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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §303 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der S Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Friedrich Habliczek, Wirtschaftsprüfer in 2371 Hinterbrühl, Hauptstraße 58, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom 17. Dezember 2001, GZ. RV/284- 11/95, betreffend Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer für die Jahre 1992 und 1993 sowie Umsatzsteuer für die Jahre 1992 bis 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH hat in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1989, dem ersten Jahr ihrer Geschäftstätigkeit, vom Gesamtbetrag der Entgelte in Höhe von rund 2,369.000 S einen Betrag von rund 2,289.000 S als nach § 6 Z. 8 UStG 1972 steuerfrei ausgewiesen. Über Vorhalt des Finanzamtes vom 15. Februar 1991, die Art der ausgeübten Tätigkeit darzustellen, die zur Umsatzsteuerbefreiung berechtige, gab die Beschwerdeführerin an, im Jahr 1989 im kleinen Rahmen das Sportmanagement und als Haupttätigkeit das Portfoliomanagement im Zusammenarbeit mit der K-Bank ausgeübt zu haben. Die Provisionen aus dem Portfoliomanagement fielen unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972.
Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer 1989 erklärungsgemäß fest. Ebenso ergingen in der Folge erklärungsgemäße Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993, wobei die Beschwerdeführerin in diesen Jahren gleichfalls von der Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 Gebrauch machte.
In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung vom 16. Juni 1995 wurde zur Tätigkeit der Beschwerdeführerin ausgeführt:
"Die geprüfte Gesellschaft erzielte in den Jahren 1992 bis 1994 ihre Erträge überwiegend aus dem Portfolio-Management, als Vermögensverwalter für Privatanleger. Dies erfolgte ausschließlich durch treuhändige Vermögensverwaltung, d.h. die Dispositionshoheit lag dabei ausschließlich beim Portfoliomanager der (Beschwerdeführerin).
Als Voraussetzung für derartige Dienstleistungen wurden zwei Kategorien von Verträgen abgeschlossen:
1. Ein 'Vermögensverwaltungsauftrag' zwischen der (Beschwerdeführerin) und dem jeweiligen Auftraggeber
und
2. ein Vermittlungsauftrag zwischen (der Beschwerdeführerin) und jeweils einer von mehreren Banken (Kreditinstituten).
Die Erträge, die (der Beschwerdeführerin) aufgrund derartiger Verträge von den Vertragsbanken gutgeschrieben wurden, stellen das Entgelt für die Vermittlung von Kunden an die jeweilige Bank dar; die Subsumtion dieser Erträge unter § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 besteht auch nach Meinung der Bp zu Recht. Mit der Steuerfreiheit dieser Beträge ist insoweit der Ausschluss vom Vorsteuer-Abzug verbunden. Auch diesbezüglich kommt es zu keiner Beanstandung durch die Bp.
Die Erträge der Bank aus ihren an den einzelnen Kunden verrechneten Gebühren (wie etwa Depotgebühren) sind hier nicht zu beurteilen.
Die Umsätze aus den 'Vermögensverwaltungsaufträgen', die bisher durch (die Beschwerdeführerin) ebenfalls steuerfrei behandelt wurden, fallen jedoch nach Ansicht der Bp nicht unter die o.a. Befreiungsbestimmung:
In diesen Vereinbarungen überträgt die jeweilige Person (der Beschwerdeführerin) die ausschließliche Verfügungsberechtigung über das bei der Vertragsbank geführte Wertpapier-Depotkonto als auch über das Verrechnungskonto; der Kontoinhaber darf während der Dauer des Vermögensverwaltungsauftrages nur im Einvernehmen mit der (Beschwerdeführerin) über sein eigenes Depot verfügen.
Zur Erfüllung des Auftrages ist (die Beschwerdeführerin) berechtigt, sämtliche Verfügungen - wie etwa Kauf, Verkauf oder Umschichtung von Wertpapieren oder Veranlagungen aus Guthaben auf dem Verrechnungskonto - unabhängig vom Auftraggeber zu treffen.
Neben den üblichen Konto- und Depotauszügen der Bank erhält der Auftraggeber periodisch (mindestens jedoch halbjährlich) einen schriftlichen Rechenschaftsbericht der (Beschwerdeführerin).
