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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher und Dr. Berger und die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Trefil, über die Beschwerde des H in L, geboren 1955, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Dezember 2002, Zl. 230.913/0- VIII/23/02, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem bekämpften Umfang (Spruchpunkt I.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde 1955 in Kuwait geboren, wo er auch bis zu seiner Ausreise Ende März 1998 lebte. Er ist seinen Angaben zufolge als so genannter "Bedoun" nicht im Besitz der kuwaitischen Staatsbürgerschaft, sondern staatenlos, und war seit 1974 im Innenministerium bei der Kriminalpolizei tätig. Nach dem Verlassen Kuwaits hielt sich der Beschwerdeführer u.a. im Libanon, in den USA und in mehreren asiatischen Ländern auf. Er gelangte schließlich am 18. März 2001 (von Rumänien kommend über Ungarn und Österreich) nach Deutschland, wo er einen Asylantrag stellte. In seinem Besitz befanden sich unter anderem ein auf seinen Namen lautender (gefälschter) australischer Reisepass und ein (echter, einen verfälschten Verlängerungsvermerk enthaltender, aber nicht mehr gültiger) kuwaitischer Pass.
Nach seiner im Hinblick auf die Zuständigkeit Österreichs nach dem Dubliner Übereinkommen vorgenommenen Überstellung beantragte der Beschwerdeführer auch bei seiner Vernehmung durch die Bundespolizeidirektion Salzburg am 26. Juni 2001 die Gewährung von Asyl. Der Beschwerdeführer befürchte aus näher dargestellten Gründen in Kuwait die Verhängung der Todesstrafe wegen (ihm unterstellten) "Hochverrates und Opposition zur Regierungsfamilie". Er habe nämlich neben seiner Tätigkeit im Staatsdienst mit einem Geschäftspartner, einem Mitglied der Königsfamilie, einen Autohandel, insbesondere den Autoimport aus den USA, betrieben. Bei der von seinem Partner verlangten Beendigung der Geschäftsbeziehung hätte der Beschwerdeführer zur Abgeltung der Hälfte des Firmenwertes seiner Ansicht nach 2 Mio. Dollar bekommen müssen, allerdings nur einen am 15. Jänner 1998 fälligen Scheck über 1 Mio. Dollar erhalten, der jedoch nicht gedeckt gewesen sei. In Reaktion auf eine von ihm gegen den Geschäftspartner eingebrachte Klage sei der Beschwerdeführer "von der politischen Polizei" in seiner Dienststelle festgenommen, zunächst einen Tag inhaftiert und zu seiner Tätigkeit während der irakischen Invasion befragt worden. Eine Woche später sei er wegen des Verdachtes der Fälschung des Schecks noch einmal zwei Tage festgehalten und erst nach einem (negativen) kriminaltechnischen Befund und gegen Kaution enthaftet worden. Von Freunden bei der Polizei habe der Beschwerdeführer erfahren, dass gegen ihn ein Haftbefehl bestehe. Die "Anklagepunkte" seien Hochverrat und Opposition gegen die regierende Familie. Befreundete Polizeioffiziere hätten dem Beschwerdeführer geraten, das Land "so schnell wie möglich" zu verlassen; das sei ihm mit Hilfe eines Freundes bei der Flughafenpolizei gelungen.
Bei der Befragung durch das Bundesasylamt am 16. Juli 2001 schilderte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe im Wesentlichen inhaltsgleich wie bei der Vernehmung durch die Fremdenpolizeibehörde. Der Beschwerdeführer sei zwanzig Tage nach seiner ersten Verhaftung, bei der er bezüglich Verbindungen zu Irakern und zum irakischen Regime befragt worden sei, vom Dienst suspendiert worden. Die einzige Verbindung zum Irak sei seine Frau; diese sei irakische Staatsangehörige und besitze einen irakischen Pass. Nach der Mitteilung des befreundeten Offiziers vom Staatssicherheitsdienst, der den Beschwerdeführer vom Bestehen eines Haftbefehles verständigt habe, sei der Grund "Zusammenarbeit mit irakischen Behörden und Übergriffe auf die herrschende Familie" gewesen. Die Zusammenarbeit eines Polizeibeamten mit den Irakern gelte als Hochverrat. Im Falle der Rückkehr nach Kuwait befürchte der Beschwerdeführer daher wegen Hochverrates mit dem Tode bestraft zu werden. Auf die Frage, weshalb der Beschwerdeführer "eine etwaige Verhandlung" nicht abgewartet habe, um seine Unschuld zu beweisen, entgegnete der Beschwerdeführer, in Kuwait gebe es keine Demokratie. Nachdem es sich um einen Fall der Staatssicherheit handle, würde der Beschwerdeführer vor ein Militärgericht gestellt werden, wo der "Wille der herrschenden Familie" gelte. "Sollte dieser (gemeint offenbar: der Geschäftspartner) anrufen und würde der wollen, dass ich verliere, so würde dies der Fall sein." Die Sicherheitspolizei habe mit der "Scheckgeschichte" nichts zu tun. "Die befolgten die Anweisungen meines Partners."
