TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/20 2005/17/0066

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Veröffentlicht am 20.03.2006
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
55 Wirtschaftslenkung;

Norm

AMA-Gesetz 1992 §21a;
AMA-Gesetz 1992 §21g;
BAO §201;
B-VG Art140;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2005/17/0067 2005/17/0069 2005/17/0068

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerden

1.

der S GmbH in W (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0066),

2.

der D GmbH in E (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0067),

3.

des GS in S (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0068) und

4.

der J GmbH & Co KG in P (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0069),

alle vertreten durch Dr. Josef Hofer und Mag. Dr. Thomas Humer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen die Bescheide jeweils des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

ad 1. vom 7. März 2005, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0260-I/7/2005,

ad 2. vom 8. März 2005, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0273-I/7/2005, ad 3. vom 7. März 2005, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0262-I/7/2005, und ad 4. vom 8. März 2005, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0274-I/7/2005, jeweils betreffend Abweisung von Berufungen gegen die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen für die Schlachtung von Rindern, Kälbern, Schweinen, Lämmern und Schafen in den Beitragszeiträumen September und Oktober 2004 (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0066), Juli und August sowie Oktober und November 2004

(hg. Verfahren Zl. 2005/17/0067), August und September 2004

(hg. Verfahren Zl. 2005/17/0068) und September und Oktober 2004 (hg. Verfahren Zl. 2005/17/0069) und die Vorschreibung von Erhöhungsbeiträgen gemäß § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz 1992 sowie die Abweisung von Anträgen auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, Akteneinsicht und Unterbrechung des Verfahrens

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerden werden, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 3. des jeweils angefochtenen Bescheides richten, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen werden die Beschwerden abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund jeweils Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde die Berufung der jeweiligen beschwerdeführenden Partei gegen die Vorschreibung von Agrarmarketingbeiträgen und die Vorschreibung von Erhöhungsbeträgen gemäß § 21g AMA-Gesetz 1992 abgewiesen (Spruchpunkte 1. und 2. des jeweiligen Bescheides) sowie dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, Fällung einer Senatsentscheidung, Akteneinsicht und Unterbrechung des Verfahrens keine Folge gegeben (Spruchpunkt 3.).

Die belangte Behörde führte in den angefochtenen Bescheiden (nach Wiedergabe der einschlägigen Vorschriften des AMA-Gesetzes 1992 betreffend die Einhebung von Agrarmarketingbeiträgen) im Wesentlichen übereinstimmend aus, es liege zwar ihrer Ansicht nach keine Beihilfe vor, aber es spiele die "Thematik keine wesentliche Rolle" mehr, weil selbst bei Vorliegen einer Beihilfe bei Gütesiegel-Maßnahmen das Durchführungsverbot für Vorschreibungen, die sich auf Zeiträume ab Juli 2004 bezögen, nicht mehr bestehe. Die belangte Behörde verwies hiezu darauf, dass die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 30. Juni 2004, C(2004)2037fin, betreffend staatliche Beihilfe NN 34A/2000 - Österreich, die angemeldeten Maßnahmen im Bereich des Gütesiegels und Biozeichens (Werbemaßnahmen, Qualitätssicherung, Öffentlichkeitsarbeit und Qualitätskontrollen und Projekte zur Übermittlung allgemeiner Informationen) mit dem Gemeinsamen Markt nach Art. 87 Abs. 3 Buchstabe c EG-Vertrag als vereinbar angesehen habe. Die belangte Behörde ging sodann auf Zweifel der beschwerdeführenden Parteien betreffend die Zugänglichkeit des AMA-Gütesiegels für ausländische Erzeugnisse ein und stellte fest, dass sich die von der (jeweiligen) beschwerdeführenden Partei genannten Bespiele "betreffend Betriebsbeihilfe, AMA-Werbung in Verbindung mit privat finanzierter Werbung und Gütesiegel-Anteil laut AMA-Schreiben" auf die Jahre 2002, 2003 sowie 2000 bezögen und nicht auf die berufungsgegenständlichen Zeiträume.