Für die Leistungen aus diesem Vertrag verrechnet (die Beschwerdeführerin) dem Auftraggeber jährlich 'Management Fees' und behält diese vom Verrechnungskonto des Auftraggebers ein. Diese Management Fees (Spesenersätze) werden einerseits nach einem fixen Schlüssel berechnet (fester Prozentsatz des durchschnittlich zur Verfügung stehenden Kapitals), andrerseits enthalten sie auch eine vom Erfolg (Wertzuwachs) abhängige variable Komponente."
In rechtlicher Hinsicht vertraten die Prüferinnen dazu - gestützt auf Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, Anm. 131a zu § 6 Z. 8, - die Ansicht, dass derartige Erlöse nicht unter die Steuerbefreiung gemäß § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 fielen. Auf Grund des stark "dispositiven Charakters" sei die Tätigkeit des Portfolio-Managements als steuerpflichtige Vermögensverwaltung anzusehen. Die unter dem Titel "Management Fees" verrechneten Entgelte in Höhe von 297.453 S (1992), 534.583 S (1993) und 240.094 S (1994) seien daher der Umsatzsteuer von 20% zu unterziehen. Im Gegenzug dazu stünden anteilig bisher nicht abgezogene Vorsteuern von 14.925 S (1992), 61.043 S (1993) und 15.324 S (1994) zu.
Das Finanzamt schloss sich den Feststellungen der Prüferinnen an und erließ - hinsichtlich der Jahre 1992 und 1993 nach Wiederaufnahme der Verfahren - entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1994.
Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen die Wiederaufnahme als auch gegen die Sachbescheide Berufung. Begründend verwies sie zur Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme auf ihre Vorhaltsbeantwortung vom 11. Juni 1991, in der die Tätigkeit der Beschwerdeführerin dem Finanzamt erklärt worden sei. In ihrer Tätigkeit seien seither keine Änderungen eingetreten, sodass keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorlägen. In der Sache verwies die Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1977, 1069/76, das sich "genau mit der Tätigkeit" der Beschwerdeführerin befasst und die Bestimmung des § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 für anwendbar erachtet habe.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Oktober 1995 wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Frage der Wiederaufnahme der Verfahren führte das Finanzamt u.a. aus, dass die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 11. Juni 1991 lediglich mit "Portfoliomanagement" umschrieben worden sei. Da es für diesen Begriff keine "offizielle Auslegung" gebe - darunter fielen etwa auch echte Vermittlungsleistungen, für die die beanspruchte Steuerbefreiung zustünde -, könne nicht gesagt werden, dass dem Finanzamt auf Grund dieses Schreibens bekannt gewesen sei, welche Tätigkeit die Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeübt habe. Das Finanzamt habe sich auch nicht auf eine Rechtsmeinung gestützt, welche von jener abweiche, die der Verwaltungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis vertreten habe. Der Entscheidung vom 18. Oktober 1977 liege vielmehr ein in wesentlichen Punkten anderer Sachverhalt zu Grunde. In dem damaligen Erkenntnis sei es um die Frage der Steuerpflicht der Leistungen einer Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des Investmentfondsgesetzes gegangen. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgestellt, dass deren Tätigkeit über die bloße Verwaltung von Wertpapieren hinausgehe, sei aber dann davon ausgegangen, dass das Investmentgeschäft notwendigerweise auch die Anschaffung und Veräußerung von Wertpapieren umfasse, es sich dabei aber nur um eine unselbständige Nebenleistung handle, die das Schicksal der Hauptleistung teile. Demgegenüber berate die Beschwerdeführerin den Kunden zunächst über die verschiedenen Anlageformen, erstelle sodann eine auf die Risikobereitschaft des Kunden individuell abgestimmte Anlageform und betreue ihn laufend. Derartige Leistungen unterlägen dem Normalsteuersatz.