Auf Anfrage des Bundesasylamtes teilte die Österreichische Botschaft Kuwait am 22. August 2001 mit, Art. 17 Abs. 2 des kuwaitischen Passgesetzes erlaube die Ausgabe von kuwaitischen Reisepässen an nicht-kuwaitische Staatsangehörige, die im Staatsdienst tätig seien und im Rahmen offizieller Missionen ins Ausland reisen müssten. In den meisten Fällen würden derartige Pässe an so genannte staatenlose "Bedouns" ausgegeben; das seien ursprünglich Nomaden, die sich auf dem heutigen Staatsgebiet von Kuwait niedergelassen hätten und denen es aus verschiedenen Gründen nicht möglich gewesen sei, ihren Status in Kuwait zu legalisieren. In der Vergangenheit habe die kuwaitische Polizei häufig ihre Beamten niedriger Chargen aus diesem Personenkreis rekrutiert. Auch wenn diese Praxis vor allem seit der irakischen Invasion 1990 kaum mehr gehandhabt werde, sei es dennoch nach wie vor möglich, dass staatenlose "Bedouns" im Polizeidienst tätig seien, insbesondere wenn sie vor mehr als 15 Jahren angestellt worden seien. Nach Ansicht der Botschaft könne es sich beim Beschwerdeführer - vorausgesetzt der Reisepass sei tatsächlich für ihn ausgestellt worden - um einen Vertreter aus dem Personenkreis der "Bedouns" handeln.
Der Beschwerdeführer übermittelte dem Bundesasylamt Ende August 2001 ein von ihm verfasstes Schreiben, in dem er die vorgetragenen Fluchtgründe noch einmal näher erläuterte. Unter anderem wiederholte er, das Gerichtsverfahren, in dem er fälschlicherweise beschuldigt worden sei, wäre von seinem Geschäftspartner Scheich H., einem Mitglied der Herrscherfamilie in Kuwait, angestrebt worden. Beamte der Staatssicherheitspolizei (staatliche Geheimpolizei) seien zwei Mal gekommen und hätten den Beschwerdeführer zum Verhör mitgenommen. Unterlagen könne er nicht vorlegen, weil es keine schriftliche Ladung gegeben habe. Die Fragen hätten ihn beunruhigt und aufgrund seiner langjährigen Polizeierfahrung habe er erkannt, dass "eine gefährliche Beschuldigung gegen mich ausgeheckt" werde. Nur gegen eine persönliche Bürgschaft eines Freundes ("keine materielle") sei er enthaftet worden. Ein Freund des Beschwerdeführers habe ihm erzählt, dass ein Haftbefehl ohne Angabe von Gründen erlassen, jedoch noch nicht "im Computer gespeichert" worden sei. Dieser habe den "wahren Grund" erfahren und gewusst, dass "mir Unrecht seitens der Herrscherfamilie angetan wurde". Man beschuldige ihn der Spionage, werfe ihm angebliche Verbindungen zum Irak und Agieren gegen die Königsfamilie vor.
Der Beschwerdeführer legte auch eine Bestätigung eines kuwaitischen Rechtsanwaltes vor, wonach ihn der Beschwerdeführer aufgrund einer Vollmacht vom 25. Jänner 1998 mit der gerichtlichen Klageerhebung gegen Scheich H. wegen eines ungedeckten Schecks beauftragt habe. Die Klage sei beim Gericht in Kuwait am 7. Februar 1998 eingebracht worden. Danach habe sein Mandant (aus dem Rechtsanwalt nicht bekannten Gründen) Probleme mit dem Innenministerium bekommen und sei anschließend entlassen worden. In der Folge habe sein Mandant das Land verlassen. Wegen der "besonderen Umstände", in denen sich der Beschwerdeführer befunden habe, sei die gerichtliche Verfolgung des Falles nicht weitergeführt worden.
