TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/28 2005/03/0056

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.03.2006
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

ABGB §309;
AVG §66 Abs4;
VwRallg;
WaffG 1996 §25 Abs3;
WaffG 1996 §6;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z1;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z2;
WaffG 1996 §8 Abs1 Z3;
WaffG 1996 §8 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des K T in W, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. September 2003, Zl SD 870/02, betreffend Entziehung einer Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. September 2002 war dem Beschwerdeführer gemäß § 25 Abs 3 iVm § 8 Abs 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 idF BGBl I Nr 134/2002 (WaffG), die ihm am 22. Dezember 1998 ausgestellte Waffenbesitzkarte entzogen worden.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, dass aus den eingeholten Gutachten hervorgehe, der Beschwerdeführer besitze aus medizinischer Sicht nicht die geforderte Verlässlichkeit, weil "reduzierte psychologische Leistungsfunktionen" feststellbar seien. Dazu komme der als auffällig anzusehende Umstand, dass der Beschwerdeführer zur Untersuchung in die Ambulanz der psychiatrischen Abteilung des AKH Wien am 15. Oktober 2001 mit einem geladenen Gasrevolver gekommen sei.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wandte sich der Beschwerdeführer im Einzelnen gegen die vom "Chefarzt" angenommene "psychologische Leistungsreduktion"; aus den bisher eingeholten Gutachten lasse sich eine Unzuverlässigkeit im waffenrechtlichen Sinn nicht ableiten. Das Verfahren sei mangelhaft geblieben, zumal weder das vom Beschwerdeführer beantragte "Obergutachten" noch die von der Universitätsklinik angeregte Computertomographie bzw Magnetresonanzuntersuchung eingeholt worden seien. Auch aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer beim Eintreffen in die Ambulanz der psychiatrischen Abteilung des AKH einen Gasrevolver mit sich geführt habe, könne keine Unzuverlässlichkeit abgeleitet werden, zumal es jedem über 18 jährigen, über den kein Waffenverbot verhängt worden sei, frei stehe, einen Gasrevolver zu besitzen und zu führen. Vielmehr könne man annehmen, dass der Beschwerdeführer auf Grund dieses Vorfalls im AKH besonders gründlich auf erhöhte Aggressionsbereitschaft, Ängstlichkeit, Ichbezogenheit und paranoiden Duktus untersucht worden sei, wobei das Gutachten ergeben habe, dass solche Umstände nicht vorlägen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht Folge. Begründend führte sie - nach einer Wiedergabe des Verfahrensganges und einer Darstellung der maßgebenden Rechtslage - Folgendes aus:

"Dem vorliegenden Akteninhalt zufolge war dem Berufungswerber erstmals im Dezember 1980 eine Waffenbesitzkarte für sechs Faustfeuerwaffen ausgestellt worden. Mit Bescheid des Bundesministeriums für Landesverteidigung vom 19.02.1982 wurde ihm eine Ausnahmebewilligung zum Besitz zweier halbautomatischer Gewehre (Kriegsmaterial) erteilt. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23.10.1992 musste jedoch gegen den Berufungswerber ein Waffenverbot erlassen werden. Grund dafür war eine rechtskräftig Verurteilung des Berufungswerbers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien am 17.06.1991 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung gewesen. Der Berufungswerber hatte am 26.12.1990 in Wien anlässlich einer Auseinandersetzung im Straßenverkehr einen Mann dadurch bedroht, indem er einen Gasrevolver gezogen und die Mündung auf seinen Kontrahenten gerichtet hatte. Wie aus der Urteilsbegründung weiters hervorging, hatte das Gericht überdies den Eindruck gewonnen, dass der Berufungswerber zu jenen Leuten gehöre, die sich gerne bewaffnen und dies auch demonstrieren, zumal er am Tatort in einer amerikanischen Marineuniform aufgetreten war.

Im Mai 1998 stellte der Berufungswerber den Antrag auf Aufhebung des Waffenverbotes und die Erteilung einer Waffenbesitzkarte für zwei genehmigungspflichtige Waffen und begründete diesen damit, dass seine Vorstrafe nunmehr getilgt sei und er sich seit der ihm zur Last gelegten Tat - somit mehr als sieben Jahre - wohlverhalten habe. Zudem habe er zwischenzeitlich ein Gutachten (datiert vom 11.05.1998) einer Begutachtungsstelle gemäß § 1 Abs 2 Waffenverordnung eingeholt, welches er seinem Antrag anschließe. Aus diesem ergäbe sich, dass er nicht dazu neige, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig umzugehen oder sie leichtfertig zu verwenden. Daraufhin wurde dem Berufungswerber eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen ausgestellt.