In ihrem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass unter "Portfoliomanagement" die treuhändige Verwaltung von Wertpapieren oder Wertpapierdepots zu verstehen sei. An dieser Tätigkeit habe sich während der gesamten Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin nichts geändert. Somit lägen keine neue Tatsachen vor. Zur Frage der umsatzsteuerlichen Behandlung ihrer Leistungen entgegnete die Beschwerdeführerin den Ausführungen des Finanzamtes, dass sich ihre Kundenberatung ausschließlich auf Anlageformen in Wertpapieren beschränke. Die laufende Kundenbetreuung resultiere aus der vertraglichen Treuepflicht, die auch darin bestehe, den Kunden laufend über sein Wertpapierdepot zu informieren. Das Finanzamt nehme eine "bewusste Verdrehung von Wortinhalten" vor, um zu einer Steuerpflicht ihrer Tätigkeit zu kommen. Auch Kapitalanlagegesellschaften würden bei der Auswahl der anzuschaffenden bzw. zu verkaufenden Effekten auf eine gute Performance achten, um damit Kapitalanleger zu gewinnen und den Fonds auszuweiten. Im Übrigen werde auch das Vermittlungsentgelt bei Banken nicht nur für die technische Durchführung des An- und Verkaufs von Wertpapieren geleistet, sondern überwiegend für die Beratung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung als unbegründet ab.
Die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 1992 und 1993 sei zu Recht erfolgt, weil sich das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. Juni 1991 ausdrücklich auf die von ihr im Jahr 1989 ausgeübten Tätigkeiten bezogen habe und den Jahresabschlüssen zum 31. Dezember 1992 bzw. 1993 lediglich zu entnehmen gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin "Vermittlungsprovisionen" erhalten habe, welche als steuerfrei erklärt worden seien. Die Art bzw. der Gegenstand des Unternehmens sei in den Steuererklärungen mit "Vermögensberatung" angegeben worden. Erst im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung habe das Finanzamt Einsicht in die Verträge erhalten und feststellen können, dass die Beschwerdeführerin einerseits Vermittlungsumsätze und andererseits Umsätze aus Vermögensverwaltung erzielt habe. Die Kenntnis der neu hervorgekommenen Umstände (Art und Weise der Tätigkeit) führe zu im Spruch anders lautenden Bescheiden (mit Nachforderungen in Höhe von 44.565 S für 1992 und 45.874 S für 1993). Da die angeführten steuerlichen Auswirkungen nicht als bloß geringfügig anzusehen seien, werde dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit eingeräumt.
Nach Wiedergabe des Inhaltes der von der Beschwerdeführerin geschlossenen "Vermögensverwaltungsaufträge" wird im angefochtenen Bescheid sachverhaltsbezogen weiter ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin nicht nur die strittigen "Management fees" erhalte, sondern auch an den Spesen und Depotgebühren beteiligt sei, welche von den Kreditinstituten den vermittelten Kunden verrechnet würden.
§ 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 sehe eine Steuerbefreiung für Umsätze von Wertpapieren und Optionsgeschäfte mit Wertpapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze vor. Unstrittig sei, dass die Provisionen, die die Beschwerdeführerin von den Vertragsbanken für die Vermittlung der Kunden erhalte, nach dieser Bestimmung steuerfrei seien.
Steuerfrei sei weiters "die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (das Depotgeschäft)". Diese Terminologie entspreche den im Kredit- bzw. Bankwesengesetz verwendeten Begriff im Rahmen der Aufzählung der Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 2 Z. 5 KWG und § 1 Abs. 1 Z. 5 BWG). Wie Ruppe, UStG 1994, § 6, Tz. 155, zur Rechtslage nach dem UStG 1972 ausführe, lasse die verwendete Terminologie darauf schließen, dass nur die bankmäßige Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren befreit sei. Auch Kolacny/Mayer, UStG 1972, § 6, Anm. 16, würden die Ansicht vertreten, dass sich die Steuerbefreiung auf das Depotgeschäft beschränke, nicht aber Leistungen im Rahmen der allgemeinen Vermögensverwaltung - dem so genannten "Portfoliomanagement" - steuerfrei stelle. Diese Ansicht würden auch Kranich/Siegl/Waba, UStG 1972, § 6, Anm. 131a, vertreten. Bei Vorliegen eines steuerpflichtigen Portfoliomanagements sei auch eine Aufteilung des einheitlichen Entgeltes in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil nicht möglich. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung sei zur Gänze eine steuerpflichtige Leistung anzunehmen.
Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihre treuhändige Vermögensverwaltung würde sich nur auf die Verwaltung von Wertpapieren beziehen, sei in tatsächlicher Hinsicht der Inhalt der besagten Vermögensverwaltungsaufträge entgegen zu halten. Danach sei die Beschwerdeführerin sowohl zu Dispositionen auf dem Wertpapierkonto wie auch zu solchen auf dem Verrechnungskonto des Kunden ermächtigt.
