TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/2 2006/15/0015

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Veröffentlicht am 02.03.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb idF 1999/I/023;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der Z in S, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Elisabethstraße 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 22. Februar 2002, GZ. RV 1363/1-8/2001, betreffend Familienbeihilfe für die Zeit ab 1. Oktober 2000, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf (Weiter)Gewährung der Familienbeihilfe für ihren am 12. April 1977 geborenen Sohn Josef ab 1. Oktober 2000 ab. Begründend wurde ausgeführt, dass die vorgesehene Studienzeit für das von Josef inskribierte "Hauptstudium (Literaturwissenschaft und dt. Philologie)" mit September 2000 geendet habe. Zeiten als Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998 seien zwar unter Berücksichtigung der Funktion und der Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen, doch käme diese Bestimmung im Beschwerdefall nicht zur Anwendung, weil der Sohn der Beschwerdeführerin Studienrichtungsvertreter aus Sinologie sei und dieses Studium lediglich als Nebenstudium betrieben werde. Weiters wurde ergänzend darauf hingewiesen, dass für Zeiten eines Auslandsstudiums nur dann Familienbeihilfe gewährt werden könne, wenn das Auslandsstudium im Rahmen des Hauptstudiums absolviert werde.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung trat die Beschwerdeführerin der Rechtsansicht, wonach zwischen Haupt- und Nebenstudium zu unterscheiden sei, entgegen. Weder im Hochschülerschaftsgesetz 1998 noch in der einschlägigen Verordnung BGBl. II Nr. 83/1999 (im Folgenden: VO) werde bestimmt, dass sich der Familienbeihilfenbezug nur dann verlängere, wenn sich die Tätigkeit als Studentenvertreter auf das Hauptstudium beziehe. Davon abgesehen stelle das Studium der Sinologie für ihren Sohn keineswegs ein Nebenstudium dar, sondern stehe im engen Zusammenhang mit dem Hauptstudium "Vergleichende Literaturwissenschaften bzw. Deutsche Philologie".

Das Finanzamt stimmte in seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung vom 16. Juli 2001 der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin zwar zu, weil verschiedene durch die VO erfasste Tätigkeiten als Studierendenvertreter schon ihrer Natur nach nicht mit einem konkreten Studium verknüpft seien, verneinte den Anspruch auf Weitergewährung der Familienbeihilfe nunmehr aber mit der Begründung, dass der Sohn der Beschwerdeführerin die zulässige Studienzeit im zweiten Studienabschnitt des Hauptstudiums bereits im September 2000 ausgeschöpft habe und derzeit (nämlich von September 2000 bis Juli 2001) im Rahmen seines Erweiterungsstudiums Sinologie einen Studienaufenthalt in China absolviere. Zeiten eines Auslandsstudienaufenthaltes könnten nur dann als Verlängerungsgrund für den Bezug von Familienbeihilfe herangezogen werden, wenn sie im Rahmen des für den Familienbeihilfenbezug maßgeblichen Studiums erfolgten. Ein weiterer Anspruch auf Familienbeihilfe könne somit frühestens nach Beendigung des Auslandsstudiums entstehen.

Über Antrag der Beschwerdeführerin auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wies auch die belangte Behörde die Berufung ab. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 sachverhaltsbezogen im Wesentlichen ausgeführt:

Der Sohn der Beschwerdeführerin sei seit dem Wintersemester 1995/96 ordentlicher Studierender der Studienrichtung "Vergleichende Literaturwissenschaft; Deutsche Philologie" an der Universität Wien. Seit dem Sommersemester 1997 sei Josef zudem im Erweiterungsstudium Sinologie als ordentlicher Studierender gemeldet. Die für den zweiten Studienabschnitt des erstgenannten Studiums vorgesehene Studienzeit (5 Semester inkl. 1 Toleranzsemester) habe unbestritten am 30. September 2000 geendet. Ab 1. Juli 1999 übe Josef eine Tätigkeit als Studierendenvertreter (Vorsitz der Studienrichtungsvertretung Sinologie) aus. Diese Tätigkeit führe zu einer Verlängerung der Studienzeit. Im Beschwerdefall sei jedoch auch zu beachten, dass Josef im Rahmen seines Erweiterungsstudiums der Sinologie von September 2000 bis Juli 2001 einen Studienaufenthalt in China absolviert habe. Zeiten eines Auslandsstudienaufenthaltes könnten jedoch "wegen ihres untrennbaren Zusammenhanges mit dem Studium" nur dann als Verlängerungsgrund herangezogen werden, wenn sie im Rahmen des für den Familienbeihilfenbezug maßgeblichen Studiums erfolgten. Daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Familienbeihilfe für den Sohn Josef in der Zeit ab 1. Oktober 2000 nicht vorlägen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Familienbeihilfe nicht deshalb verneint hat, weil sie vom Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 5 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) in der Fassung BGBl. Nr. 201/1996 (ständiger Auslandsaufenthalt) ausgegangen wäre. Auf das Beschwerdevorbringen, der Sohn der Beschwerdeführerin habe sich nur vorübergehend und nicht ständig im Sinne der angeführten Gesetzesstelle im Ausland aufgehalten, ist daher nicht weiter einzugehen.