Im September 2000 stand der Berufungswerber zunächst im Verdacht, seiner Mutter in den letzten Monaten mehrmals ein blutzuckersenkendes Mittel verabreicht zu haben. Im Zuge dieser Erhebungen bzw. eines durchgeführten Hausdurchsuchungsbefehls wurden in einem doppelten Waffenschrank im Zimmer des Berufungswerbers zwei Faustfeuerwaffen, 12 Langwaffen (davon drei Pumpguns) sowie 2484 Schuss Munition vorgefunden. Ein weiterer Waffenschrank, der sich ebenfalls im Zimmer des Berufungswerbers befand, konnte mangels der dafür erforderlichen Schlüssel zunächst nicht geöffnet werden. Unter dem Schreibtisch des Berufungswerbers wurden in Kisten noch zusätzliche 1564 Schuss Munition vorgefunden.

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 09.09.2000 gab der Berufungswerber befragt zu den vorgefundenen Waffen zu Protokoll, eine Waffenbesitzkarte zu haben und Eigentümer von drei Faustfeuerwaffen zu sein. Die Pistole SIG 2/10 befinde sich in seinem Waffenschrank. Zwei weitere Waffen, nämlich eine Pistole Walther PPK 7,65 sei bei einem Waffenhändler und ein Revolver S & W Kal. 357 Mag. im Dorotheum verwahrt. Darüber hinaus befänden sich fünf verschiedene Langwaffen sowie ein SSG/69 Steyr Scharfschützengewehr in seinem Waffenschrank. Seine Mutter besitze ebenfalls eine Waffenbesitzkarte, in deren Waffenschrank befänden sich eine Pistole Marke Hämmerli Kal. 22 sowie eine CZ 75 Kal. 9mm Para, drei Gewehre und vier Pumpguns. Zu diesen Waffen habe er die dazu gehörige Munition. Auf seine Besitzkarte sei nur die Pistole SIG 2/10 angemeldet, alle anderen Waffen in der Wohnung seien auf seine Mutter gemeldet. Dem Bericht vom 10.09.2000 zufolge, befindet sich im Zimmer des Berufungswerbers ein doppelter Waffenschrank, wobei die Mutter des Berufungswerbers keine Schlüssel zu dem Waffenschrank ihres Sohnes besitzt. Wenn der Berufungswerber das Zimmer verlässt, wird die Tür zu seinem Zimmer ebenfalls abgesperrt. Insgesamt wurden anlässlich der gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung jedenfalls zwei Faustfeuerwaffen, zwölf Langwaffen (davon drei Pumpguns) vorgefunden. Warum der Berufungswerber bei der ersten Befragung eine unterschiedliche Anzahl von Waffen den Beamten mitgeteilt habe, konnte er nicht erklären. Die Mutter des Berufungswerbers gab am 10.09.2000 zu den Waffen befragt an, über eine Waffenbesitzkarte und zwei Waffen zu verfügen. Die eine Waffe sei im Waffenschrank ihres Sohnes aufbewahrt, die andere Waffe in ihrem Waffenschrank, zu dem sie den Schlüssel besitze. Der Schrank stehe im Zimmer ihres Sohnes. Zu dem Vorhalt, dass in ihrer Wohnung insgesamt drei Faustfeuerwaffen, 13 Gewehre sowie über 4.000 Schuss Munition sichergestellt worden waren, teilte die Mutter des Berufungswerbers mit, von den vielen Waffen nichts gewusst zu haben. Ebenso wenig habe sie gewusst, dass laut Angabe ihres Sohnes, fast alle Waffen auf ihren Namen eingetragen wären.

Wie aus dem Bericht vom 10.09.2000 weiters hervorgeht, hatte der Berufungswerber, als er in das Sicherheitsbüro zu einer niederschriftlichen Einvernahme gebracht werden sollte, eine uniformähnliche Sommerkleidung getragen, ein Werkzeugmesser (Leatherman) am Gürtel und ein Fixiermesser in der Hosentasche dabei. Weiters hatte er seine Umhängetasche mitnehmen wollen, in der sich ein Schreckschussrevolver, ein Tränengasspray und Handschellen befanden. Der Berufungswerber war von den Beamten angewiesen worden, die Gegenstände in der Wohnung zu belassen. Auch zu der am 15.10.2001 anberaumten Untersuchung in der Universitätsklinik für Psychiatrie erschien der Berufungswerber mit einer Gaspistole samt Munition und einem Messer.