In rechtlicher Hinsicht schließe sich die belangte Behörde den genannten Fachautoren an. Auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1977, 1069/76, könne - wie in der Berufungsvorentscheidung zutreffend ausgeführt worden sei - der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Der vom Verwaltungsgerichtshof entschiedene Fall habe Vergütungen zum Gegenstand gehabt, welche eine Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des Investmentfondsgesetzes für die Verwaltung von vier Kapitalanlagefonds erhalten habe. Die damals belangte Behörde habe die Steuerbefreiung des § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 primär deshalb versagt, weil sie die Wortfolge "Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (Depotgeschäft)" als einheitliches Tatbestandsmerkmal verstanden habe und es Kapitalanlagegesellschaften nach den Bestimmungen des Investmentfondsgesetzes verwehrt sei, die Wertpapiere des verwalteten Fonds selbst zu verwahren. Dazu habe der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass diese Wortfolge in Übereinstimmung mit den Vorschriften des Kreditwesengesetzes dahin zu verstehen sei, dass Verwahrung oder Verwaltung von Wertpapieren für die Annahme eines Bank- oder Sparkassengeschäftes genüge. Dies gelte auch für den Bereich der Umsatzsteuer. Als weiteren Versagungsgrund habe die damals belangte Behörde die Tatsache geltend gemacht, dass die Tätigkeit der seinerzeitigen Beschwerdeführerin über das übliche Maß der Verwaltung fremden Vermögens weit hinausgegangen sei, weil sie berechtigt gewesen sei, über die Vermögenswerte der Fonds zu verfügen, während dem Hinterleger beim Depotgeschäft die volle Verfügungsmacht über die hinterlegten Wertpapiere verbleibe. Der Verwaltungsgerichtshof habe der belangten Behörde darin beigepflichtet, dass die Tätigkeit einer Kapitalanlagegesellschaft über die bloße Verwaltung von Wertpapieren hinausgehe, weil das Investmentfondsgeschäft notwendigerweise auch die Anschaffung von Wertpapieren und in der Regel auch Veräußerungsgeschäfte über Wertpapiere mit sich bringe. Da der Begriff der "Verwaltung" im Sinne des Investmentfondsgesetzes auch solche Effektengeschäfte einschließe, könne - so der Verwaltungsgerichtshof weiter - davon ausgegangen werden, dass mit der Vergütung für die Verwaltung eines Investmentfonds diese Tätigkeit gleichfalls abgegolten sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe in der Folge daran erinnert, dass auch die Umsätze von Wertpapieren steuerfrei seien und die Ansicht vertreten, dass die Stellung der Kapitalanlagegesellschaft im Rahmen der Effektengeschäfte umsatzsteuerlich der eines Kommissionärs entspreche. Daraus ergebe sich - so die conclusio der Entscheidung -, dass beide Teilbereiche der Fondsverwaltung, nämlich das Effektengeschäft und die Verwaltung der zu den Fonds gehörigen Wertpapiere unter die Befreiungsbestimmung des § 6 Z. 8 lit. d UStG 1972 fielen.