In der Hauptsache bringt die Beschwerdeführerin vor, dass dem von der belangten Behörde mit 30. September 2000 angenommenen Ende der höchstzulässigen Studiendauer offenbar die Mindeststudiendauer (zwei Studienabschnitte zu jeweils vier Semestern) zuzüglich jeweils einem Toleranzsemester zu Grunde liege. Diese Berechnung berücksichtige nicht, dass ihr Sohn seit 1. Juli 1999 Vorsitzender einer Studienrichtungsvertretung sei und sich die höchstzulässige Studiendauer somit gemäß § 3 Abs. 2 Z 3 der VO rechnerisch um 1,5 Semester, die gemäß § 4 Abs. 3 der VO auf zwei Semester aufzurunden seien, verlängere. Da die belangte Behörde zu Recht dem Umstand, dass sich die Tätigkeit des Sohnes als Vorsitzender einer Studienrichtungsvertretung nicht auf das Hauptstudium bezogen habe, keine Bedeutung beigemessen habe, ergebe sich daraus aber, dass - selbst unter Außerachtlassung einer weiteren Verlängerung der Studiendauer in Folge des Auslandsstudiums - die Anspruchsberechtigung über den 30. September 2000 hinausgehe und jedenfalls bis zum 30. September 2001 bestehe.

Nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG in der Fassung BGBl. I Nr. 23/1999 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß.

Die Begründung eines Bescheides muss erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung eines Bescheides muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Mai 1997, 94/13/0200, mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

Diesen Anforderungen an eine Bescheidbegründung entspricht der angefochtene Bescheid nicht. Wie den Ausführungen der belangten Behörde gerade noch zu entnehmen ist, wurde die Familienbeihilfe für den Sohn Josef ab Oktober 2000 deshalb nicht zuerkannt, weil die höchstzulässige Studienzeit iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG am 30. September 2000 geendet habe. Doch lässt der angefochtene Bescheid eine nachvollziehbare Begründung für diese Annahme vermissen. Die belangte Behörde spricht zum einen davon, dass die Tätigkeit des Sohnes als Vorsitzender einer Studienrichtungsvertretung zu einer Verlängerung der höchstzulässigen Studienzeit führe, misst diesem Umstand aber in der Folge keine Bedeutung zu, weil das vom Sohn betriebene Auslandsstudium nicht mit dem den Familienbeihilfenanspruch begründenden Hauptstudium "Vergleichende Literaturwissenschaft", sondern mit dem "Erweiterungsstudium der Sinologie" in Zusammenhang stünde. Warum sich die Anspruchsdauer für den Bezug auf Familienbeihilfe entgegen der VO nicht verlängern sollte, wenn der Studierende zugleich ein Auslandsstudium in einem weiteren Studienfach betreibt (dass das Studium der Literaturwissenschaft abgebrochen worden wäre, hat die belangte Behörde nicht festgestellt), ist dem angefochtenen Bescheid auch nicht ansatzweise zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin rügt aber auch zu Recht, dass sich die Feststellung der belangten Behörde, das vom Sohn absolvierte Auslandsstudium stehe in keinem Zusammenhang mit dem von ihm im Inland betriebenen Hauptstudium, nicht auf tragfähige Sachverhaltsfeststellungen gründen kann (vgl. dazu auch den ab dem Jahr 2002 geltenden Studienplan für "Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien", der den Erwerb zumindest zweier lebender Fremdsprachen in einem Umfang empfiehlt, der das Verständnis der im Verlauf des Studiums herangezogenen fremdsprachigen Texte ermöglicht sowie die Absolvierung mindestens eines Semesters an einer ausländischen Universität "dringend" empfiehlt).

Da sich der angefochtene Bescheid damit als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. März 2006

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006150015.X00

Im RIS seit

04.04.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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