TE Vwgh Beschluss 2006/3/23 2005/16/0184

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2006
beobachten
merken

Index

L34006 Abgabenordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

LAO Stmk 1963 §83 Abs2;
ZustG §13 Abs2;
ZustG §16;
ZustG §17;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Thoma als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der J AG in W, vertreten durch die Exinger GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1013 Wien, Renngasse 1/Freyung, gegen die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Getränke- und Speiseeisabgabe (für die Jahre 1995, 1996 und 1997), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. Oktober 1998 hatte der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz gegenüber der Beschwerdeführerin Getränke- und Speiseeisabgabe für die Abgabenzeiträume der Jahre 1995, 1996 und 1997 festgesetzt und einen Antrag auf Rückerstattung abgewiesen, wogegen diese mit ihrer Eingabe vom 4. November 1998 Berufung erhob.

In seiner Berufungsvorentscheidung vom 25. September 2000 gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Graz u.a. dieser Berufung teilweise statt, setzte die Getränke- und Speiseeisabgabe für die berufungsgegenständlichen Abgabenzeiträume mit näher genannten Beträgen fest (Spruchpunkt I.) und wies die Berufung gegen die Versagung der Rückerstattung als unbegründet ab (Spruchpunkt II.). Der an die Firma der Beschwerdeführerin gerichtete Bescheid über die Berufungsvorentscheidung wurde am 27. September 2000 an der Adresse JGasse in 1160 Wien von Z. übernommen, für die die Beschwerdeführerin am 28. Juli 1994 gegenüber dem Postamt 1171 Wien u.a. "Postvollmacht" für "RSb-Briefe" erteilt hatte. Z. beurkundete die Entgegennahme des Bescheides vom 25. September 2000 auf einem "Rückschein" (Zustellformular) durch Unterfertigung unter Beifügung des Datums und einer Stampigle mit dem Firmenwortlaut "Jgesellschaft mbH" sowie unter Vermerk ihres Naheverhältnisses zum Adressaten als "Postbevollmächtigter für RSb-Briefe".

Mit der vorliegenden Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht über ihre Berufung - betreffend die Jahre 1995 bis 1997 - durch die Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz geltend.

Die belangte Behörde beantragt die kostenpflichtige Zurückweisung dieser Beschwerde zusammengefasst mit der Begründung, dass über die Berufung vom 4. November 1998 mit Erlassung des Bescheides vom 25. September 2000 durch Zustellung an eine Postbevollmächtigte (der Beschwerdeführerin) für RSb-Briefe entschieden worden sei. Die Beschwerdeführerin habe gegen diesen Bescheid kein Rechtsmittel, insbesondere keinen Antrag auf Vorlage zur Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, eingebracht, womit dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen sei.

Die Beschwerdeführerin repliziert hiezu, im September 2000 habe sie an der Adresse JGasse in 1160 Wien keine Abgabestelle mehr gehabt. Seit Oktober 1999 habe sich ihr Sitz in der HStraße in 1230 Wien befunden. Die Verlegung des Firmensitzes sei am 13. Oktober 1999 im Firmenbuch eingetragen worden. Die Beschwerdeführerin habe im September 2000 an der Adresse JGasse in 1160 Wien auch keine Betriebsstätte oder sonstige Einrichtung gehabt, die eine Abgabestelle begründet hätten. Allein durch die Deklarierung des Unterschreibenden als Zustellbevollmächtigter auf dem Rückschein könne entgegen den Ausführungen der belangten Behörde eine Eigenschaft als Zustellbevollmächtigter und infolge dessen eine rechtswirksame Zustellung an die Beschwerdeführerin nicht begründet werden. Allenfalls hätte diese Person als Postbevollmächtigter für die Julius Meinl Produktionsgesellschaft mbH angesehen werden können.

Die belangte Behörde tritt dem in ihrer "Replik" entgegen. Es sei unerheblich, dass der Rückschein mit einem Stempel der Jgesellschaft mbH versehen worden sei, weil zum einen eine Stampigle gar nicht erforderlich gewesen wäre und zum anderen das zustellende Postamt 1171 Wien am 28. Juli 1994 von der Beschwerdeführerin ermächtigt worden sei, u.a. RSb-Briefe bis auf Widerruf an Z. mit haftungsbefreiender Wirkung für die Post abzugeben. Die Behörde habe zum Zeitpunkt der Zustellung im September 2000 keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Abgabestelle gesehen und damit auch keine Veranlassung gehabt, eine andere Abgabestelle von Amts wegen festzustellen.

Die Beschwerdeführerin nimmt hiezu dahingehend Stellung, Z. sei zum Zeitpunkt der behaupteten Zustellung Arbeitnehmerin der Jgesellschaft mbH und nicht mehr der Beschwerdeführerin gewesen. Auf Grund ihrer Eigenschaft als Ersatzempfängerin nach § 83a Abs. 1 der Steiermärkischen Landesabgabenordnung - LAO habe daher durch Zustellung an sie der Jgesellschaft mbH wirksam zugestellt werden können. Das Arbeitsverhältnis zwischen Z. und der Beschwerdeführerin sei mit 1. Juni 1999 von der Jgesellschaft mbH übernommen worden. Eine Kündigung der in Frage stehenden "Zustellvollmacht" für die Beschwerdeführerin sei damals irrtümlich augenscheinlich deshalb nicht erfolgt, weil zeitgleich auch die Anschrift der Beschwerdeführerin geändert und davon ausgegangen worden sei, dass sämtliche die Beschwerdeführerin betreffenden Zustellungen an der neuen Anschrift erfolgen würden. Auf Grund des beigefügten Stempels auf dem Rückschein und der Eigenschaft von Z. als Dienstnehmerin der Jgesellschaft mbH sei wegen der Übernahme des Dienstverhältnisses von Z. durch die Jgesellschaft mbH von einer Zustellung an diese Gesellschaft auszugehen. Dass der Brief von einer Zustellbevollmächtigten übernommen worden sei, bedeute keinesfalls zwingend, dass dadurch automatisch eine Zustellung an die Beschwerdeführerin rechtswirksam bewirkt worden sei. Im Zeitpunkt der behaupteten Zustellung habe an der Adresse JGasse in 1160 Wien eine Abgabestelle der Beschwerdeführerin nicht bestanden, sodass deshalb eine Zustellung an dieser Anschrift an die Beschwerdeführerin nicht rechtswirksam habe durchgeführt werden können.

Gemäß § 27 Abs. 1 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelende Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Im vorliegenden Fall ist die Frage zu beantworten, ob die belangte Behörde die Pflicht zur Entscheidung über die Berufung vom 4. November 1998 traf oder ob die Berufung bereits durch Erlassung der Berufungsvorentscheidung vom 25. September 2000 gemäß § 206 Abs. 1 stmk. LAO (rechtskräftig) erledigt wurde; letzteres beurteilt sich an Hand der Zustellvorschriften der stmk. LAO.

Gemäß § 76 stmk. LAO ist Abgabestelle im Sinne dieses Landesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort.

Gemäß § 83 Abs. 1 stmk. LAO ist die Sendung dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Ist aber auf Grund einer Anordnung der Behörde an eine andere Person als den Empfänger zuzustellen, so tritt diese an die Stelle des Empfängers.

Nach Abs. 2 dieser Bestimmung darf bei Zustellungen durch Organe der Post oder der Gemeinde auch an eine gegenüber der Post oder der Gemeinde zur Empfangnahme solcher Sendungen bevollmächtigte Person zugestellt werden, soweit dies nicht durch einen Vermerk auf der Sendung ausgeschlossen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der - dem § 83 Abs. 2 stmk. LAO vergleichbaren - Bestimmung des § 13 Abs. 2 Zustellgesetz - ZustG ist der Bevollmächtigte im Sinn des § 13 Abs. 2 ZustG im Gegensatz zum Zustellungsbevollmächtigten nach § 9 ZustG nicht "Empfänger" im Sinn dieses Gesetzes, sondern tritt insofern neben diesen, als an beide zugestellt werden kann. Eine Zustellung an den Bevollmächtigten ist auch dann zulässig und wirksam, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhält und daher eine Ersatzzustellung oder Hinterlegung in Bezug auf den Empfänger unzulässig wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Juni 1993, Zl. 92/16/0116, die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht I2 unter E 14 f zu § 13 ZustG wiedergegebene hg. Rechtsprechung sowie Walter/Mayer, Zustellrecht, Anm. 13 zu § 13 ZustG).

Unbestritten ist, dass die Beschwerdeführerin gegenüber dem Zustellpostamt u.a. Z. zur Empfangnahme von "Rsb-Briefen" bevollmächtigte; damit erteilte sie eine Vollmacht im Sinn des § 83 Abs. 2 stmk. LAO. Die Beschwerdeführerin räumt letztlich ein, dass sie ihre für Z. erteilte Postvollmacht nicht widerrufen habe. Schon in Anbetracht der Zustellung an die Postbevollmächtigte Z. kann daher dahingestellt bleiben, ob am besagten Tag an der Anschrift JGasse in 1160 Wien in Bezug auf die Beschwerdeführerin eine Ersatzzustellung oder Hinterlegung zulässig gewesen wäre. In Ansehung des in tatsächlicher Hinsicht unstrittigen Zustellvorganges tat die vollkommen entbehrliche Befügung eines Stempelabdrucks mit dem Firmenwortlaut der Jgesellschaft mbH auf dem Rückschein der Wirksamkeit dieser Zustellung gegenüber der Beschwerdeführerin keinen Abbruch, zumal die Übernehmerin Z. im Wege des angekreuzten Zusatzes "Postbevollmächtigter für Rsb-Briefe" jedenfalls auch ausdrücklich erklärte, die Zustellung im Namen der Beschwerdeführerin - die ja Adressatin der Sendung war - entgegenzunehmen.

Da die Berufungsvorentscheidung des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz durch Zustellung an eine Postbevollmächtigte der Beschwerdeführerin dieser gegenüber rechtswirksam erlassen wurde und es die Beschwerdeführerin unterlassen hat, dagegen die oberste Behörde, die im Abgabenverfahren im Instanzenzug angerufen werden konnte, anzurufen, war die vorliegende Säumnisbeschwerde wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 23. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005160184.X00

Im RIS seit

11.07.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten