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L65000 Jagd Wild;Norm
JagdG OÖ 1964 §38 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des W K in R, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. Dezember 2002, Zl Agrar-480311/3-2002- I/Bü/Scw, betreffend Entziehung einer Jagdkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 38 Abs 1 lit a in Verbindung mit § 40 des Oberösterreichischen Jagdgesetzes, LGBl Nr 32/1964 idF LGBl Nr 25/2002 (Oö JagdG), die ihm am 24. Mai 1994 ausgestellte Jagdkarte entzogen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Jagdkarte sei bei Fehlen der im Zusammenhang mit der Jagdausübung erforderlichen Verlässlichkeit zu entziehen. Der Beschwerdeführer habe seit dem Jahr 1996 wiederholt seine (nunmehr geschiedene) Gattin mit dem Tod bedroht, am 25. August 2001 zudem nachts aggressiv in die Wohnung seiner geschiedenen Gattin einzudringen versucht (durch Schläge gegen die Terrassentür, Reißen am Fensterflügel und die Drohung, die Terrassentür einzutreten, wenn sie nicht geöffnet werde). Zudem habe er unbefugt Schusswaffen besessen und am 20. Mai 1998 in einer von ihm herbeigeführten Auseinandersetzung mit einem anderen Autofahrer, den er zur Rede stellen habe wollen, diesem am Grenzübergang Wullowitz mit einem Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Diese Umstände manifestierten eine massive Neigung zu Affekt- und Aggressionshandlungen, vor allem in alkoholisiertem Zustand, und damit ein Persönlichkeitsbild, nach dem die vom Gesetz geforderte Verlässlichkeit im Umgang mit Jagdwaffen nicht zugebilligt werden könne. Daran ändere das vom Beschwerdeführer vorgelegte psychologische Gutachten, das sich ausdrücklich auf kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen, fahrverhaltensrelevante Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale, also auf Verhalten im Umgang mit Kraftfahrzeugen bzw im Straßenverkehr, beziehe, nichts.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 40 Oö JagdG ist die Jagdkarte zu entziehen, wenn bei einem Inhaber einer Jagdkarte der ursprüngliche und noch fortdauernde Mangel einer der Voraussetzungen des § 38 nachträglich zum Vorschein kommt oder eine dieser Voraussetzungen nachträglich wegfällt. Voraussetzung für die Erlangung einer Jagdkarte ist gemäß § 38 Abs 1 lit a Oö JagdG der Nachweis der im Zusammenhang mit der Jagdausübung erforderlichen Verlässlichkeit und gemäß § 38 Abs 1 lit d Oö JagdG der Nachweis des Nichtvorliegens eines Verweigerungsgrundes im Sinne des § 39.
Gemäß § 39 Abs 1 lit a Oö JagdG ist die Ausstellung der Jagdkarte unter anderem Personen zu verweigern, deren bisheriges Verhalten besorgen lässt, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden werden.
Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die Feststellungen der belangten Behörde hinsichtlich der gefährlichen Drohungen gegenüber seiner geschiedenen Gattin, meint aber, es hätte berücksichtigt werden müssen, dass das gegen ihn wegen § 107 Abs 1 und 2 StGB geführte Strafverfahren durch Diversion eingestellt worden sei. Auch wenn er "aus prozesstaktischen Gründen" im Strafverfahren ein Schuldbekenntnis abgegeben habe, sei doch weitere Voraussetzung für eine diversionelle Erledigung das Fehlen schwerer Schuld und ein nicht überdurchschnittlicher Unrechtsgehalt der Tat. Hinsichtlich des Vorfalles vom 20. Mai 1998 am Grenzübergang Wullowitz habe die belangte Behörde die Prüfung einer Notwehrsituation unterlassen, was aber auf Grund seiner Angaben in der Anzeige geboten gewesen sei, er habe sich vom Kontrahenten schon wegbewegt, als er von diesem Faustschläge erhalten habe. Schließlich sei die Ansicht der belangten Behörde, das von ihm zu seiner Entlastung vorgelegte psychologische Gutachten beziehe sich lediglich auf kraftfahrspezifische Leistungsfunktionen, unrichtig, weil vielmehr ein allgemeines Persönlichkeitsbild beschrieben werde.
Zu diesen Ausführungen ist zunächst klarzustellen, dass der Beschwerdeführer nicht mehr bestreitet, gegenüber seiner (geschiedenen) Ehegattin die ihm von der belangten Behörde zur Last gelegten Straftaten begangen zu haben. Danach hat er seit dem Jahr 1996 wiederholt seine geschiedene Gattin mit dem Tod bedroht und zudem versucht, gewaltsam in ihre Wohnung einzudringen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass über den Beschwerdeführer wegen der bezeichneten Vorfälle rechtskräftig ein Waffenverbot gemäß § 12 Abs 1 WaffG verhängt wurde.
Der Beschwerdeführer vertritt offenbar die Auffassung, die Einstellung des gegen ihn wegen § 107 Abs 1und 2 StGB geführten Strafverfahrens nach §§ 90a ff StPO bewirke, dass die bezeichneten Vorfälle nicht mehr als Grundlage für die Annahme seiner jagdlichen Unzuverlässlichkeit herangezogen werden könnten.
