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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr Art7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in S, vertreten durch Dr. Horst Brunner und Dr. Emilio Stock, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Jochbergerstraße 98, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. Dezember 2002, Zl. UVS 30.10-3/2002-25, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der N. GmbH zu verantworten, dass der Arbeitnehmer W. während näher genannter Zeiten zwischen
6. und 8. Februar 2000 mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges zur Güterbeförderung beschäftigt gewesen sei, wodurch im Einzelnen genannte Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) bzw. der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85, konkret Vorschriften über die zulässigen Lenk- und Einsatzzeiten sowie über die Einhaltung von Lenkpausen und täglichen Ruhezeiten, übertreten worden seien. Über den Beschwerdeführer wurden gemäß § 28 AZG vier Geldstrafen (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt. Außerdem ergänzte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahin, "dass die Fahrten im internationalen Straßenverkehr stattgefunden haben".
Zur Begründung führte sie - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, der Kraftfahrzeuglenker W. sei der N. GmbH von einem anderen Unternehmen als Arbeitskraft überlassen worden, sodass der Beschwerdeführer als Beschäftiger (gemeint: als nach außen zur Vertretung befugtes Organ des Beschäftigers) gemäß § 6 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz als Arbeitgeber im Sinne der Arbeitnehmerschutzvorschriften, somit auch im Sinne des § 28 AZG, anzusehen sei. Eine Übertragung der Verantwortung des Beschwerdeführers auf einen verantwortlichen Beauftragten sei nicht rechtswirksam erfolgt. Der Beschwerdeführer habe nämlich zwei Personen (darunter den Überlasser der in Rede stehenden Arbeitskraft) mit völlig gleich lautenden Bestellungsurkunden zu verantwortlichen Beauftragten bestellt. Da der Verantwortungsbereich dieser beiden Personen somit nicht klar abgegrenzt im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG sei, liege eine rechtswirksame Bestellung zu verantwortlichen Beauftragten nicht vor. Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes sei anhand der bei der Anhaltung des Arbeitnehmers kontrollierten Tachographenschaublätter und der darauf festgehaltenen Lenkzeiten erwiesen. Zum Erfordernis der Ergänzung der Tatumschreibung verwies die belangte Behörde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Zur subjektiven Tatseite führte die belangte Behörde aus, es handle sich gegenständlich um so genannte Ungehorsamsdelikte. Dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, das Fehlen des Verschuldens an der Verletzung der genannten Rechtsvorschriften im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG glaubhaft zu machen, weil er die Einrichtung eines funktionierenden Kontrollsystems nicht dargelegt habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Der Beschwerdeführer macht gegen den angefochtenen Bescheid geltend, die belangte Behörde habe übersehen, dass Verfolgungsverjährung eingetreten sei, weil in der Verfolgungshandlung nicht angelastet worden sei, dass die Übertretung "im internationalen Straßenverkehr" erfolgt sei. Die belangte Behörde habe daher, weil das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen gewesen sei, den Spruch des Straferkenntnisses nicht ergänzen dürfen.
Diesem Vorbringen ist zunächst zu erwidern, dass die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, dass bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z. 1 VStG) im Spruch des Strafbescheides zum Ausdruck kommen muss, wenn die Verstöße gegen arbeitszeitrechtliche Vorschriften im internationalen Straßenverkehr begangen wurden (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zlen. 2000/11/0294 bis 0300). Die Beschwerde meint, dass ein solcher Hinweis auch schon in der Verfolgungshandlung enthalten sein müsse und dass bei Fehlen eines solchen Hinweises das Strafverfahren einzustellen sei. Dieser Rechtsauffassung ist der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 23. Oktober 2001, Zl. 2000/11/0273, entgegengetreten und hat ausgeführt, dass für die Eignung einer Aufforderung zur Rechtfertigung als Verfolgungshandlung die darin enthaltene Angabe, dass die Übertretung bei der Beschäftigung im internationalen Straßenverkehr begangen wurde, nicht maßgebend ist. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf hingewiesen, der Umstand, dass die Übertretung im "internationalen Straßenverkehr" begangen wurde, sei wesentlich für die Anwendung des § 28 Abs. 3 und 4 AZG, somit einerseits für die Bezeichnung der verletzten Rechtsvorschrift und andererseits für die Dauer der Verjährungsfrist. Daraus ergibt sich, dass der Hinweis auf die Beschäftigung "im internationalen Straßenverkehr" die rechtliche Beurteilung der Tat betrifft und schon deshalb kein notwendiges Element der Verfolgungshandlung darstellt (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, unter E 109 zu § 32 VStG referierte hg. Judikatur).
Im vorliegenden Fall bleibt in der Beschwerde unbestritten, dass der Arbeitnehmer zu den angeführten Tatzeiten als Lenker eines Kraftfahrzeuges im internationalen Straßenverkehr beschäftigt war. Dies hat gemäß § 28 Abs. 4 AZG zur Folge, dass die Verjährungsfrist abweichend vom § 31 Abs. 2 VStG ein Jahr, gerechnet ab dem Ende des strafbaren Verhaltens (hier: ab dem 8. Februar 2000), betrug. Nach dem vorliegenden Verwaltungsakt wurden dem Beschwerdeführer innerhalb dieser Frist die in Rede stehenden Taten mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. Jänner 2001 (in der nach dem Gesagten ein Hinweis auf den internationalen Straßenverkehr noch nicht enthalten sein musste) angelastet. Der Verjährungseinwand erweist sich daher als unzutreffend.
Der Beschwerdeführer wendet sich in seinem weiteren Vorbringen gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass die Bestellung des Überlassers des in Rede stehenden Arbeitnehmers zum verantwortlichen Beauftragten rechtsunwirksam gewesen sei. Richtig sei zwar, dass zwei verantwortliche Beauftragte bestellt worden seien, doch habe es sich dabei nicht um zwei gleich lautende Bestellungen gehandelt. Der Beschwerdeführer habe nämlich bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass sich der Verantwortungsbereich des einen verantwortlichen Beauftragten, nämlich des Überlassers der in Rede stehenden Arbeitskraft, auf alle "von ihm beschäftigten (gemeint: von ihm der N. GmbH überlassenen) Dienstnehmer" und der Verantwortungsbereich des anderen verantwortlichen Beauftragten auf die übrigen von der N. GmbH beschäftigten Dienstnehmer bezogen habe.
Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der beiden verantwortlichen Beauftragten nach dem Kreis der von ihnen zu kontrollierenden Dienstnehmer aus keiner der beiden Bestellungsurkunden vom 1. Februar 2000, die sich im Verwaltungsakt befinden und die wörtlich gleich lautend sind, hervorgeht. Wenn die Beschwerde weiters meint, eine Zuordnung der Dienstnehmer und damit eine Abgrenzung der Verantwortungsbereiche der beiden verantwortlichen Beauftragten hätte leicht durch eine Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger festgestellt werden können, so wird mit diesem Vorbringen geradezu bestätigt, dass eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche im Sinne des § 9 Abs. 4 VStG nicht vorlag. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sollen die Verwaltungsstrafbehörden bei der Beurteilung des Verantwortungsbereiches nämlich nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben werden, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Jedenfalls soll vermieden werden, dass Zweifel am Umfang des Verantwortungsbereiches entstehen und als deren Folge die Begehung von Verwaltungsübertretungen allenfalls überhaupt ungesühnt bleibt (vgl. die in Walter/Thienel, aaO, unter E 156 zu § 9 VStG referierte Judikatur, und daran anschließend etwa das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2003, Zl. 2002/09/0021). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei in einem anderen Verwaltungsstrafverfahren von der Rechtswirksamkeit einer dieser Bestellungen zum verantwortlichen Beauftragten ausgegangen, hat die belangte Behörde schon im angefochtenen Bescheid entgegengehalten, dass im betreffenden Strafverfahren eine Mehrfachbestellung für denselben Verantwortungsbereich nicht hervorgekommen ist. Ungeachtet dessen kann auch eine abweichende Beurteilung der Vorfrage der Rechtswirksamkeit der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten in einem anderen Verwaltungsverfahren keine Bindungswirkung für das gegenständliche Verfahren entfalten (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 9. August 1994, Zl. 94/11/0207). Da der Beschwerdeführer somit nicht von der Rechtswirksamkeit der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ausgehen durfte, kommt ihm, anders als er meint, auch ein schuldbefreiender Rechtsirrtum nicht zu Gute.
Schließlich ist auch der Einwand in der Beschwerde, die belangte Behörde habe die beiden Bestellungsurkunden vom 1. Februar 2000 in der durchgeführten Berufungsverhandlung nicht verlesen und sie dürfe daher gemäß § 51i zweiter Satz VStG ihre Entscheidung nicht darauf stützen, nicht zielführend. Wie nämlich die Verhandlungsschriften der belangten Behörde vom 13. November 2002 und vom 6. Dezember 2002 zeigen, war die Frage der Bestellung von verantwortlichen Beauftragten - der Beschwerdeführer hatte die beiden Bestellungsurkunden im Verwaltungsverfahren selbst vorgelegt - eines der Hauptthemen der Verhandlung. In der Verhandlung vom 13. November 2002 (Niederschrift S. 3) hat der Beschwerdeführer zum Beweis für sein Vorbringen auch ausdrücklich auf diese Bestellungsurkunden hingewiesen. Diese Beweismittel sind somit zweifellos in der Verhandlung "vorgekommen", sodass die belangte Behörde gemäß § 51i erster Satz VStG berechtigt war, diese Urkunden dem Berufungsbescheid zu Grunde zu legen (vgl. dazu auch das Erkenntnis vom 4. September 2003, Zl. 2002/09/0037).
Da die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach dem Gesagten nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. März 2006
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003110028.X00Im RIS seit
03.05.2006Zuletzt aktualisiert am
11.10.2011