TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/28 2003/06/0116

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Veröffentlicht am 28.03.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;

Norm

MRG §27 Abs1 idF 1993/800;
MRG §27 Abs1 Z1 idF 1993/800;
MRG §27 Abs3 idF 1993/800;
MRG §27 Abs5 idF 1993/800;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde des Dipl.-Ing. Dr. H P in K, vertreten durch Dr. Andreas Mirecki, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Neulerchenfelder Straße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Juni 2003, Zl. UVS- 06/10/3989/2002/14, betreffend Übertretung des § 27 des Mietrechtsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis vom 25. März 2002 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, als Eigentümer eines näher bezeichneten Hauses in Wien von den Mietern der in diesem Haus gelegenen Wohnung top Nr. 6 eine Zahlung in Höhe von S 120.736,--, was der Summe von EUR 8.774,23 entspreche, als Baukostenanteil ohne Erbringung einer rechtlich entsprechenden Gegenleistung entgegen genommen zu haben. Es wurde über ihn gemäß § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG eine Geldstrafe von EUR 7.500,--, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Monat, einer Woche und fünf Tagen verhängt und ihm ein Kostenbeitrag von EUR 750,-- auferlegt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. Juni 2003 wurde das vorgenannte Straferkenntnis in der Schuldfrage mit der Maßgabe bestätigt, dass die Übertretungsnorm mit § 27 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 5 MRG, BGBl. 520/1981 idF vor dem 1. Euro-Umstellungsgesetz-Bund, BGBl. 98/2001, zu lauten habe. Die Höhe der Geldstrafe blieb unverändert, die Ersatzfreiheitsstrafe wurde auf drei Wochen herabgesetzt.

Nach der - zusammengefassten - Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer ist Alleineigentümer eines vor 1914 errichteten Hauses in W, in dem sich Mietwohnungen befinden. Im Zuge einer Generalsanierung dieses Hauses mit den Mitteln eines § 18 MRG-Verfahrens wurde auf Wunsch der Mieter zweier Wohnungen jeweils ein Balkon für diese Wohnungen errichtet, dies erfolgte außerhalb des § 18 MRG-Verfahrens. Die Kosten des Balkons der verfahrensgegenständlichen Wohnung top Nr. 6 in Höhe von etwas über S 100.000,-- wurden vom Mieter dieser Wohnung bezahlt und vom Beschwerdeführer auf einem Sparbuch angelegt, auf das nur er Zugriff hat und auf dem sich dieser Betrag noch zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides befand. Mit dem Mieter wurde vereinbart, dass er bei Auszug aus der Wohnung die von ihm bezahlten Errichtungskosten für den Balkon abzüglich einer 2%-igen Amortisation pro Jahr zurückerhält. Diese Vereinbarung wurde von einer vom Beschwerdeführer bevollmächtigten Hausverwaltung ausverhandelt. Der Beschwerdeführer selbst kümmerte sich nicht um die Agenden des Hauses. Der Mieter der Wohnung Top Nr. 6 erhielt bei Auszug aus der Wohnung die von ihm für den Balkon bezahlte Summe abzüglich einer 2%-igen Amortisation plus Zinsen aus dem Kautionskonto des Hauses zurück. Alle nachfolgenden Mieter dieser Wohnung zahlten in weiterer Folge den dem jeweils scheidenden Mieter zurückbezahlten Betrag als Baukostenanteil ein, der wiederum auf das Kautionskonto gelegt wurde. Die Mieter Mag. S. und Dipl.-Ing. U. entrichteten anlässlich des Abschlusses eines Mietvertrages auf unbestimmte Zeit über die in Rede stehende Wohnung am 4. Oktober 2000 einen Betrag von S 120.736,-- als Baukostenanteil an den von der Hausverwaltung beauftragten Makler.

§ 6 dieses Mietvertrages lautet wie folgt:

"Der Mieter leistet bei Vertragsabschluss einen Baukostenanteil in Höhe von S 120.736,-- (inklusive 20 % USt). Nach Beendigung des Mietverhältnisses wird dem Mieter der Baukostenanteil abzüglich der Amortisation in der Höhe von 2 % pro Jahr zurückerstattet. § 18 läuft bis zum 31.5.2002. Ab diesem Zeitpunkt wird der Richtwertzins für Kategorie A eingehoben."

Dieser Betrag wurde an die Hausverwaltung weitergeleitet und von dieser auf das Kautionskonto des Hauses gelegt. Der Beschwerdeführer hatte von der Bezahlung dieses Betrages keine Kenntnis, weil er sich um die Verwaltung des Hauses nicht gekümmert hat.

