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19/05 Menschenrechte;Norm
ABGB §1152;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. September 2005, Zl. Fr 969/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen chinesischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z 8 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.
Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass der Beschwerdeführer am 7. April 2005 von Beamten des Zollamtes Wiener Neustadt in einem näher genannten Lokal bei einer Arbeitstätigkeit in der Betriebsküche angetroffen worden sei und keine gültige arbeitsmarktrechtliche Bewilligung besessen habe. Der Beschwerdeführer sei im Juli 2002 illegal eingereist, sein Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. April 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen worden. Das Verfahren über einen weiteren Asylantrag sei am 9. Juni 2005 gemäß § 30 Abs. 1 AsylG eingestellt worden. Er sei bis 31. März 2004 in Österreich aufrecht gemeldet gewesen und habe bei seiner Betretung am 7. April 2005 angegeben, dass er im Oktober 2004 wieder nach Österreich eingereist wäre. Er hätte keine Verwandten "in Österreich und der EU". Er hätte in dem genannten Lokal essen wollen und hätte dann ausgeholfen. Dies wäre vereinbart worden. Er wüsste, dass er nicht hätte arbeiten dürfen, aber er hätte helfen müssen, um etwas zu essen zu bekommen.
Der Rechtfertigung des Beschwerdeführers - so die belangte Behörde weiter -, dass er lediglich aus einer Notlage heraus eine unentgeltliche Tätigkeit verrichtet habe, sei entgegenzuhalten, dass er für diese Tätigkeit entgeltwerte Gegenleistungen bezogen habe, und zwar in Form einer kostenlosen Bereitstellung von Verpflegung und Unterkunft. Somit sei seine Tätigkeit als Verwendung in einem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Die Stellung als Asylwerber stelle für sich genommen keine Notsituation dar, die eine gegen die Regeln des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbrachte Tätigkeit rechtfertigen könnte. Das Vorliegen von "Schwarzarbeit" rechtfertige die in § 36 Abs. 1 FrG normierte Annahme.
Sein dreijähriger Aufenthalt im Bundesgebiet könne hinsichtlich seiner Integration nicht besonders gewichtet werden und er habe in Österreich keine Verwandten. Das Aufenthaltsverbot bedeute somit nur einen geringen Eingriff in sein Privatleben. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes überwiege daher das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes und es stehe weder die "Kannbestimmung des § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 noch das Regelungswerk des § 37" der Erlassung des Aufenthaltsverbotes entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
In § 36 Abs. 2 FrG sind demonstrativ Sachverhalte angeführt, die als bestimmte Tatsachen im Sinn des § 36 Abs. 1 leg. cit. gelten, bei deren Verwirklichung die dort genannte Annahme gerechtfertigt sein kann. Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Aufenthaltsverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2005/21/0044).
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat ua. zu gelten, wenn ein Fremder von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen (Z 8).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die behördlichen Feststellungen. Davon ausgehend durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 8 FrG als verwirklicht ansehen; auch die Bereitstellung von Quartier und Verpflegung stellt nämlich eine Gegenleistung in einem Dienstverhältnis dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, Zl. 98/09/0280).
Die Beschwerde bringt - offenkundig im Blick auf die Prognose nach § 36 Abs. 1 FrG - vor, durch die Pönalisierung seines Verhaltens werde dem Beschwerdeführer nichts anderes als das Recht zu leben im Sinn von Art. 2 EMRK abgesprochen, weil er dem Verhungern preisgegeben wäre. Es könne nicht ernsthaft angenommen werden, dass ein Österreicher bereit wäre, in einem Chinalokal "umsonst" zu arbeiten, weshalb der Arbeitsmarkt nicht beeinflusst werde.
Warum dem Beschwerdeführer ohne Ausübung von "Schwarzarbeit" in Österreich ein "Verhungern" drohen sollte, wird in der Beschwerde nicht konkret dargelegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger hg. Rechtsprechung ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von "Schwarzarbeit" besteht und auch die Lage eines Asylwerbers keine Notsituation bildet, die eine gegen die Regelungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes erbrachte Tätigkeit rechtfertigen könnte (vgl. das Erkenntnis vom 25. September 2003, Zl. 2001/18/0139). Zudem stellt ein Aufenthaltsverbot als administrativ-rechtliche Maßnahme auch keine "Pönalisierung" im Sinn der Beschwerde dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2003. Zl. 2003/21/0125).
Der zweite Einwand der Beschwerde geht dahin, dass in Entsprechung einer "einschlägigen EU-Richtlinie" die aufenthaltsbeendende Maßnahme einer "gerichtlichen (tribunalähnlichen) Kontrolle" unterliegen müsste und die belangte Behörde zweifellos kein Gericht sei. Diesem Vorbringen ist der Boden entzogen, weil der Beschwerdeführer weder Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union noch begünstigter Drittstaatsangehöriger ist. Im Übrigen stellt ein Aufenthaltsverbot keine Entscheidung im Sinn des Art. 6 Abs. 1 EMRK dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2004, Zl. 2001/21/0007).
Die Ausübung des Ermessens und die Beurteilung nach § 37 FrG durch die belangte Behörde werden in der Beschwerde nicht releviert; der Gerichtshof vermag auch diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit zu erkennen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Ein Fall des § 125 Abs. 4 FPG liegt nicht vor.
Wien, am 28. März 2006
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2006210044.X00Im RIS seit
19.05.2006Zuletzt aktualisiert am
09.07.2009