Zu den Erhöhungsbeträgen im Ausmaß von 20 % bzw. 30 % werde im Hinblick auf den gesetzlichen Rahmen bis zum Doppelten des Abgabenbetrages ausgeführt, dass diese innerhalb der gesetzlichen Bandbreite lägen und im Hinblick darauf, dass die je beschwerdeführende Partei seit Juli 2004 bis zum Zeitpunkt der Beitragsvorschreibung bereits dreimal den gesetzlichen Termin zur Einreichung der Beitragserklärung offensichtlich bewusst nicht eingehalten habe, gerechtfertigt seien (die Erhöhung um 30 % sei wegen der wiederholten Nichtentrichtung gerechtfertigt).

Zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung wird bemerkt, dass eine solche nur im Verfahren vor Berufungssenaten vorgesehen sei.

Senatsentscheidungen seien nur gegen von Finanzämtern oder Finanzlandesdirektionen erlassene Bescheide vorgesehen. Da im Gegenstand keine Senatszuständigkeit vorliege, sei den Anträgen keine Folge zu geben gewesen.

In der Folge ging die belangte Behörde auf Berufungsvorbringen betreffend aktuelle Fernsehwerbungsspots ein.

Zum Antrag auf Einsichtnahme in den Jahresbericht 2004 wurde ausgeführt, dass diese nicht möglich sei, weil der Bericht noch nicht existiere. Zum Antrag auf Einsichtnahme in jene Akten, "in denen die Beihilfenanmeldung, die vermeintliche Beihilfenanmeldung und/oder jene Aktenteile enthalten sind, die in formeller Weise sehr wohl die Anforderungen für die Anmeldung einer Beihilfe erfüllen," wurde ausgeführt, dass die Frage, ob eine Beihilfenanmeldung vorliege, ausschließlich von der Kommission zu beurteilen sei.

1.2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, in denen ausdrücklich erklärt wird, dass der jeweilige Bescheid zur Gänze angefochten werde.

Die belangte Behörde hat jeweils die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben ihr Vorbringen vor dem Verwaltungsgerichtshof mit Schriftsätzen vom 8. bzw. 11. Juli 2005 und vom 2. Jänner 2006 noch ergänzt.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdeverfahren wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und über die Beschwerden erwogen:

2.1. Die vorliegenden Beschwerdefälle gleichen sowohl in sachlicher wie in rechtlicher Hinsicht denjenigen, die mit hg. Erkenntnis vom 1. Juli 2005, Zlen. 2005/17/0070 bis 0073, (betreffend den Spruchpunkt I.) und mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/17/0230, (betreffend Spruchpunkt II., zum Erhöhungsbetrag siehe unten unter 2.2.) entschieden wurden. Auf die jeweilige diesbezügliche Begründung kann daher gemäß § 43 Abs. 2 (iVm Abs. 9) VwGG verwiesen werden.

2.2. Die beschwerdeführenden Parteien wenden sich im Übrigen noch gegen die Verhängung von Erhöhungsbeträgen. Sie bringen in diesem Zusammenhang vor, dass ihnen bisher das Erkennen der Beitragsschuld nicht zugemutet habe werden können. Es bestünden verfassungsrechtliche Bedenken in die Richtung, dass es einen Exzess des Gesetzgebers bedeute, das Doppelte des Betrages als Erhöhung vorschreiben zu können. Auch werde ein wirksamer Rechtsschutz beseitigt; ein Bescheid werde nämlich nur erlassen, wenn der Beitrag vom Beitragsschuldner nicht entrichtet werde. Um diese Rechtsfolge (gemeint offenbar der Verhängung eines Erhöhungsbetrages) zu vermeiden, müsste der Beitragsschuldner die Beitragserklärung abgeben, Zahlung leisten und sodann ein Rückforderungsbegehren stellen. Dies sei mit dem Durchführungsverbot bei parafiskalisch finanzierten Beitragssystemen nicht in Einklang zu bringen. Der Beschwerdevertreter habe den beschwerdeführenden Parteien zunächst nach Vorliegen der Entscheidung der Kommission vom 30. Juni 2004 die Empfehlung abgegeben, die Agrarmarketingbeiträge zu entrichten. In der Folge habe er jedoch diese Empfehlung nach näherer Prüfung wieder abgeändert. Die Rechtslage sei auch nach dem 30. Juni 2004 unklar.

