TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/1 2004/21/0216

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Veröffentlicht am 01.03.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
25/01 Strafprozess;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art65 Abs2 litc;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
StPO 1945 §507;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des B, vertreten durch Dr. Stephan Gruböck, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Beethovengasse 4-6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 7. Mai 2004, Zl. Fr 3444/02, betreffend die Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 7. Mai 2004 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Georgien, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf folgende rechtskräftige Verurteilungen des Beschwerdeführers und die - in der Folge auszugsweise zitierten - zu Grunde liegenden Tathandlungen:

1.) Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 9. April 2003 wegen Vergehens des versuchten Diebstahls und Vergehens der Körperverletzung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten. Der Beschwerdeführer habe am 22. Februar 2003 im Zusammenwirken mit einem Mittäter versucht, einer unbekannten Frau Bargeld und weitere verwertbare Gegenstände zu stehlen. Weiters habe er Rainer W. durch Schläge und Fußtritte vorsätzlich am Körper verletzt.

2.) Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 21. Oktober 2003 wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls, des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des Vergehens der schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten. Der Beschwerdeführer habe im Juni 2003 in verschiedenen Angriffen mit zwei Mittätern dritten Personen gewerbsmäßig Wertgegenstände gestohlen oder zu stehlen versucht; er habe am 5. Juni 2003 versucht, die Sicherheitswachebeamtin B. an seiner Festnahme zu hindern, indem er ihr durch einen tätlichen Angriff einen Bänderriss am rechten Knöchel, also eine an sich schwere Verletzung am Körper, zugefügt habe.

Die bedingte Nachsicht der unter Punkt 1.) genannten Freiheitsstrafe sei widerrufen worden. Nach Verbüßung eines Strafteils von insgesamt rund sechs Monaten sei der Beschwerdeführer infolge Gnadenerweises des Bundespräsidenten am 4. Dezember 2003 aus der Strafhaft entlassen worden.

Der Beschwerdeführer sei am 31. Jänner 2002 gemeinsam mit seiner 1961 geborenen Mutter und seiner 1990 geborenen Schwester illegal nach Österreich eingereist. Seine Mutter habe einen Asylantrag, er selbst sowie seine Schwester einen Asylerstreckungsantrag gestellt, worüber "negativ entschieden" worden sei. Dagegen erhobene Berufungen seien noch anhängig.

Der Beschwerdeführer stelle eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie für die körperliche Unversehrtheit und das Vermögen anderer Personen dar. Die Vielzahl in kurzen Abständen begangener Straftaten, aus denen eine hohe Gewaltbereitschaft hervorgehe und die auch nach der bedingt ausgesprochenen Haftstrafe durch den Jugendgerichtshof Wien fortgesetzt worden seien, ließe eine beträchtliche kriminelle Energie erkennen. Das Verhalten zeige, dass es dem Beschwerdeführer an einer Wertschätzung des Gastlandes und am Bemühen, dessen Rechtsordnung einzuhalten, völlig mangle. Es könne daher nur eine "schlechte Prognose" erstellt und davon ausgegangen werden, dass durch den weiteren Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet wäre.

Bei der Interessenabwägung nach § 37 FrG ging die belangte Behörde davon aus, dass im Hinblick auf die verwandtschaftlichen Beziehungen des Beschwerdeführers zu seiner im Bundesgebiet aufhältigen Schwester und Mutter durch das Aufenthaltsverbot zweifellos in sein Privat- und Familienleben eingegriffen werde. Unter Berücksichtigung der zum Schutz fremden Vermögens und der körperlichen Integrität anderer Personen aufgestellten Normen könne es jedoch angesichts der innerhalb offener Probezeit nach einer bedingt verhängten Freiheitsstrafe neuerlich massiv gesetzten Delinquenz nicht verantwortet werden, dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu bieten, weiterhin kriminelle Machenschaften in Österreich fortzuführen. Dazu komme, dass er bei einem Aufenthalt von etwas mehr als zwei Jahren im Bundesgebiet bereits sechs Monate in Haft verbracht habe. Daher und wegen der schwer wiegenden Rechtsverletzungen könne seine Integration, die auch ein gewisses Maß an Rechtstreue verlange, nur als sehr gering eingestuft werden. Auf Grund des deliktischen Verhaltens und der Anhaltung in Strafhaft habe er seiner Mutter und Schwester keine große Hilfe bei deren Integrationsbemühungen sein können. Die Beziehung zur Mutter werde auch durch die nunmehrige Volljährigkeit relativiert. Insbesondere unter Berücksichtigung der Begehung einer schweren Körperverletzung träten die erkennbaren persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers hinter die öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen zurück, sodass sich die Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes als notwendig erweise.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z. 2).

In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).

Der Beschwerdeführer tritt den behördlichen Feststellungen nicht entgegen, weshalb keine Bedenken gegen die Ansicht der belangten Behörde bestehen, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei.

Wegen der Schwere und Häufigkeit der vom Beschwerdeführer gesetzten Delinquenz sowie unter Berücksichtigung des raschen Rückfalls innerhalb offener Probezeit nach einer bedingt verhängten Freiheitsstrafe besteht auch kein Zweifel an der im § 36 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Inland dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und dem Schutz der Rechte und Freiheiten anderer zuwiderlaufen würde.

Gegen diese Gefährdungsprognose bringt die Beschwerde vor, der Beschwerdeführer sei am 4. Dezember 2003 im Rahmen der "Weihnachtsamnestie" enthaftet worden. Dies deute eindeutig darauf hin, dass "seine Straftat als nicht so schwer wiegend angesehen" worden sei, wie sie die belangte Behörde darzustellen versuche.

Diesem Vorbringen ist entgegen zu halten, dass die belangte Behörde die Frage des Gerechtfertigtseins des Aufenthaltsverbotes unabhängig von den Erwägungen der für die Vollziehung des Gnadenrechts zuständigen Behörden zu beurteilen hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/21/0160).

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführt, hätte er geahnt, dass er durch die Begnadigung von seiner Familie getrennt werde, hätte er sich dafür entschieden, die Strafe "abzusitzen", sodass ihn seine Familie wenigstens hätte besuchen können, ist dies im vorliegenden Zusammenhang nicht schlüssig: Es ist nämlich nicht zu ersehen, dass der Gnadenerweis durch den Bundespräsidenten für den Beschwerdeführer in irgend einer Weise, etwa im Hinblick auf das Aufenthaltsverbot, das in jedem Fall die Zeit nach Verbüßung der Strafhaft betrifft, von Nachteil gewesen wäre. Davon geht auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht aus.

Weiters wendet sich die Beschwerde gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde nach § 37 FrG vorgenommenen Beurteilung und verweist auf das erwähnte, nach wie vor offene Asylverfahren seiner Angehörigen sowie auf das Vorliegen von bloßen Jugendstraftaten. Insgesamt würden durch das Aufenthaltsverbot sämtliche familiären Bindungen des Beschwerdeführers abgeschnitten, sodass es einen besonders schweren Einschnitt in sein Privat- und Familienleben darstelle.

Auf diese Umstände hat jedoch die belangte Behörde im Wesentlichen Bedacht genommen und ist, insbesondere im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht der Schwester und der Mutter des Beschwerdeführers in Österreich, zum Ergebnis gelangt, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden ist. Ihre weitere Ansicht, dass das Aufenthaltsverbot nach § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten und nach § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei, kann nicht als rechtswidrig erachtet werden.

Der erst verhältnismäßig kurze Zeit in Österreich aufhältige Beschwerdeführer hat nämlich wiederholt und in massivem Umfang Straftaten sowohl gegen Leib und Leben als auch gegen fremdes Vermögen begangen und ist selbst nach Verhängung einer bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe rasch einschlägig rückfällig geworden. Daraus ist zu Recht ein erhebliches öffentliches Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzuleiten. Dem gegenüber sind seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich dadurch relativiert, dass er nach Eintritt seiner Volljährigkeit auf ein Zusammenleben mit seiner Mutter und seiner Schwester nicht mehr notwendig angewiesen ist. Insgesamt muss er daher als Folge seines hohen kriminellen Potenzials die allfällige künftige Trennung von seinen Angehörigen in Kauf nehmen.

Dem angefochtenen Bescheid haftet somit keine Rechtswidrigkeit an, weshalb die vorliegende Beschwerde - ein Fall des § 125 Abs. 4 erster Satz Fremdenpolizeigesetz 2005 liegt nicht vor - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 1. März 2006

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Diverses VwRallg9/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2004210216.X00

Im RIS seit

30.03.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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