Einem von Interpol Kuwait am 24. Oktober 2001 an Interpol Wien (zur Einleitung von Auslieferungsmaßnahmen) gerichteten Fahndungs- und Festnahmeersuchen ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer aufgrund eines von der öffentlichen Strafverfolgungsbehörde in Kuwait Stadt am 25. Juni 2001 ausgestellten Haftbefehles gesucht werde. Der Beschwerdeführer sei bereits mit einem noch nicht rechtskräftigen Urteil ("appealable judgement") wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung/Unterschlagung ("forgery & misappropriation") zu drei Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Er habe 1998 zwei Dokumente gefälscht und auf diese Weise zwei Fahrzeuge veruntreut, die er anschließend auf seine Rechnung verkauft habe. Weiters habe der Beschwerdeführer von zwei namentlich genannten Personen 19.500,-- bzw. 2.750,-- Kuwait-Dinar veruntreut.
Aufgrund eines weiteren Ermittlungsersuchens des Bundesasylamtes nahm die Österreichische Botschaft Kuwait mit dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Kontakt auf. Sie teilte mit Schreiben vom 29. Dezember 2001 mit, die von diesem Rechtsanwalt ausgestellte und vom Beschwerdeführer im Asylverfahren vorgelegte Bestätigung sei echt, die vom Bundesasylamt übermittelte Scheckkopie sei auch dem Rechtsanwalt vorgelegen. Nach dessen Auskunft in einem vertraulichen Gespräch sei der Beschwerdeführer ein so genannter "Bedoun" und staatenlos. Der Gesprächspartner habe den Beschwerdeführer vertreten. Seiner Meinung nach sei die Klage des Beschwerdeführers gegen den Geschäftsteilhaber Scheich H. wegen des ungedeckten Schecks zu Recht erhoben worden. Die tatsächlichen Machtverhältnisse in Kuwait ("Ankläger" ein staatenloser "Bedoun", "Angeklagter" ein Mitglied der regierenden Königsfamilie) hätten jedoch kein faires Verfahren zugelassen. Das beziehe sich auch auf die Verurteilung wegen der angeblichen Fälschung und Unterschlagung. Eine Überprüfung seitens der österreichischen Botschaft bei den kuwaitischen Behörden sei ohne Bekanntgabe des Namens des Beschwerdeführers nicht möglich und daher nicht vorgenommen worden. Zusammenfassend könne die Botschaft nach dem mit dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers geführten Gespräch bestätigen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Kuwait zumindest mit einer längeren Haftstrafe zu rechnen hätte; ein faires Verfahren sei aufgrund der faktischen Machtverhältnisse nicht zu erwarten.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 5. August 2002 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kuwait sei nicht zulässig. Nach zusammengefasster Wiedergabe des Verfahrensganges und der Ermittlungsergebnisse unter wörtlicher Wiedergabe des Inhaltes der Niederschrift vom 16. Juli 2001 traf das Bundesasylamt folgende Feststellungen:
"Ihre Staatsangehörigkeit ist ungeklärt.
Sie verfügen jedoch über einen kuwaitischen Reisepass, sodass Sie unter dem Schutz dieses Staates standen, es ist daher davon auszugehen, dass Kuwait der Staat ihrer Herkunft ist, wobei Sie auch ausführten, dass Sie dort geboren wären.
Sie gehören der Bevölkerungsgruppe der Bedoun an, dies u.a. aufgrund der Feststellung der ÖB.
Es kann durchaus aufgrund Ihrer Angaben und der von Ihnen vorgelegten Unterlagen auch davon ausgegangen werden, dass Sie Angehöriger der kuwaitischen Polizei waren.
Ihre Ausführungen konnten seitens der österreichischen Botschaft in Kuwait unter Wahrung Ihrer Anonymität überprüft und bestätigt werden.
Ihre als asylrelevant dargestellten Ausführungen liegen jedoch in der Begehung einer strafbaren Handlung, wobei Sie nach Ansicht der ho. Behörde Asylrelevanz in ihre Aussage zu bringen versuchen, indem Sie ausführen, dass man Sie, zumal Sie Probleme mit einem Angehörigen der Königsfamilie hatten, nicht ordnungsgemäß vor den Gerichten behandeln würde."
Nach Aufzählung der "vier Grundanforderungen" an ein glaubhaftes Vorbringen vertrat das Bundesasylamt im Rahmen der Beweiswürdigung folgende Auffassung:
"Ihre als asylrelevant dargestellten Ausführungen dürften so, wie Sie diese dargelegt haben, nicht der Glaubwürdigkeit entsprechen. So ist der tatsächliche Ausreisegrund jener, dass Sie in Kuwait strafbare Handlungen begangen haben, wobei Sie in der Folge dann im Zuge Ihrer Abwesenheit zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt wurden und diesbezüglich auch durch Interpol Kuwait ausgeschrieben wurden (siehe Ergebnis der Botschaftsüberprüfung sowie Ausschreibung der Interpol).
Nach ho. Ansicht versuchen Sie, Asylrelevanz in Ihre Aussage zu bringen, indem Sie eine längst abgeschlossene Angelegenheit, d. h. wobei Sie mit einem Mitbeteiligten in Ihrer Firma Probleme hatten und der der Königsfamilie angehört, ins Spiel bringen, obwohl seitens der ho. Behörde zwischen dieser Vorgangsweise und der Verurteilung kein Zusammenhang hergestellt werden kann.
Bzgl. einer etwaigen Rückkehrgefährdung ist auszuführen, dass, sollten Sie dieses Delikt tatsächlich gesetzt haben, eine dreijährige Haftstrafe nicht als unmenschliche Haftstrafe anzusehen ist. Für das von Ihnen gesetzte Delikt würde die Strafandrohung durchaus auch in Staaten europäischer bzw. westlicher Prägung dieses Ausmaß erreichen können.
Sieht man jedoch nunmehr das Erhebungsergebnis der Österreichischen Botschaft in Kuwait, so kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass Sie im Falle der Rückkehr keiner unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnten, sodass in Ihrem Falle eine Gefährdung iSd § 57 FrG nicht ausgeschlossen werden kann."
Die fallbezogenen rechtlichen Ausführungen des Bundesasylamtes zur Abweisung des Asylantrages und zur Gewährung von Abschiebungsschutz lauteten schließlich wie folgt:
"Soweit Sie vorgebracht haben, in Ihrem Heimatland Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen zu sein, so standen diese lediglich in Zusammenhang mit der Begehung einer strafbaren Handlung.
(...)
In Ihrem Falle liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Sie aus einem im Asylgesetz angeführten Grund zu einer gegenüber dem üblichen Strafausmaß unangemessenen, überhöhten Strafe verurteilt worden wären.
Auch wenn Sie in Ihren Ausführungen jenen Umstand ins Treffen führten, dass diese Verurteilung aufgrund eines Problems mit einem Angehörigen der Herrscherfamilie in Kuwait hervorgerufen wurde, so ist dazu auszuführen, dass die gegen Sie gesetzten oder von Ihnen befürchteten Maßnahmen nicht geeignet sind, eine Asylgewährung zu bewirken, da für eine solche Voraussetzung ist, dass die Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe, nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung erfolgt.
Der von Ihnen als Fluchtgrund hervorgebrachte Sachverhalt steht mit keinem dieser Konventionsgründe im Zusammenhang, sondern gründet sich Ihre Furcht lediglich auf den Umstand, dass Sie seitens eines kuwaitischen Staatsangehörigen, Sie bezeichnen diese Person als Angehörigen des Königshauses, einer kriminalstrafrechtlich relevanten Handlung beschuldigt werden.
(...)
Außerdem wäre es Ihnen freigestanden, sich diesen Vorwürfen zu stellen und die Gerichtsverhandlung abzuwarten. Wie u.a. der Fahndung durch Interpol Kuwait zu entnehmen ist, ist dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig und Sie verfügen noch über ein Rechtsmittel.
Das Bundesasylamt gelangt nach eingehender rechtlicher Würdigung zur Ansicht, dass es nicht glaubhaft ist, dass Ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung droht und ist Ihr Asylantrag aus diesem Grund abzuweisen.
(...)
Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs 2 FrG wurde bereits unter Spruchpunkt I geprüft und verneint. Das Bundesasylamt hat somit zu klären, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie Gefahr liefen, in Kuwait einer unmenschlichen Behandlung, Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
(...)