Zusammenfassend habe der Verwaltungsgerichtshof damit zum Begriff der "Verwaltung von Wertpapieren" lediglich ausgeführt, dass es sich dabei um ein Bankgeschäft handle. Die übrigen Ausführungen des Gerichtshofes beträfen dagegen die von der Kapitalanlagegesellschaft ausgeübten Effektengeschäfte. Dass diesbezüglich auch bei der Beschwerdeführerin die Steuerbefreiung greife, weil sie entsprechende Vermittlungsumsätze über die Vertragsbanken tätige, sei gegenständlich aber ohnedies unstrittig.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin bekämpft die Wiederaufnahme der Verfahren für die Jahre 1992 und 1993 mit dem Vorbringen, dass es nicht darauf ankomme, "woher das Entgelt für das Portfoliomanagement" komme. Entscheidend sei die Leistung der Beschwerdeführerin, welche sich in den Jahren 1989 bis 1993 nicht geändert habe. Ändere sich die Tätigkeit als solche nicht, könne nicht von einem Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO ausgegangen werden.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Ein behördliches Verschulden an der Nichtfeststellung der maßgeblichen Tatsachen bzw. Beweismittel im Erstverfahren schließt die Wiederaufnahme von Amts wegen nicht aus (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 2005, 2001/14/0007). Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ist allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismittel" im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO bezieht sich damit auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres (vgl. hiezu beispielsweise die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1998, 95/15/0108, vom 20. Jänner 2000, 95/15/0039, vom 22. März 2000, 99/13/0253, und vom 29. Mai 2001, 97/14/0036).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Einwand der Beschwerdeführerin, ihre Tätigkeit habe sich seit den Ausführungen im Schreiben vom 11. Juni 1991 betreffend die Umsätze des Jahres 1989 nicht geändert, von vornherein nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der Wiederaufnahme der Verfahren betreffend die Umsatzsteuer für die Jahre 1992 und 1993 aufzuzeigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - wie oben ausgeführt - vielmehr entscheidend, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Die belangte Behörde hat dazu festgestellt, dass die Umsätze der Jahre 1992 und 1993 in den eingereichten Steuererklärungen und sonstigen Unterlagen lediglich als "Vermittlungsprovisionen" bezeichnet worden seien und der abgabenfestsetzenden Stelle die von der Beschwerdeführerin geschlossenen Verträge, die eine Unterscheidung zwischen Vermittlungsumsätzen und Umsätzen aus Vermögensverwaltung ermöglicht haben, erst durch den Bericht der Prüfer bekannt geworden seien. Diesen Feststellungen tritt die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Damit ist lediglich zu prüfen, ob die neu gewonnenen Erkenntnisse der Abgabenbehörde in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin geschlossenen Leistungsvereinbarungen zu anders lautenden Bescheide führen konnten.
§ 6 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden UStG 1972 lautet auszugsweise:
"Von den unter § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 fallenden Umsätzen sind
steuerfrei:
...
8. d) die Umsätze von Wertpapieren und die Optionsgeschäfte mit Wertpapieren, die Vermittlung dieser Umsätze, die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren (Depotgeschäft) sowie die sonstigen Leistungen im Emissionsgeschäft,
..."
Im Beschwerdefall ist die Steuerpflicht von Vergütungen zu beurteilen, die die Beschwerdeführerin dafür erhalten hat, dass sie es übernommen hat, die dem Anleger zukommenden Dispositionsbefugnisse über Wertpapierdepot und Verrechnungskonto (Kauf, Verkauf, Umschichtung von Wertpapieren und Veranlagungen von Guthaben auf dem Verrechnungskonto) auf Grund vorher vereinbarter Anlagerichtlinien unter "fachgemäßer Beachtung der Geld- und Kapitalmärkte" auszuüben. Dass eine - gesondert entlohnte - Tätigkeit, die darin besteht, Anlageentscheidungen zu treffen, nicht dem Begriff der "Verwaltung von Wertpapieren" zu unterstellen ist, ist eine Rechtsansicht der belangten Behörde, die der Verwaltungsgerichtshof teilt (vgl. zum Begriffsinhalt auch Ruppe, UStG 19942, § 6, Tz. 157). Nichts anderes ergibt sich entgegen den Beschwerdeausführungen aus dem schon mehrfach angeführten Erkenntnis vom 18. Oktober 1977, Slg. 5176/F. Der Verwaltungsgerichtshof hat vielmehr auch in diesem Erkenntnis die Ansicht vertreten, dass die Berechtigung, über die Vermögenswerte eines anderen (des Fonds) zu verfügen, über den Begriff der "Verwaltung von Wertpapieren" hinausgeht.
Im vorliegenden Fall ist auch nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin die strittigen Entgelte für die Vermittlung von Wertpapierumsätzen (oder für im eigenen Namen getätigte Umsätze von Wertpapieren) erhalten hätte. Das Entgelt bemaß sich nämlich nicht nach den tatsächlich vorgenommenen Käufen oder Verkäufen von Wertpapieren, sondern nach dem durchschnittlich zur Verfügung stehenden Kapital und war demnach unabhängig davon, ob überhaupt und in welchem Umfang tatsächlich Dispositionen in Form von An- und Verkäufen getroffen wurden.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. März 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2002130029.X00Im RIS seit
28.04.2006