Nach § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz 1992 in der Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 108/2001, kann die AMA, wenn sie feststellt, dass der Beitrag nicht oder nicht in der richtigen Höhe entrichtet wurde, eine Erhöhung bis zum Zweifachen des Beitrages vorschreiben. Bei der Festsetzung dieser Erhöhung ist zu berücksichtigen, inwieweit dem Beitragsschuldner bei Beachtung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Beitragsschuld zugemutet werden konnte und die Nichtentrichtung oder nicht richtige Entrichtung erstmalig oder wiederholt erfolgt ist. Bei verspäteter Entrichtung kann die AMA, soweit es im Einzelfall keine unbillige Härte bedeutet, Verzugszinsen vorschreiben, deren Höhe den Basiszinssatz um 3 v.H. übersteigt.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien verfassungsrechtliche Bedenken vorbringen, kann etwa auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2006, B 919/05-8, verwiesen werden. Mit diesem hat der Verfassungsgerichtshof - wie in einer Anzahl gleichgelagerter Fälle - die verfassungsrechtlichen Bedenken der dort beschwerdeführenden Partei, vertreten durch den auch im vorliegenden Beschwerdefall einschreitenden Rechtsanwalt, nicht geteilt. Der Verfassungsgerichtshof hat dabei insbesondere auf die durch § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz 1992 eingeräumte Möglichkeit verwiesen, die Festsetzung einer Beitragserhöhung von der Zumutbarkeit des Erkennens der Beitragsschuld und deren konkreter Höhe abhängig zu machen. Auf dem Boden dieser vom Verwaltungsgerichtshof geteilten Auffassung sieht sich dieser nicht veranlasst, die Frage der Verfassungskonformität des § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz 1992 an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

Soweit die beschwerdeführenden Parteien auch in diesem Zusammenhang gemeinschaftsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das Durchführungsverbot für (verbotene) Beihilfen äußern, kann auf die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/17/0230, insbesondere im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Nazairdis SAS verwiesen werden, wonach jedenfalls kein Durchführungsverbot im gegebenen Zusammenhang zu beachten ist.

Im Hinblick auf die konkrete, in den jeweiligen Beschwerdefällen festgesetzte Höhe des Erhöhungsbetrages bringt die jeweils beschwerdeführende Partei weiter nichts vor. Eine Verletzung der beschwerdeführenden Parteien in ihren subjektiven Rechten kann der Verwaltungsgerichtshof angesichts des durch § 21g Abs. 3 AMA-Gesetz 1992 vorgegebenen Rahmens auch nicht erkennen. Soweit ein Mangel der Erkennbarkeit der Beitragsschuld behauptet wird, teilt der Verwaltungsgerichtshof diese Ansicht nicht:

Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes vertreten in Fällen der Bekämpfung einer Selbstbemessungsabgabe in ständiger Rechtsprechung, dass es möglich und dem Abgabepflichtigen zumutbar ist, einen Antrag auf Rückerstattung der von ihm im Wege der Selbstbemessung entrichteten Abgabe mit der Begründung zu stellen, die Abgabenentrichtung hätte sich etwa im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes als unrichtig erwiesen (vgl. den hg. Beschluss vom 26. April 1999, Zl. 99/17/0173, mwN auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Dies hat auch in den hier zu beurteilenden Fällen zu gelten, wo die Gemeinschaftskonformität des Agrarmarketingbeitrages von den beschwerdeführenden Parteien in Zweifel gezogen wurde. Wie sie vorgebracht haben, hat der Beschwerdevertreter nach Ergehen der Kommissionsentscheidung vom 30. Juni 2004 selbst eine derartige Vorgangsweise (zunächst) vorgeschlagen.

2.3. Aus den in den verwiesenen Erkenntnissen näher dargelegten und aus den oben unter Punkt 2.2. ausgeführten Erwägungen folgt, dass auch in den vorliegenden Verfahren die beschwerdeführenden Parteien durch die jeweils angefochtenen Bescheide in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden sind.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, soweit nicht mit Zurückweisung vorzugehen war.

2.4. Von den jeweils beantragten mündlichen Verhandlungen konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Begründung im hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/17/0230, verwiesen.

2.5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 20. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005170066.X00

Im RIS seit

18.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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