Index
E3R E05205000;Norm
31985R3820 Harmonisierung best Sozialvorschriften Strassenverkehr;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der A in G, vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch, Dr. Wolfgang Nopp und Mag. Alexander Kodolitsch, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 1/II/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 17. Juli 2003, Zl. UVS 30.10-195/2002-14, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der M. Transporte GesmbH für schuldig befunden, sie habe es zu verantworten, dass der Arbeitnehmer R. zu näher genannten Zeitpunkten zwischen dem 26. Mai 2002 und dem 30. Mai 2002 als Lenker eines Kraftfahrzeuges im internationalen Straßenverkehr beschäftigt gewesen sei und dabei gegen näher genannte Vorschriften der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 verstoßen habe (Überschreitung der zulässigen Gesamtlenkzeit und Nichteinhaltung der täglichen Ruhezeit). Über die Beschwerdeführerin wurden nach den entsprechenden Ziffern des § 28 Abs. 1a AZG zwei Geldstrafen im Ausmaß von EUR 500,-- und EUR 1.000,-- (samt Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe die festgestellten Lenk- und Ruhezeiten ihres Arbeitnehmers nicht bestritten und diese seien durch die (Tachographen-)Schaublätter erwiesen. Die Beschwerdeführerin habe aber ihr Verschulden in Abrede gestellt. Dazu sei festzuhalten, dass es sich bei den gegenständlichen Übertretungen um so genannte Ungehorsamsdelikte handle, sodass der Beschuldigte gemäß § 5 Abs. 1 VStG die behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und dabei initiativ alles darzulegen habe, was für seine Entlastung spricht. Da die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch den Lenker eines Kraftfahrzeuges von seinem Arbeitgeber nicht unmittelbar kontrolliert werden könne, komme es nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems, das die Einhaltung der Arbeitszeit sicherstellen soll, an. Ein solches Kontrollsystem habe die Beschwerdeführerin für ihren Betrieb nicht darlegen können. Zwar habe sie glaubhaft gemacht, dass sie "alle acht bis 14 Tage" die Schaublätter der beschäftigten Kraftfahrzeuglenker kontrolliert habe. Sie habe auch angegeben, dass der hier betroffene Kraftfahrzeuglenker von ihrem Ehemann telefonisch aufgefordert worden sei, die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten. Dieser Kraftfahrzeuglenker sei allerdings bereits vor den hier gegenständlichen Tatzeitpunkten wegen einer einschlägigen Übertretung bestraft worden. Dennoch habe die Beschwerdeführerin nicht darlegen können, welche wirksamen Schritte sie gegen den Arbeitnehmer für den Fall weiterer Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften in Aussicht gestellt habe. Soweit sie behauptet habe, dem Arbeitnehmer die Kündigung angedroht zu haben, könne dieser Behauptung nicht gefolgt werden, weil dieser als Zeuge vor der belangten Behörde Gegenteiliges ausgesagt habe.
Im Übrigen begründete die belangte Behörde die Höhe der festgesetzten Verwaltungsstrafen und verwies dazu u.a. auf die Unfallgefahr, die bei Nichteinhaltung der gegenständlichen Rechtsvorschriften durch die Übermüdung der Kraftfahrzeuglenker verursacht werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin lässt in der Beschwerde die Erfüllung des Tatbestandes in objektiver Hinsicht unbestritten und wendet sich ausschließlich gegen den Vorwurf, sie habe im konkreten Fall fahrlässig gehandelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Arbeitgeber (der Verantwortliche gemäß § 9 Abs. 1 VStG) hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften verpflichtet, ein dem konkreten Betrieb entsprechendes, wirksames Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, dass sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber (der Verantwortliche gemäß § 9 Abs. 1 VStG) glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im Einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm ein Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2004, Zl. 2003/11/0289, mwN).
Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführerin in der Berufungsverhandlung behauptet, sie hätte dem betroffenen Kraftfahrzeuglenker auf Grund einer Bestrafung, die einen Monat vor den gegenständlichen Übertretungen erfolgt sei, erklärt, "dass das nicht geht mit den Lenkzeitüberschreitungen" und dass er "sonst mit einer Kündigung rechnen müsse". Auch ihr Mann habe diesen Arbeitnehmer aufgrund dieser vorhergehenden Bestrafung "immer wieder angerufen und ihn telefonisch überwacht". Dabei habe der Kraftfahrzeuglenker am Telefon seinen Standort angeben müssen und sei angewiesen worden, die Ruhe- und Lenkzeiten einzuhalten.
Dem gegenüber sagte der betroffene Kraftfahrzeuglenker in der Berufungsverhandlung als Zeuge wie folgt aus:
"... Je mehr ich gefahren (bin), desto mehr habe ich verdient. Ich hatte kein Fixum und auch kein festes Überstundenpauschale. Die Schaublätter musste ich immer, wenn ich nach Graz gekommen bin, in der Firma abgeben. Was damit passiert ist, weiß ich nicht.
Wenn ich gefragt werde, ob ich regelmäßig von der Berufungswerberin hinsichtlich Lenkzeit bzw. Ruhezeiten kontrolliert oder ermahnt wurde, gebe ich an: Da hat es nichts gegeben. ... Im Februar 2002 habe ich einmal eine Strafe bekommen. Diese musste ich selbst bezahlen. Ermahnt wurde ich von der Berufungswerberin nicht. Die Kündigung wurde mir nicht angedroht."
Vom Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der ihm zukommenden Schlüssigkeitsprüfung nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung den wiedergegebenen - unter Wahrheitspflicht erstatteten - Angaben des Zeugen Glauben schenkte. Dem steht die Zeugenaussage des Ehemannes der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht entgegen, weil dieser zur Frage, ob dem Arbeitnehmer die Kündigung angedroht worden sei, keine Angaben gemacht hat. Soweit die Beschwerdeführerin zum Nachweis eines wirksamen Kontrollsystems auf das "tatsächliche Entlohnungssystem" verwiesen hat - im Berufungsverfahren hat sie dazu mehrere Gehaltsabrechnungen des betroffenen Kraftfahrzeuglenkers vorgelegt -, hat sie nicht dargelegt, weshalb sich aus diesen Gehaltsabrechnungen ableiten ließe, das Entlohnungssystem sei geeignet, den Arbeitnehmer von Verstößen gegen Arbeitszeitvorschriften abzuhalten.
Jedenfalls irrt die Beschwerdeführerin, wenn sie meint, die belangte Behörde hätte im angefochtenen Bescheid darstellen müssen, wie ein funktionierendes Kontrollsystem und die darüber hinausgehenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitszeit auszusehen hätten. Es ist nicht Aufgabe der Behörde, für den Arbeitgeber ein wirksames Kontrollsystem zu entwerfen. Vielmehr ist es nach der zitierten Rechtsprechung Sache des Arbeitgebers, das von ihm eingerichtete Kontrollsystem zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften im Einzelnen darzulegen. Auch sind die vom Arbeitgeber zu ergreifenden Maßnahmen zur Sicherstellung der Einhaltung der Arbeitszeit nicht erst, wie die Beschwerdeführerin meint, für den "Wiederholungsfall" einer Übertretung der Rechtsvorschriften zu ergreifen.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. März 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003110231.X00Im RIS seit
04.05.2006