Wie bereits weiter oben ausgeführt ist dafür, ob eine Person als verlässlich angesehen werden kann, auf die Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit sowie auf konkrete Verhaltensweisen des Betroffenen Bedacht zu nehmen, die Schlüsse darauf zulassen, dass insbesondere eine leichtfertige Verwendung von Faustfeuerwaffen nach menschlicher Voraussicht ausgeschlossen werden kann. Die hier erforderliche Verhaltensprognose hat namentlich dann negativ auszufallen, wenn auch nur ein einziger Vorfall besonderer Umstände wegen den Schluss zu rechtfertigen geeignet ist, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine zureichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Bereits anlässlich seiner Verurteilung im Jahr 1991, als der Berufungswerber einen Mann mit einer Gaspistole bedroht hatte, gewann das Gericht den Eindruck, dass der Berufungswerber sich gerne bewaffne und dies auch demonstriere. Daran hat sich - wie der Berufungswerber selbst augenscheinlich unter Beweis gestellt hat - nach wie vor nichts geändert. Der Berufungswerber hat anlässlich seiner Untersuchung an der Universitätsklinik für Psychiatrie zu den zahlreichen Waffen angegeben, er habe bereits mit zwölf Jahren angefangen, auf einem jährlich stattfindenden Markt zu schießen. Später habe er mit dem Luftdruckgewehr auf Zielscheiben geschossen. Mit 18 Jahren habe er einen Vorderlader und eine Gaspistole erworben, wobei er 1980 die alten Vorderlader gegen moderne Waffen eingetauscht habe. Er schieße hobbymäßig zweibis dreimal monatlich in einem Schießkeller einer Waffenfirma. Eine genauere Erklärung, warum er zu dieser Untersuchung mit einer Gaspistole erschienen ist und warum er somit die Waffe bei sich trägt, habe er nicht abgegeben. Bei allem Verständnis dafür, dass jemand Interesse am Schießsport hat, so erscheint es dennoch befremdlich, dass jemand das Bedürfnis hat, permanent eine 'Waffe', wie im gegenständlichen Fall einen Gasrevolver, mit sich zu führen.

Auch ist die Vermutung der erhebenden Beamten des Sicherheitsbüros nicht von der Hand zu weisen, dass nach Erlassung des Waffenverbots gegen den Berufungswerber deshalb eine Waffenbesitzkarte für seine Mutter beantragt wurde, um ihm weiterhin den Zugang zu Waffen zu ermöglichen. Diese Annahme wird vor allem dadurch erhärtet, als der Berufungswerber alle Waffen, somit auch die seiner Mutter, in einem doppelten Waffenschrank in seinem Zimmer aufbewahrt hatte. So hatte die Mutter des Berufungswerbers nicht einmal gewusst, wie viele Waffen sich überhaupt in der Wohnung befinden. Abgesehen davon hatte die Mutter des Berufungswerbers insofern keine ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf ihre Schusswaffen, weil dem Bericht zufolge der Berufungswerber das Zimmer nach Verlassen versperrt hatte. Außerdem ist ebenso wenig nachvollziehbar, warum jemand der Zeit seines Lebens über keine waffenrechtliche Urkunde verfügt hatte (laut Antrag vom 22.06.1995) plötzlich im Alter von 74 Jahren eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen und vier Pumpguns beantragt.

Dazu kommt noch, dass der Berufungswerber am 09.09.2000 selbst angegeben hatte, Eigentümer von drei Faustfeuerwaffen zu sein, obwohl er lediglich über eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen verfügt. Auf Grund der dargelegten Umstände gelangte daher die Berufungsbehörde zu dem Schluss, dass der Berufungswerber keine hinreichende Gewähr mehr dafür bietet, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde, weshalb der Berufungswerber als nicht (mehr) verlässlich anzusehen ist. Daher war auch die Einholung eines beantragten 'Obergutachtens' entbehrlich."

Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die maßgebenden Bestimmungen des Waffengesetzes 1996, BGBl I Nr 12/1997 idF BGBl I Nr 134/2002 (WaffG), lauten:

"Verlässlichkeit

§ 8. (1) Ein Mensch ist verlässlich, wenn er voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er

1.

Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;

2.

mit Waffen unvorsichtig umgehen oder diese nicht sorgfältig verwahren wird;

              3.              Waffen Menschen überlassen wird, die zum Besitz solcher Waffen nicht berechtigt sind.

...

Überprüfung der Verlässlichkeit

§ 25. (1) Die Behörde hat die Verlässlichkeit des Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen, wenn seit der Ausstellung der Urkunde oder der letzten Überprüfung fünf Jahre vergangen sind.

...

(3) Ergibt sich, dass der Berechtigte nicht mehr verlässlich ist, so hat die Behörde waffenrechtliche Urkunden zu entziehen."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Wertung einer Person als "verlässlich" im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen, weil der Begriff der Verlässlichkeit der Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, dass die vom WaffG geforderte Verlässlichkeit nicht gewährleistet ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des WaffG bei der Prüfung der Verlässlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die solcherart anzustellende Verhaltensprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluss rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. Die "Tatsachen" im Sinne des § 8 Abs 1 WaffG als Ausgangspunkt der Prognoseentscheidung sind nicht eingeschränkt; es kommt jede Verhaltensweise, jede Charaktereigenschaft der zu beurteilenden Person in Betracht, die nach den Denkgesetzen und der Erfahrung einen Schluss auf ihr zukünftiges Verhalten im Sinne des § 8 Abs 1 Z 1 bis 3 WaffG zulässt, also erwarten lässt, der Betreffende werde Waffen missbräuchlich oder leichtfertig verwenden, damit unvorsichtig umgehen oder sie nicht sorgfältig verwahren oder sie Menschen überlassen, die zu deren Besitz nicht berechtigt sind (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Oktober 2005, Zl 2005/03/0060).

Während die erstinstanzliche Behörde ihre Entscheidung im Wesentlichen auf die von ihr angenommene, aus den eingeholten Gutachten abzuleitende "psychologische Leistungsreduktion" stützte, ging die belangte Behörde - wie dargestellt - davon aus, dass nach Erlassung des Waffenverbotes gegen den Beschwerdeführer (Oktober 1992 bis Mai 1998) eine Waffenbesitzkarte für seine Mutter beantragt worden sei, um ihm weiterhin den Zugang zu Waffen zu ermöglichen. Der Beschwerdeführer habe weiters keine Erklärung dafür abgegeben, warum er zur Untersuchung an der Universitätsklinik für Psychiatrie mit einer Gaspistole erschienen sei und warum er diese Waffe bei sich trage; es erscheine aber "befremdlich", dass jemand das Bedürfnis habe, permanent eine Waffe mit sich zu führen. Dazu komme noch, dass der Beschwerdeführer selbst angegeben habe, Eigentümer von drei Faustfeuerwaffen zu sein, obwohl er lediglich über eine Waffenbesitzkarte für zwei Faustfeuerwaffen besitze. Aus diesen Umständen sei bereits der Schluss zu ziehen, dass der Beschwerdeführer keine hinreichende Gewähr mehr dafür biete, dass er von Waffen keinen missbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde, weshalb er als nicht mehr verlässlich anzusehen sei und die Einholung des beantragten "Obergutachtens" entbehrlich erscheine.

Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die belangte Behörde habe ihre Begründung auf Umstände gestützt, die im Verfahren erster Instanz nicht erörtert worden seien, ohne ihm im Berufungsverfahren die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben, und so sein rechtliches Gehör verletzt. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Klarzustellen ist zunächst, dass die belangte Behörde durch Heranziehung von der erstinstanzlichen Behörde nicht berücksichtigter Sachumstände zwecks Beurteilung der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht die "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs 4 AVG überschritten hat. Die den Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens bildende Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit wurde vielmehr lediglich unter einem anderen Blickwinkel beurteilt, Sache des Berufungsverfahrens war die Entziehung der Waffenbesitzkarte des Beschwerdeführers (vgl das hg Erkenntnis vom 29. März 2001, Zl 2000/20/0563).

Auf die von der erstinstanzlichen Behörde angenommenen "reduzierten psychologischen Leistungsfunktionen" kommt die belangte Behörde zur Begründung der fehlenden Verlässlichkeit des Beschwerdeführers nicht mehr zurück, wie sie in der Gegenschrift klarstellt; damit fehlt den in der Beschwerde vorgetragenen, gegen die Schlüssigkeit der zu diesem Thema eingeholten Gutachten gerichteten Argumenten die Relevanz.

