TE Vfgh Beschluss 2002/2/25 B1586/01

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §87 Abs3
ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung wegen Versäumnis der Frist zur Einbringung eines nachträglichen Abtretungsantrages; Fehlen eines Handaktes bzw sonstiger Unterlagen zur Beschwerde in der Kanzlei des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers kein minderer Grad des Versehens; Zurückweisung des Antrages auf Abtretung an VwGH wegen Fristversäumung

Spruch

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

2. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2001 erhoben die Einschreiter Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 31. Mai 2001, Zl. Ib-17037/1. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der genannten Beschwerde mit Beschluß vom 24. September 2001, den Einschreitern zugestellt am 19. Oktober 2001, ab.

2.1. Mit einem am 26. November 2001 zur Post gegebenen Schriftsatz stellen die Einschreiter nunmehr den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung eines (nachträglichen) Abtretungsantrages gemäß §87 VfGG 1953 und beantragen unter einem die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

2.2. Begründet wird der Antrag im wesentlichen damit, daß der Rechtsvertreter der Einschreiter den Ablehnungsbeschluß des "Verwaltungsgerichtshofes" (gemeint wohl: Verfassungsgerichtshofes) mit der Steuerberatungskanzlei besprechen wollte, deren selbst verfaßte Verfassungsgerichtshofbeschwerde er unterschrieben hatte, und es zu dieser Besprechung nicht gekommen sei, da sich der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes in einem anderen Akt "in einer Büroklammer von zwei zusammengehefteten Umsatzsteuererklärungen verfangen" habe.

Ein Handakt über die Verfassungsgerichtshofbeschwerde sei nicht angelegt worden, weil sich auch ansonsten keinerlei Unterlagen zu dieser Rechtssache in der Kanzlei der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer befunden hätten und lediglich noch damit gerechnet worden sei, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes an die Steuerberatungskanzlei weiterzuleiten.

2.3. Am 19. Oktober 2001 wurde der Beschluß des Verfassungsgerichtshofes an die Rechtsvertreter der Beschwerdeführer zugestellt. Diesen Beschluß habe der Rechtsvertreter am 22. Oktober 2001 gemeinsam mit einigen weiteren Akten bei einer Besprechung in der Steuerberatungskanzlei erörtern wollen. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, da der Beschluß auf Grund eines Versehens - es handle sich um einen Vorgang, der nicht mehr genau nachvollziehbar sei - in einen anderen Akt gerutscht sei, es sich gegenständlich aber auch um keinen vom Rechtsanwalt selbst geführten Akt gehandelt habe, weshalb "dieser Akt auch gedanklich nicht 'präsent'" gewesen sei, und der Rechtsanwalt - in der Annahme, daß alles besprochen wäre - die Akten wieder habe ablegen lassen. Am 14. November 2001 habe die zuständige Sachbearbeiterin bei der Bearbeitung eines Aktes den gegenständlichen Beschluß entdeckt, den sie daraufhin an den Rechtsvertreter weitergegeben habe. Damit habe der Rechtsvertreter der Einschreiter am 14. November 2001 Kenntnis von der Fristversäumnis erlangt, womit der Hinderungsgrund weggefallen sei.

II. 1.1. Da das VfGG 1953 in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde, und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

1.2. Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 11.706/1988, 14.822/1997 sowie den hg. Beschluß vom 11. Oktober 2001, B1681/00).

2. Davon kann aber im vorliegenden Fall keine Rede sein. Nach Lage des Falles kann nicht angenommen werden, daß die Beschwerdeführer oder ihren Rechtsvertreter, für den die Verschuldensregelung des §146 Abs1 ZPO gleichfalls gilt (vgl. VfSlg. 15.539/1999), bloß ein minderer Grad des Versehens bei der Versäumung trifft. Es bedarf nämlich im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Terminen eines Mindestmaßes an Sorgfalt sowie der Einrichtung einer - möglichst effizienten - Organisation, welche geeignet ist, Fristversäumungen zu verhindern (vgl. VfSlg. 15.692/1999). Im vorliegenden Fall wurde über die Beschwerde jedoch weder ein Handakt angelegt noch befanden sich sonst Unterlagen zu der Beschwerde in der Kanzlei. Bei einer solchen Vorgangsweise ist die rechtzeitige Vornahme der fraglichen Prozeßhandlung nicht durch ein unabwendbares Ereignis verhindert worden. Der Verfassungsgerichtshof vermag dieses Vorgehen auch nicht als leichte Fahrlässigkeit zu werten.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher wegen Mangels der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung abzuweisen (§35 VfGG 1953 iVm §§146 ff ZPO).

III. Der vorliegende Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erweist sich demnach wegen Versäumung der ab Zustellung des Beschlusses über die Ablehnung der Behandlung der Beschwerde an die Einschreiter (19. Oktober 2001) zu berechnenden zweiwöchigen Frist (§87 Abs3 VfGG 1953) als verspätet und ist sohin zurückzuweisen.

IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Abtretung, VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:B1586.2001

Dokumentnummer

JFT_09979775_01B01586_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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