TE Vfgh Beschluss 2002/2/25 A12/01

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

25 Strafprozeß, Strafvollzug
25/04 Sonstiges

Norm

B-VG Art137 / Allg
B-VG Art137 / ord Rechtsweg
ARHG §52
StGB §20b
StPO §143

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage gegen den Bund auf Zahlung einer Geldsumme als Ersatz für in einem strafgerichtlichen Verfahren beschlagnahmte und für verfallen erklärte Sachen; Verfügung der Beschlagnahme hinsichtlich aller Vermögensgegenstände des Klägers durch das Gericht; Vorliegen rechtskräftiger Entscheidungen ordentlicher Gerichte

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Der Kläger wurde im Jahr 1991 in der Schweiz aufgrund eines Haftbefehls der USA verhaftet und in der Folge an die USA ausgeliefert. Nach der Verhaftung wurde auch die in London gelegene Wohnung des Klägers durchsucht. Ein dort gefundener Schlüssel führte die Ermittler zu einem Safe in Wien. Mieter dieses Safe war der Kläger.

2. Aufgrund eines Rechtshilfeersuchens des Bundesgerichtes erster Instanz der USA für Rhode Island ordnete das Strafbezirksgericht Wien mit Beschluß vom 10.2.1992 die Beschlagnahme der in zwei Tresorfächern eines Wiener Schließfachunternehmens verwahrten Sachen an, sofern diese als Beweismittel in einem in den USA (auch) gegen den Kläger wegen des Verdachtes der Geldwäsche von Einkünften kolumbianischer Drogenhändler in der Höhe von rd. 170 Mio. US-$ anhängigen gerichtlichen Strafverfahrens von Bedeutung sein könnten. Der Inhalt der Schließfächer bestand aus Wertpapieren, Bargeld und Casino-Chips. Nach einem weiteren Rechtshilfeersuchen wurden die beschlagnahmten Gegenstände im Original den US-amerikanischen Ermittlungsbehörden als Beweismittel unter der Bedingung ihrer Rückgabe übermittelt.

3. Der Kläger wurde am 17.2.1993 von einer Jury des Distriktsgerichtes der USA für den Bezirk Rhode Island zu einer Haftstrafe von 660 Jahren wegen des organisierten Gelderwerbs durch gesetzwidrige Mittel, Geldwäsche und anderen Anklagepunkten verurteilt. Die dagegen erhobenen Rechtsmittel hatten keinen Erfolg; die Verurteilung ist rechtskräftig.

Am 12.5.1993 sprach das amerikanische Distriktsgericht aus, daß der Kläger alle im Rahmen der Verschwörung einer Geldwäsche unterzogenen Gelder verwirken solle und setzte den zu beschlagnahmenden Betrag mit 136,344.231,86 US-$ fest. Am 30.8.1993 erließ dieses Gericht eine vorläufige Beschlagnahmeverfügung.