In Ihrem Fall kann nicht ausgeschlossen werden, zumal Sie Bedoun, also kein Staatsbürger Kuwaits sind und jene Person, mit der Sie in Kuwait Probleme hatten, bzw. welcher Sie bei Gericht beschuldigt hat, Angehöriger des Königshauses ist, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr einer Gefährdung iSd § 57 Abs. 1 und 2 Asylgesetz (gemeint: FrG) ausgesetzt sein könnten."
In der betreffend den Asylteil erhobenen, selbst verfassten Berufung hielt der Beschwerdeführer den Ausführungen des Bundesasylamtes entgegen, für den Fall des Verbleibs in Kuwait hätte er "unbedingt einen unfairen Prozess" gehabt, weil er keine Staatsbürgerschaft besitze und der "Beklagte" zur königlichen Familie gehöre. Er sei von der Polizei verfolgt worden, weil er zu einer bestimmten Gruppe - zu den "Bedun" (Leute, die keine Staatsbürgerschaft besitzen) - gehöre, die keine Rechte habe.
Der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) hielt die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für nicht erforderlich, wies die Berufung mit dem angefochtenen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 3. Dezember 2002 ab und erteilte dem Beschwerdeführer im unbekämpften Spruchpunkt II. gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung. Zur Begründung verwies die belangte Behörde hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers (nur) auf die Niederschrift vom "16.07.2002" (richtig: 16. Juli 2001) und gab konkret - allerdings aktenwidrig - lediglich wieder, der Beschwerdeführer habe vorgebracht, er sei Staatsangehöriger Kuwaits. Danach folgt die Wiedergabe des Spruches und eine kurze Zusammenfassung der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers "zwar glaubwürdig sei", die "vorgebrachte Furcht vor Verfolgung" sich aber nicht unter einen der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe subsumieren lasse. Nach Erwähnung der fristgerechten Berufungseinbringung vertrat die belangte Behörde die Auffassung, aufgrund hinreichend geklärten Sachverhaltes habe eine mündliche Verhandlung entfallen können. Bei den Erwägungen über die Berufung bezog sich die belangte Behörde mit folgenden Ausführungen wiederum auf den erstinstanzlichen Bescheid:
"Der entscheidungswesentliche Sachverhalt, welcher von der Berufungsbehörde für wahr angenommen und festgestellt wird, und die dem Sachverhalt zu Grunde liegende Beweiswürdigung wurden von der Erstbehörde im angefochtenen Bescheid bereits zutreffend und richtig festgehalten. Es wird daher vollinhaltlich auf die diesbezüglichen Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.
Der kurzen Berufung kann die Berufungsbehörde keine Neuerungen entnehmen, welche geeignet wären, den von der Erstbehörde bereits festgestellten Sachverhalt in Frage zu stellen.
Die Angaben des Berufungswerbers erscheinen, wie die Erstbehörde zutreffend und richtig ausführt, hinsichtlich der für die Flucht behaupteten Gründe zwar glaubwürdig, doch ist der Erstbehörde auch darin zu folgen, dass sich in diesen Gründen kein Sachverhalt, der unter den (die) in Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände fallen würde, verwirklicht. Es ist seitens der Berufungsbehörde der zutreffenden Beweiswürdigung der Erstbehörde nichts hinzuzufügen und konnte auch die Berufung keine neuen Umstände aufzeigen, welche die Berufungsbehörde zu einem Abgehen von der erstinstanzlichen Beweiswürdigung bewegen hätten können."
Abgesehen von allgemein gehaltenen, nicht fallbezogenen Rechtsausführungen lautet die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde nur wie folgt:
"Die Berufungsschrift vermag keine Umstände aufzuzeigen, warum die rechtliche Beurteilung der Erstbehörde hinsichtlich der Prüfung des Antrages an den Maßstäben des § 7 AsylG 1997 unrichtig sein sollte. Es sind solche Umstände auch der Berufungsbehörde nicht ersichtlich. Es wird daher vollinhaltlich auf die zutreffende rechtliche Beurteilung der Erstbehörde verwiesen."
