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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §19 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, in der Beschwerdesache des G R in W, vertreten durch Mag. Klemens Mayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/6, gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 7. September 2005, Zl. W00436/2004-1256, betreffend Abweisung eines Fristerstreckungsantrages und Verhängung einer Zwangsstrafe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Im Zuge eines vor der belangten Behörde anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens gegen ihn wurde der Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid der belangten Behörde vom 19. Juli 2005 für einen Vernehmungstermin am 17. August 2005 geladen. Der Beschwerdeführer leistete dieser Ladung nicht Folge und berief sich zur Rechtfertigung darauf, dass er sich zu diesem Zeitpunkt auf Urlaub befinde. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17. August 2005 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, einen Nachweis über den Urlaub und seine Unaufschiebbarkeit bis 24. August 2005 zu erbringen. Mit Antrag vom 18. August 2005 ersuchte der Beschwerdeführer die Frist zur Nachweiserbringung bis 30. August 2005 zu erstrecken.
Am 7. September 2005 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"1) Der Fristerstreckungsantrag vom 18.08.2005 für die Erbringung eines Nachweises über den Urlaub am 17.08.2005 wird abgewiesen.
2) Sie haben dem Ladungsbescheid der FMA vom 19.07.2005 für den Vernehmungstermin am 17.08.2005 ohne wichtigen Grund keine Folge geleistet. Die im Ladungsbescheid angedrohte Zwangsstrafe von 200 Euro wird daher über Sie verhängt."
Der angefochtene Bescheid enthält neben einer Begründung die Rechtsmittelbelehrung, wonach dagegen gemäß § 22 Abs. 2 des Finanzmarktaufsichtsbehördengesetzes, BGBl. I Nr. 97/2001 (im Folgenden: FMABG) kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluss vom 28. November 2005, B 3228/05-8, die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerde ist aus folgenden Erwägungen mangels
Erschöpfung des Instanzenzuges unzulässig:
Art. 129a Abs. 1 Z 2 B-VG lautet:
"Art. 129a. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,
1. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen, ausgenommen Finanzstrafsachen des Bundes,
..."
§ 22 Abs. 1 und 2 FMABG lautet:
"§ 22 (1) Die FMA ist zur Vollstreckung der von ihr erlassenen Bescheide, mit Ausnahme der Verwaltungsstrafbescheide, zuständig. Das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991-VVG, BGBl. Nr. 53/1991 findet, soweit sich aus Abs. 2 nichts anderes ergibt, Anwendung.
(2) Gegen Bescheide der FMA ist, ausgenommen im Verwaltungsstrafverfahren, keine Berufung zulässig."
Die belangte Behörde hat gemäß Art. II Abs. 2 lit. A. Z 28a EGVG u.a. das AVG und das VStG anzuwenden.
Der gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 19 Abs. 1, 3 und 4 AVG lautet:
"§ 19. (1) Die Behörde ist berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt (Sitz) haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen. Im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten sind auch Ladungen von Personen, die ihren Aufenthalt (Sitz) außerhalb des Amtsbereiches des unabhängigen Verwaltungssenates haben, zulässig.
...
(3) Wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, hat die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Die Anwendung dieser Zwangsmittel ist nur zulässig, wenn sie in der Ladung angedroht waren und die Ladung zu eigenen Handen zugestellt war; sie obliegt den Vollstreckungsbehörden.
(4) Gegen die Ladung oder die Vorführung ist kein Rechtsmittel zulässig."
Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate u.a. in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt. Auch Ladungsbescheide, die in Verwaltungsstrafverfahren (II. Teil des VStG) oder in Verfahren zur Strafvollstreckung (III. Teil des VStG) erlassen werden, ergehen "in Verfahren wegen Verwaltungsübertretungen" im Verständnis der zitierten Verfassungsbestimmung, weshalb etwa der in § 19 Abs. 4 AVG enthaltene Rechtsmittelausschluss nur den administrativen Instanzenzug umfasst, also einer Anrufung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht entgegensteht, ja diese sogar eröffnet (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 14. November 2001, Zl. 2000/03/0292, sowie - in Ansehung der dort im Zusammenhang mit der Beurteilung eines im Dienste der Strafjustiz ergangenen Ladungsbescheides getroffenen allgemeinen Aussagen - jenen vom 18. Februar 2003, Zl. 2001/01/0188). Nichts anderes gilt nach dem erstgenannten Beschluss für die Vollstreckung eines im Rahmen eines Verfahrens nach dem III. Teil des VStG ergangenen Ladungsbescheides durch Anordnung einer zwangsweisen Vorführung. Auch das diesbezügliche Verfahren zur Vollstreckung des im Strafvollzugsverfahren ergangenen Ladungsbescheides wird letztendlich - so führte der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluss aus - "wegen Verwaltungsübertretungen" geführt (vgl. hiezu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. Oktober 1997, VfSlg. Nr. 14.957).
Diese Überlegung ist auch auf den hier angefochtenen Bescheid zu übertragen. Die darin ergangenen Absprüche dienten der Vollstreckung eines - hier allerdings im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens (II. Teil des VStG) - ergangenen Ladungsbescheides und damit der Durchführung des verwaltungsstrafrechtlichen Erkenntnisverfahrens. Es ist daher auch hier davon zu sprechen, dass das auf den angefochtenen Bescheid bezügliche Verfahren, welches - wie der angefochtene Bescheid selbst - der Vollstreckung des Ladungsbescheides und damit der Durchführung des verwaltungsstrafrechtlichen Erkenntnisverfahrens diente, letztendlich "wegen Verwaltungsübertretungen" geführt wurde und folglich dem Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG unterfällt.
Damit ist aber auch die Bestimmung des § 22 Abs. 2 FMABG vorliegendenfalls verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der hier angefochtene Bescheid im Verständnis der eben zitierten Gesetzesbestimmung als ein solcher anzusehen ist, der "im Verwaltungsstrafverfahren" ergangen ist. Er ist daher vom Rechtsmittelausschluss des § 22 Abs. 2 FMABG nicht umfasst.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichterschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen.
Wien, am 20. März 2006
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006170026.X00Im RIS seit
17.07.2006Zuletzt aktualisiert am
12.05.2014