4. In Österreich war in der Zwischenzeit gegen den Kläger beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein Strafverfahren wegen des Verdachtes eines nach §164 StGB in der seinerzeit geltenden Fassung strafbaren Verhaltens eingeleitet worden. Am 29.7.1996 erklärte die StA Wien, zu einer weiteren Verfolgung keinen Anlaß zu finden. Der Kläger beantragte daraufhin die Aufhebung der in Österreich verfügten Beschlagnahme und die Rückstellung der beschlagnahmten Gegenstände an ihn. Vor Erledigung dieses Antrages langte beim Strafbezirksgericht Wien ein weiteres Rechtshilfeersuchen des amerikanischen Distriktsgerichtes vom 14.2.1997 ein. Am 19.3.1997 gab das Strafbezirksgericht Wien dem Antrag des Klägers auf Aufhebung der Beschlagnahme der in Schließfächern sichergestellten Vermögenswerte mit Beschluß statt (Z22 HS 1781/91). Eine Verwahrung der Gegenstände gem. §1425 ABGB wurde abgelehnt. Der letzte Ausspruch wurde von der StA Wien bekämpft und vom LG für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 4.6.1997, Z13 b Bl 309/97, ersatzlos behoben. Die begehrte sofortige gerichtliche Hinterlegung wurde mangels Möglichkeit, auf die noch in der Gewahrsame der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden befindlichen Vermögenswerte zu greifen, abgelehnt, aber die Verwahrung gem. §1425 ABGB angesichts der einer Ausfolgung widerstreitenden amerikanischen Einziehungsverfügung für zulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung erhob die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes. Der OGH sprach mit Urteil vom 3.12.1997, 13 Os 180/97-6, aus, die (Rechtsmittel-)Entscheidung des LG für Strafsachen Wien habe das Gesetz in §52 Abs1 ARHG verletzt, soweit in der Entscheidung die Ansicht vertreten wurde, daß Beweisgegenstände, die unter der ausdrücklichen Bedingung der Rückstellung nach Verfahrensbeendigung im Rechtshilfeweg ausgefolgt worden seien, durch ein diese Sachen betreffendes Verfallserkenntnis eines ausländischen Gerichtes zwangsläufig der rechtlichen Verfügungsmacht des Rechtshilfegerichts entzogen würden. Der die Verwahrung für zulässig erklärende Beschluß habe keine praktische Bedeutung erlangt. Für den Fall, daß das amerikanische Gericht die Rückstellung der Depositen mit einem Ersuchen um Vollstreckung der nach amerikanischem Recht erlassenen Verfallsanordnung verknüpfen sollte, müsse die Berechtigung dieses Ersuchens Grundlage für eine die Depositen betreffende gerichtliche Verfügung sein.

5. Am 7.11.1997 erließ das amerikanische Distriktsgericht eine endgültige Verfallsanordnung. Aufgrund eines weiteren Rechtshilfeersuchens beantragte die Anklagebehörde gem. §66 ARHG die Einleitung eines Verfahrens zur Vollstreckung der endgültigen Verfallsanordnung und - als Sicherungsmaßnahme - die Erlassung einer Beschlagnahmeanordnung.

Am 12.3.1998 wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß die Beschlagnahme der noch in Gewahrsame der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden befindlichen Gegenstände verfügt (Z18a Ns 1/98).

Der Spruch dieses Beschlusses lautet wie folgt:

"Zur Sicherung der Vollstreckung der in der endgültigen Beschlagnahmeverfügung des District Court of the United States for the district of Rhode Island vom 7.11.1997, Cr. No. 91-115-01T, 91-115-02T, getroffenen vermögensrechtlichen Anordnungen werden nachstehende Verfügungen getroffen:

a) Die derzeit noch in Verwahrung der US-Behörden befindlichen und - voraussichtlich am 16.3.1998 - an die österreichischen Behörden zurückzustellenden Gegenstände werden beschlagnahmt.

Es handelt sich hiebei um

1.) SFR 600.000 Bargeld aus dem Schließfach Nr. 1005 bei Das Safe Wertfachvermietungs GMBH, Auerspergstrasse 1, A-1080 Wien, Österreich, das am 27. Februar 1992 beschlagnahmt wurde;

2.) Folgende aus dem Wertfach Nr. 349 bei Das Safe Wertfachvermietungs GMBH, Auerspergstrasse 1, A-1080 Wien, Österreich, am 27. Februar 1992 beschlagnahmten Wertgegenstände

1.) SFR 1.500.000 Bargeld

2.) AS 140.000 Bargeld

3.) U.S. 1.000 Bargeld

4.) AS 15.000 Kasino Spielmarken

5.)

Inhaberobligationen ausgestellt von der Creditanstalt-Bankverein, Schottengasse 6-8, A-1010 Wien, Österreich

A.) Urkunde Nr. 591500 - 11.2.91

SFR 280.000 (Nominalwert)

Österreichische Kontrollbank

SFR 290.000 (Nominalwert)

Festverzinsliche Wertpapiere der Weltbank

B.) Urkunde Nr. 425535 - 8.1.90

U.S. $ 186.000 (Nominalwert)

Creditanstalt Wechsel

C.) Urkunde Nr. 494013 - 14.5.90

U.S. $ 64.000 (Nominalwert)

Creditanstalt Wechsel

D.) Urkunde Nr. 494012 - 14.5.90

DM 318.000 (Nominalwert)

Festverzinsliche Wertpapiere der Deutschen Bundespost

E.) Urkunde Nr. 494011 - 14.5.90

HFL 50.000 (FV)

Holländische festverzinsliche Wertpapiere

F.) Urkunde Nr. 542410 - 8.8.90

U.S. $ 250.000 (Nominalwert)

Creditanstalt Wechsel

G.) Urkunde Nr. 542411 - 8.8.90

HFL 461.000 (Nominalwert)

Holländische Wechsel

H.) Urkunde Nr. 542412 - 8.8.90

DM 84.000

Österreichische Nationalbank

6.)