Diesen Sachverhalt würdigte die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht dahingehend, dass es sich aus näher dargestellten Gründen bei dem als Baukostenanteil titulierten Betrag von S 120.736,-- nicht um Rückersatz des Aufwandes handle, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 MRG zu ersetzen habe. Dieser unter dem Titel "Baukostenanteil" geleistete Betrag stelle daher eine verbotene Leistung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG dar, weshalb der objektive Tatbestand als erfüllt anzusehen sei. Zum Einwand des mangelnden Verschuldens des Beschwerdeführers in Hinblick auf die Betrauung einer Hausverwaltung mit der Verwaltung des Hauses führte die belangte Behörde aus, ein Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 3 VStG an die Hausverwaltung scheitere bereits daran, dass der Beschwerdeführer als Eigentümer des Hauses nicht Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens sei. Der dem Beschuldigten nach § 5 Abs. 1 VStG obliegende Entlastungsbeweis könne nicht allein durch den Nachweis erbracht werden, dass die ihn treffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedürfe vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden sei. Der Beschwerdeführer habe keinerlei Kontrollmaßnahmen aufgezeigt, vielmehr die Verwaltung des Hauses der Hausverwaltung "eigenverantwortlich" überlassen. Er habe selbst vorgebracht (und sei dies auch im Verfahren bestätigt worden), dass er sich um die Agenden des Hauses nicht gekümmert und sich auf die Hausverwaltung verlassen habe. Gerade im verfahrensgegenständlichen Fall der Einhebung eines Baukostenanteiles von Mietern der Wohnung top Nr. 6 wäre eine Hinterfragung durch den Beschwerdeführer, ob diese Einmalzahlung neben der Bezahlung des Mietzinses rechtens sei, angebracht gewesen. Der Beschwerdeführer habe das Geld für die Errichtung des Balkons vom auftraggebenden Mieter erhalten und auf ein anonymes Sparbuch gelegt, wo es noch heute liege. Er habe zumindest davon Kenntnis gehabt, dass der auftraggebende Mieter die Baukosten des Balkons abzüglich einer Amortisation zurückbekommen habe, was aber in Hinblick darauf, dass das ursprünglich bezahlte Geld beim Beschwerdeführer verblieben sei, nur bedeuten könne, dass ein Hauskonto belastet worden sein müsse. Daher habe der Beschwerdeführer auch damit rechnen müssen, dass dieses Hauskonto bei der Anmietung durch den nächsten Mieter wieder ausgeglichen werden würde. Hätte er Informationen eingeholt, ob solche Einmalzahlungen rechtens seien, hätte er durchaus in Erfahrung bringen können, dass es sich dabei um eine verbotene Leistung nach § 27 Abs. 1 MRG handle. Der Beschwerdeführer müsse sich daher den Vorwurf des fahrlässigen Handelns gefallen lassen. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat sei sohin als erwiesen anzusehen und der erstinstanzliche Schuldspruch in modifizierter Form (die Abänderung diene der richtigen Zitierung der heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen) zu bestätigen gewesen (es folgen Erwägungen der belangten Behörde zur Strafbemessung).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Mietrechtsgesetz (MRG), BGBl. Nr. 520/1981, idF des 3. Wohnrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 800/1993, anzuwenden. Die maßgebliche Bestimmung lautet wie folgt:

"Verbotene Vereinbarungen und Strafbestimmungen

§ 27. (1) Ungültig und verboten sind

1. Vereinbarungen, wonach der neue Mieter dafür, dass der frühere Mieter den Mietgegenstand aufgibt oder sonst ohne gleichwertige Gegenleistung dem Vermieter, dem früheren Mieter oder einem anderen etwas zu leisten hat; unter dieses Verbot fallen aber nicht die Verpflichtung zum Ersatz der tatsächlichen Übersiedlungskosten oder zum Rückersatz des Aufwandes, den der Vermieter dem bisherigen Mieter nach § 10 zu ersetzen hat;

...

(3) Was entgegen den Bestimmungen der §§ 15 bis 26 oder den Bestimmungen des Abs. 1 geleistet wird, kann samt den gesetzlichen Zinsen zurückgefordert werden. ...

...

