Index
E1E;Norm
11992E073B EGV Art73b;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der F F in W, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat I) vom 13. November 2002, GZ. RV/355- 15/2002, betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1992 bis 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Einkommensteuer 1994 bis 2001 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In ihrer Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1992 bis 2001 beantragte die Beschwerdeführerin die Anwendung des halben Durchschnittssteuersatzes für Dividenden aus ausländischen Körperschaften. Die erklärten Dividendenerträge stammten im Wesentlichen aus den Niederlanden. Dort unterlägen die Unternehmensergebnisse einer Steuer von 35 %. Bei einem österreichischen Spitzensteuersatz von 50 % ergebe sich für ausgeschüttete Dividenden eine "durchgerechnete Steuerbelastung" von 67,5 %, somit eine Schlechterstellung der ausländischen Kapitalerträge gegenüber inländischen Kapitalerträgen, die "durchgerechnet" nur mit 50,5 % steuerlich belastet seien. Darin liege ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht. Auch werde der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil es im Ergebnis günstiger sei, Dividenden nicht auszuschütten und die Gesellschaftsanteile später mit einem entsprechend höheren Veräußerungsgewinn zu verkaufen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mangels gesetzlicher Grundlage des darin gestellten Begehrens ab.
Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 10. Juni 2003, B 1868/02, abgelehnt. Weder liege eine offensichtliche Gemeinschaftsrechtswidrigkeit vor, noch sei der Gesetzgeber aus verfassungsmäßiger Sicht gehindert, inländische Beteiligungserträge im Hinblick auf die Vorbelastung mit österreichischer Körperschaftsteuer günstiger zu behandeln als ausländische bzw. Veräußerungsgewinne günstiger zu besteuern als laufende Ausschüttungen. Das Beschwerdevorbringen lasse daher die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin vor diesem Gerichtshof in ihrem Recht auf Anwendung des begünstigten Steuersatzes gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1988 sowie auf Endbesteuerung der Dividendenerträge "trotz Vorliegens der dafür erforderlichen Voraussetzungen sowie in ihrer durch Artikel 56ff EGV in der Fassung des Vertrages von Amsterdam gewährleisteten Kapitalverkehrsfreiheit" verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Auf Grund eines Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes in einem gleichgelagerten Beschwerdeverfahren hat der EuGH mit Urteil vom 15. Juli 2004, Rechtssache C-315/02, Lenz, ausgeführt, dass die Art. 73b und 73d Abs. 1 und 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und Art. 58 Abs. 1 und 3 EG) einer Regelung entgegenstehen, die es nur den Beziehern österreichischer Kapitalerträge erlaubt, zwischen einer Endbesteuerung mit einem Steuersatz von 25% und der normalen Einkommensteuer unter Anwendung eines Hälftesteuersatzes zu wählen, während sie vorsieht, dass Kapitalerträge aus einem anderen Mitgliedstaat zwingend der normalen Einkommensteuer ohne Ermäßigung des Steuersatzes unterliegen.
Nach dieser Entscheidung widerspricht die Anwendung des normalen Steuersatzes für Kapitalerträge aus dividendenauszahlenden Gesellschaften, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften (etwa den Niederlanden) haben, dem Gemeinschaftsrecht. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten gemeinschaftsrechtlichen Bedenken erweisen sich damit im zeitlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts als begründet. Für die Jahre vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union zum 1. Jänner 1995 kann die Beschwerdeführerin mit dem Verweis auf Gemeinschaftsrecht hingegen nichts für ihren Standpunkt gewinnen (vgl. für viele das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2000, 97/15/0208, mwN).
Zu beachten ist allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 28. September 2004, 2004/14/0078, ausgeführt hat, dass Österreich im Jahr 1994 zwar noch nicht Mitglied der Europäischen Union war, aber seit 1. Jänner 1994 dem EWR angehörte. Art. 40 EWR-Abkommen bestimmt, dass der Kapitalverkehr in Bezug auf Berechtigte, die in den EG-Mitgliedstaaten oder den EFTA-Staaten (i.S.d. Art. 2b des EWR-Abkommens i.d.f. des Anpassungsprotokolls BGBl. Nr. 910/1993) ansässig sind, keinen Beschränkungen und keiner Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnortes der Parteien oder des Anlageortes unterliegt. Diese Bestimmung derogiert dem § 37 Abs. 1 Z 3 EStG in der ab 1994 geltenden Fassung des Steuerreformgesetzes, BGBl. Nr. 818/1993, insoweit als er im Widerspruch zum EWR-Abkommen steht, also die Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz davon abhängig macht, dass die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft besteht. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses und des dort angeführten hg. Erkenntnisses vom 11. Dezember 2003, 99/14/0081, wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich der Jahre 1994 bis 2001 gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen, somit hinsichtlich der Jahre 1992 und 1993, war die Beschwerde hingegen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. März 2006
Gerichtsentscheidung
EuGH 62002J0315 Lenz VORABSchlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003130080.X00Im RIS seit
28.04.2006Zuletzt aktualisiert am
31.10.2011