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Im angefochtenen Bescheid ist zweimal davon die Rede, die Erstbehörde habe die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe für glaubwürdig erachtet. Diese Beurteilung der Aktenlage wird - wie die Beschwerde zu Recht rügt - der oben wiedergegeben Begründung des Bundesasylamtes nicht gerecht. Auch wenn die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zum Teil die nötige Klarheit vermissen lassen, kann ihnen doch eindeutig entnommen werden, dass die Erstbehörde eine differenzierende Beweiswürdigung vornehmen wollte. Erkennbar schenkte sie dem Vorbringen des Beschwerdeführers nämlich insoweit keinen Glauben, als er behauptete, er habe bei einer Rückkehr nach Kuwait wegen des (aufgrund der Intervention seines der Königsfamilie angehörenden Geschäftspartners) konstruierten Verdachtes der Zusammenarbeit mit dem irakischen Regime, somit wegen ihm unterstellter Spionage bzw. Hochverrates und Opposition zur herrschenden Familie, mit der Todesstrafe zu rechnen. Demgegenüber ging die Erstbehörde - vor allem gestützt auf den Inhalt des Interpol-Fahndungsersuchens - offenbar davon aus, der Beschwerdeführer sei nach dem Verlassen Kuwaits in Abwesenheit (nur) wegen Urkundenfälschung und Veruntreuung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden und er könne gegen dieses Urteil noch ein Rechtsmittel ergreifen, wobei das Bundesasylamt (angesichts des gewährten Abschiebungsschutzes) letztlich offen zu lassen schien, ob der Beschwerdeführer diese Straftaten tatsächlich begangen hat.
Diese - dem Vorbringen des Beschwerdeführers in maßgeblichen Punkten nicht folgende - Beurteilung der Beweisergebnisse durch das Bundesasylamt scheint die belangte Behörde nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Nicht anders lässt sich erklären, dass sie dem Bundesasylamt unterstellte, es habe das (gesamte) Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen für glaubwürdig erachtet. Der angefochtene Bescheid beruht somit auf einer aktenwidrigen Grundlage. Das führt dazu, dass nach der Begründung im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar ist, welcher "entscheidungswesentliche Sachverhalt" von der belangten Behörde "für wahr angenommen und festgestellt" wurde. Insofern liegt - mit Rücksicht auf die Bedeutung der vom Bundesasylamt nicht zugrunde gelegten Vorbringensteile für die Beurteilung des Zusammenhanges mit einem Konventionsgrund - ein schon für sich genommen die Bescheidaufhebung nach sich ziehender Begründungsmangel vor (vgl. Fälle von gleichartigen Aktenwidrigkeiten in Bescheiden der belangten Behörde betreffend zuletzt die hg. Erkenntnisse vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0607, und Zl. 2005/01/0692, mit weiteren Nachweisen).
2. Die Beschwerde ist aber auch damit im Recht, dass die nach Ansicht der belangten Behörde zutreffende und nicht ergänzungsbedürftige Beweiswürdigung des Bundesasylamtes nicht nachvollziehbar sei. Zu Recht rügt die Beschwerde, aus der Begründung ergebe sich nicht, weshalb die Erstbehörde dem Inhalt der "Ausschreibung" von Interpol Kuwait mehr Glauben schenke als dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dessen Angaben sich bei Überprüfungen (durch die österreichische Botschaft in Kuwait) immer bestätigt hätten.
Tatsächlich kann der Beweiswürdigung des Bundesasylamtes keine argumentative Auseinandersetzung mit den Ermittlungsergebnissen, insbesondere mit den Angaben des Beschwerdeführers und dem damit weitgehend im Einklang stehenden Inhalt der Botschaftsberichte, vor dem Hintergrund der Verhältnisse in Kuwait, vor allem betreffend die Situation der so genannten "Bedoun" (auch "Bedoon" oder "Bidun"), entnommen werden. Auch zum Inhalt des Interpol-Fahndungsersuchens, zu dem überdies kein Parteiengehör gewährt wurde, fehlen beweiswürdigende Überlegungen. Dieser Begründungsmangel schlägt infolge der gewählten "Verweistechnik" auf den angefochtenen Bescheid durch und stand auch der Annahme eines hinreichend "geklärten Sachverhaltes" im Sinn des Art. II Abs. 2 Z 43a EGVG entgegen (vgl. in diesem Zusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2003/20/0205, und zur Verhandlungspflicht der belangten Behörde zuletzt das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/20/0317, mit weiteren Nachweisen).
3. Der angefochtene Bescheid war daher schon angesichts dieser Mängel im bekämpften Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b, und c VwGG aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 2. März 2006
Schlagworte
Begründung Begründungsmangel Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003200014.X00Im RIS seit
04.04.2006