(5) Wer für sich oder einen anderen Leistungen entgegen nimmt oder sich versprechen lässt, die mit den Vorschriften des Abs. 1 im Widerspruch stehen, ..., begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 200.000 S zu bestrafen. Die Geldstrafe ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit so zu bemessen, dass sie den Wert der nach Abs. 1 unzulässig vereinbarten Leistung, ist aber der Täter bereits zweimal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden, das zweifache dieses Wertes übersteigt; reicht das gesetzliche Höchstmaß nicht aus, so kann dieses um die Hälfte überschritten werden. ... Würde eine so bemessene Geldstrafe zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Täters führen, so kann auch eine niedrigere Geldstrafe ausgesprochen werden, als es dem Wert oder zweifachen Wert der unzulässig vereinbarten Leistung entspräche. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe darf sechs Wochen nicht übersteigen.

..."

Gemäß Art. 68 Z. 7 des 1. Euro-Umstellungsgesetzes-Bund, BGBl. I Nr. 98/2001, wird in § 27 Abs. 5 erster Satz MRG der Betrag von "200.000 S" durch den Betrag von "15.000 Euro" ersetzt.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der von den Mietern anlässlich des Abschlusses des Mietvertrages an den Beschwerdeführer (im Wege der Hausverwaltung bzw. an den von dieser mit dem Mietvertragsabschluss beauftragten Makler) am 4. Oktober 2000 bezahlte und als Baukostenanteil titulierte Betrag von S 120.736,-- sei eine verbotene Leistung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG.

Da sowohl der in § 27 Abs. 3 MRG normierte Rückforderungsanspruch des Mieters als auch die in § 27 Abs. 5 leg. cit. statuierte Strafbarkeit des (auch potenziellen) Zahlungsempfängers an das Vorliegen einer nach Abs. 1 (im Beschwerdefall: Z. 1) dieser Bestimmung unzulässigen Vereinbarung über Leistungen eines Mieters an den Vermieter ohne gleichwertige Gegenleistung anknüpft, können die in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) zu § 27 Abs. 3 MRG entwickelten Grundsätze zum "Ablöseverbot" des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG zur Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Zahlung herangezogen werden.

Festzuhalten ist zunächst, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde eine Qualifikation des geleisteten Betrages als "Mietzinsvorauszahlung" nicht schon deshalb ausscheidet, weil der Beschwerdeführer das Vorliegen einer solchen gar nicht behauptet habe, handelt es sich doch dabei um eine von der belangten Behörde aus eigenem - ohne Bindung an das Parteienvorbringen - zu lösende Rechtsfrage.

Nach ständiger Rechtsprechung des OGH genügt für die Vermeidung eines Zuwiderhandelns gegen das Ablöseverbot des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG eine Vereinbarung, wonach eine vom Mieter verlangte Einmalleistung als vorausgezahlter Mietzins für einen bestimmten Zeitraum angerechnet wird und aliquot zurückverlangt werden kann, wenn das Mietverhältnis vor Ablauf des Vorauszahlungszeitraums endet. Nur wenn es an diesen Voraussetzungen fehlt, kann der Mieter seine "Mietzinsvorauszahlung" unter Berufung auf § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG als unzulässig und verbotene Ablöse zurückfordern (vgl. u.a. das Urteil vom 12. Juni 1996, 5Ob 2077/96v). Der anlässlich des Mietvertragsabschlusses vom Mieter zu leistende Baukostenzuschuss (Finanzierungsbeitrag) ist funktionell nichts anderes als eine Mietzinsvorauszahlung, wenn er innerhalb einer bestimmten Zeitspanne "verbraucht" wird und bei vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses aliquot zurückzuzahlen ist. Nur ein Baukostenzuschuss, der nicht einer echten Mietzinsvorauszahlung entspricht, fällt unter das Ablöseverbot des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG (vgl. u.a. das Urteil vom 15. September 1998, Zl. 5Ob 128/98d).

Die im Beschwerdefall zu beurteilende Einmalzahlung eines Betrages von S 120.736,-- inklusive USt anlässlich des Vertragsabschlusses hätte nach den dargelegten Grundsätzen demnach als Mietzinsvorauszahlung angesehen werden können, die auf Grund der vereinbarten Amortisierung von 2 % pro Jahr eine Mietdauer von 50 Jahren abdecken soll.

Da die belangte Behörde die Frage, ob eine dem Ablöseverbot des § 27 Abs. 1 Z. 1 MRG unterliegende und die Strafbarkeit des Beschwerdeführers begründende Zahlung vorliegt, ohne Auseinandersetzung mit der Frage, ob es sich um eine Mietzinsvorauszahlung handelt, gelöst hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 28. März 2006

Schlagworte

Auslegung Diverses VwRallg3/5 Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003060116.X00

Im RIS seit

26.04.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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