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19/05 Menschenrechte;Norm
EheG §23 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des S, (geboren 1980), in Wien, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Mag. Wilfried Embacher, Mag. Dr. Roland Kier und Univ.-Prof. Dr. Richard Soyer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Ring 6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. November 2005, Zl. SD 184/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. November 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Bangladesch, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 9 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 9. Dezember 1999 illegal in das Bundesgebiet gelangt und habe einen Asylantrag gestellt, der erstinstanzlich abgewiesen worden sei. Auf Grund der Antragszurückziehung im Berufungsstadium sei die abweisende Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.
Mit Adoptionsvertrag vom 1. März 2002 habe der Beschwerdeführer beabsichtigt, seine Annahme an Kindes statt durch einen österreichischen Staatsbürger zu bewirken. Dieser Antrag sei aber mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 22. November 2002 abgewiesen worden. Das Gericht sei zur Überzeugung gelangt, es sei der alleinige Zweck dieser Adoption gewesen, dass der Wahlvater dem Beschwerdeführer zu einer Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung in Österreich verhelfen habe wollen, ohne dass eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung bestanden hätte oder hergestellt hätte werden sollen.
Am 25. Juni 2003 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und darauf gestützt die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beantragt. Der begehrte Aufenthaltstitel sei mit Gültigkeit bis zum 17. November 2004 erteilt worden. Am 27. September 2004 sei die Ehefrau des Beschwerdeführers aus eigenen Stücken bei der Erstbehörde erschienen und habe eingestanden, mit dem Beschwerdeführer eine Scheinehe eingegangen zu sein. Da sie hohe Schulden hätte, gleichzeitig zahlungsunfähig und auch schon gepfändet worden wäre, hätte sie mit dem Beschwerdeführer vereinbart, dass er sie finanziell unterstützen müsste. Sie hätten sich auf einen monatlichen Betrag von EUR 300,-- geeinigt, diese Summe sollte für die Dauer von drei Jahren bezahlt werden, insgesamt sohin EUR 10.800,--. Nach der Heirat hätte sie einmal EUR 50,--, einmal EUR 100,-- - je nach Dringlichkeit - erhalten, nie aber den vereinbarten Betrag. Es wäre ihr von Anfang an bewusst gewesen, dass sie gegen Bezahlung eine Scheinehe eingegangen wäre. Der Beschwerdeführer hätte nie bei ihr geschlafen oder gar bei ihr gewohnt.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. März 2005 (rechtskräftig seit 20. Oktober 2005) sei die Ehe des Beschwerdeführers gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden. Solcherart sei die belangte Behörde zu der Überzeugung gelangt, dass der im § 36 Abs. 2 Z 9 FrG normierte Sachverhalt verwirklicht sei. Daran vermöge auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Zunächst sei festzuhalten, dass er auf Grund der rechtskräftigen Nichtigerklärung nicht Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers sei. Aus demselben Grund gingen auch seine Beteuerungen, dass es sich um eine aufrechte Ehe gehandelt hätte, ins Leere. Was schließlich den festgestellten Vermögensfluss betreffe, so könne die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers keine Glaubwürdigkeit beimessen. Abgesehen von den niederschriftlichen Angaben seiner ehemaligen Ehefrau sei nämlich auch ein "Ehevertrag" aktenkundig, der eine Bezahlung von EUR 1.800,-- vor der Eheschließung und monatliche Raten von EUR 300,-- bis zum Restbetrag von EUR 3.900,-- , die der Beschwerdeführer an die ehemalige Ehefrau hätte zahlen sollen, enthalte. Dieser Ehevertrag sei von beiden Ehegatten unterschrieben worden. Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber einwende, es würde sich hiebei um monatliche Unterhaltsbeiträge handeln, die nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern ihm auch ein persönliches Bedürfnis wären, so sei dies nicht nachvollziehbar. Dagegen spreche nämlich eine Zahlung vor der standesamtlichen Hochzeit und die Festlegung eines Gesamtbetrags. Schlüssig und nachvollziehbar blieben hingegen die Angaben der ehemaligen Ehefrau, dass es sich hiebei um das vereinbarte Entgelt für die Eheschließung handle. Solcherart seien die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen.
