgenommen werden kann, denkunmöglich, und daher ein darauf gerichtetes Begehren unschlüssig ist (vgl MietSlg 31.680; 35.768/23 uam), erweist sich das auf Zurückziehung des gestellten Grundbuchsantrages gerichtete Klagebegehren aus folgenden Gründen als schlüssig:
Nach herschender Lehre ist die Zurückziehung von Grundbuchsgesuchen zulässig (Exner, Hypothekenrecht I 175; Bartsch GBG7 101; Ratzenhofer in JBl 1933, 47; Feil, Das östereichische Grundbuchsrecht, 309; nur im Ergebnis gleichartig, aber die Zurückziehung als Abweisungsgrund ansehend: Goldschmidt in NZ 1937, 17 ff; aM Goldschmidt, Die Verfassung von Grundbuchseingaben, 67). Dies entspricht einem allgemeinen Verfahrensgrundsatz und ergibt sich aus § 76 GBG, wonach es vom Willen der Partei abhängt, ob eine Grundbuchseintragung vorgenommen werden darf. § 95 Abs 1 GBG steht dem nicht entgegen, weil daraus nicht abzuleiten ist, daß über Grundbuchsanträge immer "in der Sache" zu entscheiden ist. Deshalb führt die Zurückziehung des Grundbuchsgesuches auch nicht zu dessen Abweisung. Der gegenteiligen Ansicht Goldschmidts (aaO) ist nicht zu folgen, weil dabei verkannt wird, daß nach Zurückziehung des Antrages ein Eintragungsbegehren, über das entschieden werden könnte, nicht mehr vorliegt. Aus § 102 GBG ist abzuleiten, daß Grundbuchsbeschlüsse erst dann unabänderlich geworden sind, wenn die darin bewilligten oder angeordneten Eintragungen vollzogen wurden. § 416 Abs 2 ZPO (Bindung an die Entscheidung nach Abgabe der schriftlichen Abfassung zur Ausfertigung) kommt nur bei den den Antrag abweisenden, nicht aber bei ihn bewilligenden Beschlüssen zum Tragen (siehe MGA-GBG3 Anm 2 zu § 102). Der Meinung von Goldschmidt (in NZ 1937, 19), daß der Antrag nur bis zur Übergabe des Beschlusses zum Vollzug zurückgezogen werden könne (und dann abgewiesen werden müsse), ist daher nicht zu folgen. Zu weit geht auch Klepsch (Das österreichische Tabularrecht [1862] 110), der die Zurückziehung bis zur Zustellung des Beschlusses für zulässig hält; dem steht aber § 104 Abs 3 GBG entgegen, weil eine vollzogene Eintragung - vom Fall einer späteren Rechtsmittelentscheidung abgesehen - nur wegen einer Abweichung vom Beschluß geändert werden darf.
Der dargelegten Auffassung steht auch die Rechtsprechung nicht entgegen, daß die Rechtswirkungen einer Einverleibung, wenn sie bewilligt und vollzogen wird, schon im Zeitpunkt des Einlangens des Gesuches eintreten (SZ 58/117; EvBl 1976/103; JBl 1960, 295 ua), weil für diese Rechtsfolge immer auch der Vollzug der Eintragung vorausgesetzt wird und ohne ihn diese Rechtsfolgen - auch nicht rückbezogen auf das Gesuchseinlangen - eintreten. Die Rückziehung eines - wie im Gegenstand - bewilligten, aber noch nicht vollzogenen Grundbuchsgesuches ist daher möglich und erzwingbar.
Diese Erwägungen erfordern die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E35260European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1993:0030OB00536.93.0902.000Dokumentnummer
JJT_19930902_OGH0002_0030OB00536_9300000_000