Inhaberobligationen ausgestellt von der Zentralsparkasse und Kommerzialbank, Vordere Zollamtsstraße 13, A-1030 Wien, Österreich

A.) Urkunde Nr. 800232902 - 14.5.90

US $ 281.000 (Nominalwert) - Z-float US-Wechsel

US $ 9.000 (Nominalwert)

Creditanstalt Bankverein

B.) Urkunde Nr. 800235194 - 10.8.90

SFR 480.000 (Nominalwert)

Compagnie Nat. De Rhone, SF

7.)

Inhaberobligationen ausgestellt von der Österreichischen Länderbank, Am Hof 2, A-1010 Wien, Österreich

A.) Urkunde Nr. 455188 - 30.11.90

1.)

SFR 200.000 (Nominalwert)

Europäische Investment Bonds

2.)

SFR 20.000 (Nominalwert)

Festverzinsliche Wertpapiere der Stadt Wien

3.)

SFR 7.000 (Nominalwert)

Festverzinsliche Wertpapiere der Stadt Wien

B.) Urkunde Nr. 455192 - 12.2.91

1.)

SFR 800.000 - Festverzinsliche Wertpapiere der EIB

2.)

SFR 135.000 - Festverzinsliche Wertpapiere der ENEL

C.) Urkunde Nr. 455193 - 12.2.91

SFR 6.000 - Festverzinsliche Wertpapiere der Stadt Wien

              b)              Das Konto Nr. 137-105-704 der ehemaligen Österreichischen Länderbank einschließlich der Zweigkonten 137-105-704/19, 137-105-703/68, 137-105-704/68, mit einem Guthaben von ca. US $ 500.000 in Österreichischen Schilling wird gesperrt.

              c)              S A S wird verboten, über die zu b) genannten Konten und die sich aus den zu a) genannten Urkunden ergebenden Werte zu verfügen oder irgendwelche Verfügungen zu treffen, die die Überführung der sich aus den Urkunden ergebenden Werten und der auf den zu b) genannten Konten befindlichen Guthaben an die aus der eingangs erwähnten vermögensrechtlichen Anordnung Berechtigten vereiteln, beeinträchtigen oder erschweren könnten.

              d)              Der Bank Austria als Nachfolgerin der ehemaligen Österreichischen Länderbank und der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien sowie der Creditanstalt-Bankverein wird verboten, hinsichtlich der unter a) genannten Urkunden und der zu b) genannten Konten Auszahlungen vorzunehmen oder Verfügungen welcher Art auch immer zu treffen, die die Überführung der sich aus den Urkunden und Konten ergebenden Werte an die aus den eingangs erwähnten vermögensrechtlichen Anordnungen Berechtigten vereiteln, beeinträchtigen oder erschweren könnten.

Dieser Beschluß gilt bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Verfahrens zur Vollstreckung des eingangs genannten US-amerikanischen Urteils."

Das OLG Wien gab der Beschwerde des Klägers gegen diesen Beschluß mit Beschluß vom 12.10.1998, 22 Bs 114/98, nicht statt. Es war der Ansicht, daß die mit Beschluß vom 19.3.1997 ausgesprochene Aufhebung der Beschlagnahme keine Rückführung der betroffenen Sachen in die Verfügungsgewalt des Klägers bewirkt habe, weil das Beschwerdegericht deren Verwahrung gem. §1425 ABGB für geboten gehalten habe. Der angefochtene Beschluß sei als einstweilige Verfügung anzusehen.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien, Z18 Ns 1/98, faßte am 14.6.2000 den Beschluß, die Vollstreckung der mit endgültiger Beschlagnahmeverfügung vom Distriktsgericht Rhode Island beschlagnahmten Gegenstände zu übernehmen, und erklärte die mit Beschluß des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12.3.1998 beschlagnahmten Wertgegenstände zu Gunsten der USA für verfallen. Das OLG Wien gab der Beschwerde des Klägers keine, derjenigen der StA Wien hingegen Folge und änderte die Entscheidung insofern ab, als der Verfall zu Gunsten des Bundes zu erfolgen habe (Z22 Bs 211/00 vom 7.10.2000).

6. Der Kläger hatte mittlerweile ein Amtshaftungsverfahren gegen den Bund angestrengt und den Zuspruch von ATS 83,392.219,-- sA begehrt. Er sei Eigentümer der zunächst als Beweismittel beschlagnahmten Valuten, Wertpapiere und sonstigen Wertträger. Dieses Eigentum sei ihm durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von Organen des Bundes in Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gesetzlos bzw. in denkunmöglicher Anwendung von Gesetzen entzogen worden. Die Klage wurde in allen Instanzen abgewiesen. Der OGH führte in seinem Urteil vom 29.5.2001, 1 Ob 73/01v "zusammenfassend" aus, daß "Organen des Bundes kein unvertretbar rechtswidriges Verhalten vorwerfbar" sei, "das einen aus dem Titel der Amtshaftung ersatzfähigen Vermögensschaden des Klägers verursacht haben könnte".

II. 1. Nunmehr hat der Kläger vor dem Verfassungsgerichtshof eine Klage gemäß Art137 B-VG eingebracht, mit der er vom Bund die Zahlung von ATS 84,548.898,17 sA verlangt.

2. Zur Zulässigkeit bringt er vor, daß ein gerichtlicher Beschluß nicht zu erwirken sei; das seinerzeit anhängige Verfahren, in dessen Rahmen die Beschlagnahme erfolgt sei und das Verfallsverfahren seien vollständig abgeschlossen. Eine gerichtliche Entscheidung über jene Vermögenswerte des Klägers, über welche im Verfallsbeschluß - nach Ansicht des Klägers - nicht verfügt worden sei und hinsichtlich welcher die Rückgabe noch nicht durchgeführt worden sei, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die Beschlagnahme seiner Vermögenswerte sei vom Strafbezirksgericht 1997 aufgehoben worden; bislang sei aber nichts an ihn zurückgestellt worden.

3. Zur "Berechtigung des klägerischen Anspruchs" bringt er vor, daß er unbestritten Eigentümer jener "Wertgegenstände, Wertpapiere und Gelder" sei, die in seinem Safe im Jahr 1992 gefunden und beschlagnahmt worden seien. Die Beschlagnahme sei aufgehoben worden. Die Verfallsentscheidung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien beziehe sich dem Wortlaut nach ausschließlich auf Wertgegenstände; über die Wertpapiere und über die Gelder enthalte der Spruch keine Verfügung. Wertpapiere, Forderungen sowie Bargeld würden keinesfalls unter den Begriff "Wertgegenstände" fallen. Wertpapiere seien Urkunden. Wertträger seien aber keine Wertsachen oder Wertgegenstände.

Hinsichtlich der klagsgegenständlichen Wertpapiere und Valuten sei es bei der Aufhebung der Beschlagnahme geblieben, der Bund sei zur Herausgabe verpflichtet. Nur insoweit als Wertgegenstände für verfallen erklärt wurden, könne der Bund einen Titel geschaffen haben. Dieser Titel sei aber gegenüber der Rückgabeverpflichtung nachrangig, da der Verfall nur beschlossen und vollzogen werden konnte, als der Bund mit der Rückgabe im Verzug gewesen sei. Aus diesem Verzug dürfe er aber keine Rechte ableiten.

4. Mit hg. Verfügung vom 6.11.2001 wurde der Kläger aufgefordert, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob der die Beschlagnahme behebende Beschluß des Strafbezirksgerichtes nicht vom Landesgericht für Strafsachen Wien kassiert worden sei. Der OGH habe scheinbar über eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes lediglich eine Gesetzesverletzung konstatiert, nicht aber den kassierenden Beschluß behoben. Der Kläger wurde weiters aufgefordert, alle gerichtlichen Entscheidungen, die er in seiner Klagserzählung erwähnt hatte, vorzulegen.