Der Beschwerdeführer sei - wie dargestellt - ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen im Bundesgebiet seien nicht aktenkundig. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses maßgebliche Interesse verstoße jedoch gravierend, wer zur Erlangung eines Aufenthaltstitels (nach fehlgeschlagener Adoption) eine Scheinehe eingehe, und hiefür einen Vermögensvorteil leiste. Die solcherart bewirkte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sei von solchem Gewicht, dass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbots als dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG erweise.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst zu bedenken, dass der Beschwerdeführer auf keine gewichtige Integration in Österreich verweisen könne. Der überwiegende Teil seines Aufenthalts habe sich auf einen Asylantrag gestützt, der sich als unberechtigt erwiesen habe, der übrige Verbleib auf die genannte Scheinehe. Auch angesichts des Mangels familiärer Bindungen in Österreich sei das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzusprechende Interesse an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet selbst unter Berücksichtigung seiner nunmehrigen selbständigen Tätigkeit als Textilhändler keinesfalls schwerwiegend. Demgegenüber stehe jedoch das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geregelten Fremdenwesens und an der Verhinderung von Scheinehen. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wögen als das in seinem Fehlverhalten gegründete öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und von diesem fernbleibe. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung dazu gesehen, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die besagte Ehe des Beschwerdeführers mit Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt wurde und bestreitet weiters nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen betreffend die Leistung eines Vermögensvorteils für diese Eheschließung und die Beantragung einer Niederlassungsbewilligung unter Berufung auf diese Ehe. Durch das besagte Urteil wurde bindend festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zu einem der im § 23 Abs. 1 des Ehegesetzes genannten Zwecke geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen. Vor diesem Hintergrund erfüllt das Verhalten des Beschwerdeführers den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 9 FrG.
Angesichts des hohen Stellenwerts, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zukommt, kann es entgegen der Beschwerde nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall auch die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt erachtete. An dieser Beurteilung vermag der Hinweis des Beschwerdeführers, dass die Eheschließung bereits zweieinhalb Jahre zurückliege, dass er sich (behauptetermaßen) seither nichts habe zu Schulden kommen lassen und dass er im Übrigen bislang einen tadellosen Lebenswandel aufweise, nichts zu ändern.
2.1. Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, dass das Aufenthaltsverbot schon auf Grund seiner langjährigen Erwerbstätigkeit einen intensiven Eingriff in seine durch § 37 FrG geschützten Rechte bewirke. Ferner stehe er in Österreich in einer Lebensgemeinschaft mit einer in Österreich langjährig rechtmäßig niedergelassenen philippinischen Staatsangehörigen, die legal erwerbstätig sei. Die belangte Behörde habe sich in keiner Weise mit der speziellen Situation des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin beschäftigt. Seiner Lebensgefährtin sei ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland des Beschwerdeführers jedenfalls nicht zuzumuten. Zudem habe der Beschwerdeführer beabsichtigt, die besagte Lebensgefährtin in den nächsten Wochen zu heiraten. Weiters befinde sich der gesamte Bekannten- und Freundeskreis des Beschwerdeführers in Österreich, in seinem Heimatland habe er keine diesbezüglichen Bindungen mehr.
2.2. Auf dem Boden der insoweit unstrittigen Feststellungen hat die belangte Behörde zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in die privaten Interessen des Beschwerdeführers an seinem Verbleib in Österreich angenommen. Ihre Auffassung, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, erweist sich aber bei Bedachtnahme auf diese private Interessenlage - auch unter Berücksichtigung der in der Beschwerde ins Treffen geführten Lebensgemeinschaft - ebenso als zutreffend. Der Beschwerdeführer beeinträchtigte durch sein Fehlverhalten das öffentliche Interesse an der Einhaltung der für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend. Von daher treten die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber dem besagten öffentlichen Interesse zurück. Angesichts des solcherart gegebenen großen öffentlichen Interesses an der Erlassung des Aufenthaltsverbots konnte auch die Interessenabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Dem Vorbringen, der Beschwerdeführer habe keine Bindungen zu seiner Heimat, ist entgegenzuhalten, dass vom § 37 FrG die Führung eines Privat- und Familienlebens außerhalb Österreichs nicht gewährleistet wird, und ferner mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2004/18/0401, mwH). Die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers müssen angesichts des dargestellten großen öffentlichen Interesses an der Erlassung dieser fremdenpolizeilichen Maßnahme in Kauf genommen werden. Ungeachtet dessen gibt die Beschwerde auch keine Anhaltspunkte dafür, dass ein (wenn auch eingeschränkter) Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin nicht durch Besuche im Ausland aufrechterhalten werden könnte.
3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbots zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
4. Auf dem Boden des Gesagten erweisen sich die Verfahrensrügen, die belangte Behörde habe hinsichtlich ihrer Beurteilung nach den §§ 36 und 37 FrG das Ermittlungsverfahren mangelhaft geführt und den angefochtenen Bescheid nicht ausreichend begründet, als nicht zielführend.
5. Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte im Grund des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 15. März 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005180725.X00Im RIS seit
14.04.2006