Gemäß § 90a StPO hat der Staatsanwalt von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn auf Grund hinreichend geklärten Sachverhalts feststeht, dass ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 StPO nicht in Betracht kommt, eine Bestrafung jedoch im Hinblick auf die Zahlung eines Geldbetrages, die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen, die Bestimmung einer Probezeit (allenfalls in Verbindung mit weiteren Maßnahmen) oder im Hinblick auf einen außergerichtlichen Tatausgleich nicht geboten erscheint, um den Verdächtigen von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Gemäß § 90b StPO hat das Gericht diese für den Staatsanwalt geltenden Bestimmung sinngemäß anzuwenden.
Die Einstellung des Strafverfahrens nach Rücktritt von der Verfolgung durch den Staatsanwalt bzw durch das Gericht im Rahmen einer Diversion gemäß §§ 90a ff StPO entfaltet - anders als eine rechtskräftige Verurteilung - keine Bindung (vgl das hg Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl 2003/03/0051). Es besteht aber auch keine Bindung an die Überlegungen des Staatsanwaltes bzw des Gerichtes, eine Bestrafung sei - bei Maßnahmen im Sinne des § 90a StPO - aus spezial- oder generalpräventiven Überlegungen nicht geboten (vgl zur fehlenden Bindung bei einer Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 90 StPO das hg Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl 98/20/0321). Vielmehr war von der belangten Behörde eigenständig zu prüfen, ob aufgrund von Handlungen des Beschwerdeführers die Folgerung gerechtfertigt sei, er weise nicht mehr die vom Oö JagdG geforderte Verlässlichkeit auf. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass eine strafgerichtliche Verurteilung nicht notwendigerweise Voraussetzung für die Annahme des Fehlens der Verlässlichkeit ist: Nach § 39 Abs 1 lit d Oö JagdG ist die Ausstellung einer Jagdkarte bei Vorliegen der in dieser Bestimmung genannten Verurteilungen zu verweigern, ohne dass - gesondert - die Verlässlichkeit zu prüfen wäre; der Betreffende gilt also schon ex lege als unverlässlich. Demgegenüber hat eine Bestrafung im Sinne des § 39 Abs 1 lit e und f Oö JagdG nur dann zur Verweigerung der Ausstellung einer Jagdkarte zu führen, wenn "nach der Eigentümlichkeit der strafbaren Handlung im Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Bewerbers dessen Verlässlichkeit nicht zweifelsfrei erwiesen" ist (§ 39 Abs 3 Oö JagdG). Die im Sinne des § 38 Abs 1 lit a Oö JagdG für die Ausstellung einer Jagdkarte erforderliche Verlässlichkeit kann aber auch dann fehlen, wenn eine Verurteilung des Bewerbers nicht vorliegt. Die fehlende Verurteilung bzw die diversionelle Einstellung des Strafverfahrens wegen der Drohungen des Beschwerdeführers ist also schon deshalb kein Hindernis für eine eigenständige Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers. Auch vor dem Hintergrund der öffentlichen Interessen dienenden Zielsetzung der §§ 38ff Oö JagdG, unverlässliche Personen von der Jagdausübung auszuschließen, ist eine eigenständige Beurteilung der jagdlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde, unabhängig von den für die diversionelle Einstellung des Strafverfahrens maßgeblichen Erwägungen, geboten.
Ausgehend von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Persönlichkeit des Beschwerdeführers dahin beurteilt hat, dass seine Verlässlichkeit nicht angenommen werden könne. Der Beschwerdeführer hat seine geschiedene Gattin mehrfach (von 1996 bis 2001) mit dem Umbringen bedroht und versucht, gewaltsam in ihre Wohnung einzudringen. Mit Recht weist die belangte Behörde darauf hin, dass diese Handlungen ein beträchtliches Aggressionspotential des Beschwerdeführers zeigen und damit ein Persönlichkeitsbild, das die vom Oö JagdG geforderte Verlässlichkeit nicht aufweist.
Da sich die Behörde zur Beurteilung der Verlässlichkeit des Beschwerdeführers also bereits auf die festgestellten Vorfälle stützen konnte, ist der Vorwurf, die belangte Behörde hätte das vom Beschwerdeführer vorgelegte verkehrspsychologische Gutachten berücksichtigen müssen, nicht berechtigt. Dieses Gutachten, das im Verwaltungsverfahren nur auszugsweise vorgelegt wurde, lässt nicht einmal erkennen, dass die festgestellten Vorfälle überhaupt zur Sprache gekommen seien und hat im Übrigen die "kraftfahrspezifischen Leistungen" des Beschwerdeführers, nicht aber die Frage zum Gegenstand, welche Schlüsse aus medizinischpsychologischer Sicht aus den der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegten Vorfällen zu ziehen seien. Schon deshalb steht es den von der belangten Behörde gezogenen Schlüssen nicht entgegen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.
Wien, am 28. März 2006
Schlagworte
Jagdkarte Entzug Verhältnis zum StrafrechtIndividuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2003030026.X00Im RIS seit
18.04.2006Zuletzt aktualisiert am
01.08.2012