5.1. Der Kläger legte in der Folge alle angeforderten gerichtlichen Beschlüsse und Urteile vor; aus ihnen ergibt sich der unter I. geschilderte Gang der gerichtlichen Verfahren.

5.2. Weiters führte der Kläger aus, daß zwischen den Beschlüssen und Verfügungen, die die Beschlagnahme und jenen, welche die Ausfolgung beträfen, zu unterscheiden sei. Die Aufhebung der Beschlagnahme sei von der StA Wien nicht bekämpft worden; diese sei daher rechtskräftig beschlossen. An der Rechtskraft der Aufhebung der Beschlagnahme vermöge der später ergangene, den Antrag und Beschwerdegegenstand weit übersteigende Beschluß des LG für Strafsachen Wien nichts zu ändern. Der OGH habe zwar diesen Beschluß nicht kassiert, es sei aber "rechtsstaatlich unerträglich", wenn der rechtswidrige Beschluß des LG für Strafsachen Wien eine Rechtfertigung für das Behalten der beschlagnahmten Vermögenswerte durch die beklagte Partei sei.

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage erwogen:

Die Klage ist unzulässig:

1. Gemäß Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

1.1. Daß es sich im vorliegenden Fall, in welchem der Kläger vom Bund die Herausgabe bestimmter, im strafgerichtlichen Verfahren beschlagnahmter und für verfallen erklärter Sachen begehrt, um einen vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist augenscheinlich (vgl. VfSlg. 14971/1997).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hat für den Fall der Beschlagnahme von Teppichen in einem finanzstrafgerichtlichen Verfahren ausgesprochen, daß dort der Anspruch auf Herausgabe im "ordentlichen Rechtsweg" iS des Art137 B-VG geltend gemacht werden könne, da der Begriff des ordentlichen Rechtsweges nicht auf jene Fälle zu beschränken sei, die von den ordentlichen Gerichten im Streitverfahren nach den Bestimmungen der ZPO zu entscheiden seien; die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes sei vielmehr auch etwa in solchen Angelegenheiten ausgeschlossen, in denen der vermögensrechtliche Anspruch im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens geltend gemacht werden könne (VfSlg. 12242/1989; vgl. zB VfSlg. 3287/1957).

Der Kläger behauptet nun, daß das Strafbezirksgericht die Beschlagnahme aufgehoben hätte; die beschlagnahmten Vermögenswerte seien daher an ihn zurückzugeben.

2. Es kann hier aber auf sich beruhen, ob der Verfassungsgerichtshof über die Herausgabe ursprünglich gerichtlich beschlagnahmter Gegenstände nach Wegfall des Beschlagnahmetitels zu entscheiden hat, ober ob in diesem Fall nur der Weg des Ausfolgungsantrages an das zuständige Strafgericht offensteht, weil die vorliegende Klage schon aus folgenden Gründen unzulässig ist:

2.1. Das Strafbezirksgericht hat mit Beschluß vom 19.3.1997, Z22 HS 1781/91, die Beschlagnahme aufgehoben und ausgesprochen hat, daß sich Ausführungen zur Frage der gerichtlichen Hinterlegung erübrigten. Dieser Beschluß wurde von der StA Wien hinsichtlich der Ablehnung der Verwahrung der Depositen bekämpft und vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 4.6.1997, Z13 b Bl 309/97, in diesem Umfang ersatzlos behoben. Das Landesgericht führte in der Begründung dieses Beschlusses u.a. aus, daß die Vermögensgegenstände nicht dem Kläger auszufolgen, sondern gerichtlich zu hinterlegen seien, was aber zur Zeit der Beschlußfassung nicht möglich sei, da sie sich nicht im Gewahrsam des Gerichtes, sondern in dem der amerikanischen Strafverfolgungsbehörden befänden.

Der OGH führte in seiner aufgrund einer gegen diesen Beschluß erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ergangenen Entscheidung, 13 Os 180/97 vom 7.1.1998 aus, daß "Konsequenz der Verfahrensbeendigung in den USA ... in Ansehung dieser Depositen somit nur deren Rückstellung nach Österreich sein (könne), die allenfalls mit einem neuerlichen Rechtshilfeersuchen, diesmal um Vollstreckung der vermögensrechtlichen Anordnung, verbunden werden" könne; über dieses Ersuchen werde das zuständige Gericht eigenständig nach den hiefür maßgeblichen Rechtsvorschriften zu entscheiden haben. Auch der OGH ging daher, wenn er die Auffassung vertrat, das österreichische Gericht müsse in der Folge über die Verwertung der Depositen entscheiden, offenkundig davon aus, daß diese nicht dem Kläger auszufolgen seien.

2.2. Bezüglich der fraglichen Vermögenswerte erging am 12.3.1998 der oben (I.5.) wiedergegebene Beschluß des Landesgericht für Strafsachen Wien. Dieser Beschluß wurde am 12.10.1998 vom OLG Wien, Z22 Bs 114/98, mit Beschluß bestätigt.

2.3. Die beschlagnahmten Gegenstände wurden schließlich mit Beschluß des Landesgericht für Strafsachen Wien vom 14.6.2000, Z18a Ns 1/98 zugunsten der USA für verfallen erklärt; das OLG Wien bestätigte den Verfall, allerdings zugunsten des Bundes (Beschluß vom 7.10.2000, 22 Bs 211/00). In diesem Beschluß wird dem Vorwurf des Klägers, daß mit Beschluß des Strafbezirksgerichtes die Rückstellung an ihn verfügt worden sei, die Entscheidung des OGH vom 3.12.1997 entgegengehalten, wonach "die Berechtigung des Ersuchens um Vollstreckung der nach US-Recht wirksamen Verfallsanordnung Grundlage der die Depositen betreffenden gerichtlichen Verfügung zu sein" habe.

Diese Verfallsentscheidung ist rechtskräftig und bislang nicht aufgehoben worden.

2.4. Der Kläger meint nun, daß die Verfallsentscheidung nur "Gegenstände", nicht aber Wertpapiere und Gelder betreffe, die keine "Gegenstände", sondern lediglich Wertträger seien. Da somit nicht alle seine Vermögenswerte vom Verfall betroffen seien, müßten diese aufgrund der Aufhebung der Beschlagnahme durch den Beschluß des Strafbezirksgerichtes an ihn ausgefolgt werden.

2.5. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich diesem Rechtsstandpunkt nicht anzuschließen:

2.5.1. Zwar mag die Bedeutung des Begriffes "Sache" bei der Auslegung der einzelnen Straftatbestände der Vermögensdelikte des Besonderen Teiles des StGB insoweit eine Rolle spielen, als dort nur eine Sache, die Wertträger ist, Gegenstand des Deliktes sein kann (vgl. OGH 4.3.1975, 13 Os 147/74; 22.12.1987 11 Os 143/87; jüngst 12.2.1998 15 Os 13/98). Wird jedoch der Begriff "Gegenstände" im rechtskräftigen Spruch einer Beschlagnahmeverfügung verwendet, so ist der Sinn dieses Wortes, sofern er nicht bereits aus dem Spruch klar hervorgeht, anhand der Begründung der gerichtlichen Entscheidung zu ermitteln. Das die Beschlagnahme in erster Instanz verfügende Landesgericht für Strafsachen Wien hat in seinem Beschluß vom 12.3.1998 jene "Gegenstände", die es beschlagnahmt, im Spruch näher erläutert (siehe Punkt I.5.), sodaß nicht zweifelhaft sein kann, daß das Gericht hinsichtlich aller Vermögensgegenstände des Klägers, auf die das vorliegende Herausgabebegehren gerichtet ist, die Beschlagnahme verfügt hat.

2.5.2. Die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme bzw. der mittlerweile zugunsten des Bundes verfügte Verfall stützt sich somit auf rechtskräftige und - bislang - auch nicht behobene Entscheidungen ordentlicher Gerichte.

3. Die Klage war jedenfalls aus dieser Erwägung als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß die Frage geprüft werden mußte, ob die Klage allenfalls bei Aufhebung der soeben angesprochenen gerichtlichen Entscheidungen zulässig wäre.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Strafrecht, Strafprozeßrecht, VfGH / Klagen, Beschlagnahme, Verfall, Auslieferung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:A12.2001

Dokumentnummer

JFT_09979775_01A00012_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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