Die "nicht von der Hand zu weisende Vermutung" der erhebenden Beamten der erstinstanzlichen Behörde, es sei nach Erlassung des Waffenverbotes gegen den Beschwerdeführer deshalb eine Waffenbesitzkarte für seine Mutter beantragt worden, um ihm weiterhin den Zugang zu Waffen zu ermöglichen, wurde dem Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zwar nicht vorgehalten. Der Beschwerdeführer hat aber in der Beschwerde die Relevanz eines in dieser Unterlassung begründeten Verfahrensmangels nicht dargetan. Er hat den der "Vermutung" zu Grunde gelegten Sachverhalt (Beantragung der Waffenbesitzkarte durch die schon vierundsiebzigjährige Mutter des Beschwerdeführers; keine Zugriffsmöglichkeit auf "ihre" im Zimmer ihres Sohnes versperrten Waffen; kein Wissen von der Vielzahl der auf ihren Namen eingetragenen Waffen) nicht bestritten; die dazu von der belangten Behörde angestellten Erwägungen erscheinen nicht unschlüssig. Eine "Vorankündigung" der beabsichtigten Würdigung der aufgenommenen Beweise durch die belangte Behörde war aber ebenso wenig erforderlich wie die Einräumung von Parteiengehör zur rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhaltes (vgl die unter E 409 ff in Walter/Thienel I, 2. Auflage, zu § 45 AVG wiedergegebene hg Judikatur).

Es ist also davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer - in Umgehung bzw unter Missachtung des gegen ihn verhängten Waffenverbotes - die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte an seine Mutter (mit-)veranlasst hat, um weiterhin Zugang zu Waffen zu haben. Damit liegt ein Sachverhalt vor, der - im Hinblick auf die Gefahr einer Überlassung von Schusswaffen an nicht zu deren Besitz berechtigte Menschen - an der waffenrechtlichen Verlässlichkeit des Beschwerdeführers zweifeln lässt. Der Beschwerdeführer hat aufgrund dieser Vorgangsweise nicht nur selbst unbefugt Waffen besessen, sondern auch seine Mutter dazu bestimmt, ihm - verbotswidrig - Zugang zu Waffen zu ermöglichen.

Dazu kommt folgender Umstand: Der Beschwerdeführer, dessen am 22. Dezember 1998 ausgestellte Waffenbesitzkarte ihn zum Erwerb und zum Besitz von zwei genehmigungspflichtigen Schusswaffen berechtigte, war Eigentümer von drei Faustfeuerwaffen, wobei seinem Vorbringen nach eine bei einem Waffenhändler und eine "im Dorotheum" verwahrt gewesen sei. Entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen erfordert nicht nur der Besitz, sondern auch der Erwerb von genehmigungspflichtigen Schusswaffen eine behördliche Bewilligung (§ 20 Abs 1 WaffG). Überdies führt die Verwahrung einer Waffe bei einem Waffenhändler oder beim "Dorotheum" nicht dazu, dass der Eigentümer der Waffe keinen Besitz (mehr) an dieser Waffe hätte. So hat der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil vom 8. Juni 1989, 12 Os 36/89, klargestellt, dass der Besitzbegriff des Waffengesetzes jedenfalls auch jeden Besitz im Sinne des ABGB umfasst und die Übergabe einer Waffe an einen Verwahrer, der zivilrechtlich zur Herausgabe der ihm anvertrauten Sache verpflichtet ist, den Besitz des Hinterlegers nicht berührt. Dieser Ansicht tritt der Verwaltungsgerichtshof bei. Die Bestimmung des § 6 WaffG, wonach "auch" die Innehabung von Waffen als Besitz im waffenrechtlichen Sinn gilt, bedeutet nicht etwa, dass für jeden waffenrechtlichen Besitz auch Innehabung erforderlich wäre. Vielmehr erfordert schon die Gefahr von Umgehungsmöglichkeiten, dass jeder Besitz im zivilrechtlichen Sinn auch als waffenrechtlicher Besitz anzusehen ist. Der Beschwerdeführer war also zum Erwerb und zum Besitz von insgesamt drei Faustfeuerwaffen auch ab dem 22. Dezember 1998 nicht berechtigt.

Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid aus den dargestellten Erwägungen nicht in seinen Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003.

Wien, am 28. März 2006

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005030056.X00

Im RIS seit

18.04.2006

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten