TE OGH 1994/4/26 4Ob52/94

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Veröffentlicht am 26.04.1994
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Redl und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang P*****, vertreten durch Dr.Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Gerhard P*****, 2.) K*****KG,***** beide vertreten durch Dr.Hella Ranner und Dr.Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 414.800 sA (Revisionsinteresse S 100.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 3. Dezember 1992, GZ 6 R 73/92-22, mit welchem die Abweisung eines Betrages von S 100.000,-- bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Teilurteil des Berufungsgerichtes und - im Umfang der Abweisung eines Schadenersatzbetrages von S 100.000,-- - das Urteil des Erstgerichtes werden aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger ist als selbständiger Lebensberater tätig und tritt auch öffentlich unter dem Künstlernamen R***** B***** als Hypnotiseur auf. Er gibt laufend Zeitungsinserate auf, mit welchen er Mädchen für die Tätigkeit als Modelle oder als Assistentinnen für seine öffentlichen Auftritte sucht.

Mit Anklageschrift vom 26.9.1988 legte die Staatsanwaltschaft Graz dem Kläger zur Last, er habe

I.) außer dem Fall der Notzucht drei Frauen durch Anwendung von Hypnose, daher mit Gewalt gegen ihre Person widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zur Unzucht mißbraucht;

II.) eine weitere Frau außer den Fällen der §§ 201 bis 203 StGB durch Anwendung von Hypnose, daher mit Gewalt zur Unzucht zu nötigen versucht;

III.) zwei weitere Frauen durch die Anwendung von Hypnose und indem er sie in diesem Zustand fesselte, daher mit psychischer und physischer Gewalt genötigt, sich an Händen und Füßen mit Lederbändern fesseln und schlagen zu lassen;

IV.) eine Frau durch die zu Punkt III beschriebene Tathandlung vorsätzlich am Körper verletzt;

V.) mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, mehrere Personen durch die Vorgabe, er werde sie mit seinen Methoden, insbesondere durch die Anwendung von Hypnose von Krankheiten, Gebrechen oder Problemen befreien, daher durch Täuschung über Tatsachen zur Bezahlung von Honoraren am Vermögen geschädigt;

VI.) verschiedenen Personen in ihren Rechten dadurch absichtlich einen Schaden zugefügt, daß er sie durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, willens und in der Lage zu sein, ihnen Beschäftigungen als Modelle ("Models") bzw Mannequins zu verschaffen ua dazu verleitete, einen Psychotest sadomasochistischen Inhaltes und das Posieren in Unterwäsche zu dulden, für Fotoaufnahmen zu posieren und Arbeiten in seinem Haushalt zu verrichten, sowie niederzuknien und Schläge auf das Gesäß zu dulden;

er habe dadurch zu I.) die Verbrechen des Zwanges zur Unzucht nach § 203 Abs 1 StGB, zu II.) das Vergehen der versuchten Nötigung zur Unzucht nach §§ 15, 204 Abs 1 StGB, zu III.) die Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, zu IV.) das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, zu V.) das Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB und zu VI.) die Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs 1 StGB begangen. Der Kläger wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 9.11.1988 im Sinne der Anklageschrift Punkt I (in zwei Fällen), II, III, IV, V (in zwei Fällen) und VI (in zwei Fällen) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 Monaten verurteilt; von den Vorwürfen in einzelnen Fällen der Anklagepunkte I, V, VI wurde der Kläger freigesprochen. Der Oberste Gerichtshof hob am 29.6.1989 dieses Urteil im Umfang des Schuldspruches in den Anklagepunkten I bis V auf. Mit Urteil vom 13.11.1989 sprach das Landesgericht für Strafsachen Graz den Kläger von sämtlichen noch offenen Anklagepunkten frei; die Strafe für den in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch wegen des Vergehens der Täuschung wurde mit 120 Tagessätzen festgesetzt. Der Freispruch von den Anklagepunkten I, II und III erfolgte mit der Begründung, daß ein Handeln der geschädigten Frauen unter einer vom Kläger hervorgerufenen Hypnose nicht bewiesen sei. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft Graz erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof verworfen.

Die Tageszeitung "N*****" berichtete über die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe wie folgt:

1. Am 15.5.1988 aus Anlaß der Verhaftung des Klägers unter Verwendung eines Lichtbildes, welches ihn bei seiner Arbeit als Hypnotiseur zeigt und schon früher, aus Anlaß seiner Öffentlichkeitsarbeit aufgenommen wurde, mit folgendem Artikel:

"Grazer 'Lebensberater' und 'Club 2' - Stargast 'R***** B*****' von der Polizei festgenommen"; Junge Frau klagte an: 'Ich wurde unter Hypnose sexuell mißbraucht'.

Bei einem TV-Auftritt im 'Club 2' versetzte er ein Mädchen in Trance, bei der Geiselnahme auf Zypern bot er sich Kuweit als 'Terroristen-Berater' an. Offenbar aber ist der Grazer Hypnotiseur R***** B***** auch ein Meister der sanften Vergewaltigung und Notzucht". Eine 26-jährige Kellnerin klagt ihn an: 'Er hat mich hypnotisiert und dann mißbraucht'.

'Club 2' - Zuschauer werden sich noch daran erinnern, wie 'R***** B*****' alias Wolfgang P***** sich vor Monaten im TV lautstark beklagte, zu Unrecht oft als 'Scharlatan' abgekanzelt und bei der Polizei angeschwärzt zu werden. Nun, längst spricht keiner mehr den Mann mit den stechenden Augen und der beschwörenden, schallplattenerprobten Stimme seine Fähigkeiten als Hypnotiseur ab - dazu hat er schon zu viele unrühmliche Beweise geliefert! Im November erst stand P***** in Graz vor Gericht, beschuldigt von einer 20-jährigen: 'Er hat mich nach einer Hypnoseshow sexuell mißbrauchen wollen'. Der selbsternannte 'Lebensberater' aber mußte mangels an Beweisen freigesprochen werden. Und ein Zeuge fehlte auch der Schauspielschülerin, die sich vor Wochen in B*****s 'Behandlungsräumen' meldete: 'Er hatte per Inserat eine Assistentin gesucht. Tatsächlich aber versuchte er mich zu hypnotisieren und mich, wie er sagte, zu seiner Sklavin zu machen'.

Am vergangenen Freitag war es die Annonce 'Fotomodelle gesucht', die in Graz eine 26-jährige Kellnerin zu R***** B***** lockte. 'Ich mußte mich auf eine Couch legen', gab die Frau später bei der Polizei an, 'er hypnotisierte mich mit einer Lampe und fragte ständig: Willst du meine Sklavin sein? als ich überhaupt keine Widerstandskraft mehr spürte, mußte ich ihm sexuell dienen........

Jetzt muß er damit rechnen, bald wieder vor Gericht zu stehen". Neben dem Lichtbild brachte die Zeitung in einem Kasten folgende Worte: "Hypnotiseur P*****: auch ein 'Meister der sanften Vergewaltigung' ?"

2. Am 10.11.1988 berichtete die Zeitung unter Verwendung eines während der Hauptverhandlung im Strafverfahren aufgenommenen

Lichtbildes des Klägers mit folgendem Text:

"Grazer 'Lebensberater' Wolfgang P***** alias 'R***** B*****' vor

Gericht - die Anklage:

Sex-Spielchen mit Hypnose-Opfer.

Keine Frage, dieser 'große R***** B*****' alias Wolfgang P*****, der einst sogar im 'Club 2' als Hypnose-Weltmeister auftreten durfte - dieser 'Lebensberater' ist eine ganz miese, zwielichte Figur. Die gestern auch der Staatsanwalt in Graz wieder zu entlarven versuchte:

'P***** hatte mehrere Mädchen hypnotisiert und sie dann zur Unzucht mißbraucht !'

Daß er per Inserat 'hübsche Mädchen als Fotomodelle' suchte, daß er sie zwecks 'Eignungstests' in sein Grazer Hypnose-Studio lockte - das alles bestreitet 'R***** B*****' gar nicht.

Ja er gibt sogar zu, mit vier Mädchen von gut 70 Bewerberinnen seine sexuellen Spielchen praktiziert zu haben. 'Aber Zwang, Hypnose ? alles Unsinn !', erklärte sein Verteidiger - und schulte noch vor dem Ausschluß der Öffentlichkeit das Schöffengericht: 'Es ist doch weltweit erwiesen, daß ein hypnotisierter Mensch nicht zu sexuellen Handlungen angestiftet werden kann, die er freiwillig auch nicht machen würde'.

Was nur heißen kann: Die Mädchen, die einen Job als Models suchten, waren also allesamt einverstanden, die sexuellen Gelüste des pockennarbigen 'R***** B*****' zu befriedigen, nicht wahr, und sie ließen sich auch gern fesseln und mit Lederpeitschen schlagen..........

Natürlich. Und fünf andere Mädchen spielten auch liebend gern die 'Sklavin', die sich mitten im verdunkelten Studio niederknien, in Unterwäsche posieren und Schläge aufs Gesäß erdulden mußte. 'Flexibilitätstest' nennt's der 'Hypnosemeister' - ein Test für Models und Schauspielerinnen, wie er laut Verteidiger sogar beim Salzburger Mozarteum praktiziert wird: 'Diese ganze Showbranche darf eben nicht mit normalen Maßstäben gemessen werden. Und moralische Bedenken stehen da nicht zur Debatte'.

Das Urteil erging in den Abendstunden".

Neben dem Lichtbild stand folgender Text:

"Und wieder sitzt der große Hypnose-Künstler 'R***** B*****' alias Wolfgang P***** auf der Anklagebank. Schon im Vorjahr war er wegen sexuellen Mißbrauchs einer Hypnotisierten angeklagt, mußte damals aber freigesprochen werden".

3. Am 11.11.1988 berichtete die Tageszeitung neuerlich unter Verwendung des bereits am 15.5.1988 veröffentlichten Lichtbildes mit folgenden Text:

"Hypnotiseur verurteilt

'Dieser Mann kann als krank angesehen werden' mit diesen Worten beendete der Richter in Graz am Mittwoch knapp vor Mitternacht den 14-stündigen Prozeß gegen den Hypnotiseur 'R***** B*****', bürgerlich Wolfgang P*****.

Zuvor allerdings hatte das Schöffengericht auch das strafrechtliche Urteil über diesen selbsternannten 'Lebensberater' gesprochen, der seine Hypnose-Fähigkeiten nutzte, 'um seine sadistische sexuelle Veranlagung zu befriedigen' (Staatsanwalt). Mit 14 Monaten bedingt auf drei Jahre wurde er dafür bestraft, 'daß er zwei Mädchen in Hypnose zur Unzucht mißbrauchte, sie zur Duldung von Fesselungen und Peitschenschlägen nötigte, ein Mädchen dabei verletzte', begründete der Richter. 'R***** B*****' ist auch schuldig des schweren Betruges an zwei 'Kunden', von denen er Geld für die angebliche Heilung ihrer Depressionen kassierte, sowie der Täuschung.,

P*****, bereits seit sechs Monaten in U-Haft, erbat sich drei Tage Bedenkzeit".

Unter dem Lichtbild stand folgender Text: "Nur 14 Monate bedingt für 'Sex-Hypnotiseur' Wolfgang P*****" .

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung von S 414.800,-- sA. Zu den beanstandeten Lichtbildveröffentlichungen, die seine berechtigten Interessen wesentlich verletzt hätten, habe er keine Zustimmung erteilt. Im Zusammenhang mit diesen Veröffentlichungen sei ihm zu Unrecht vorgeworfen worden, das Verbrechen der Notzucht begangen zu haben, weil er "nur" wegen des Verbrechens des Zwanges zur Unzucht und des Vergehens der Nötigung zur Unzucht angeklagt gewesen sei. Außerdem sei er als "selbsternannter Lebensberater" bezeichnet worden. Der Bericht sei mit einem angeblichen Zitat des Staatsanwaltes verbrämt worden, daß der Kläger so gehandelt habe, "um seine sadistische sexuelle Veranlagung zu befriedigen". In den Zeitungsberichten sei dem Kläger aber auch seine berufliche Qualifikation als Lebensberater abgesprochen worden. Weiters sei durch die Berichterstattung der Eindruck erweckt worden, daß der Kläger (in einem vorangegangenen Strafverfahren) nur mangels an Beweisen freigesprochen worden sei. Der Inhalt der Veröffentlichungen lasse klar die Tendenz erkennen, es dem Leser als wahrscheinlich oder bereits sicher erscheinen zu lassen, daß der Kläger Opfer vergewaltigt habe, daß er keine Qualifikation für seinen Beruf habe und daß ihm daher das Handwerk gelegt werden müsse. Da die Berichterstattung nicht den Tatsachen entsprochen habe, habe auch kein Interesse an einer Information des Leserpublikums bestanden; die Berichterstattung habe ausschließlich dazu gedient, die Senationslust und die Neugierde der breiten Öffentlichkeit zu befriedigen. Von einer der Wahrheit entsprechenden ordnungsgemäßen Berichterstattung über ein Strafverfahren könne keine Rede sein. Der Kläger sei in der Öffentlichkeit durch diese Berichterstattung herabgesetzt worden. Wegen des vom Kläger dadurch erlittenen Unbehagens und seiner Verärgerung stünde ihm als Ersatz immateriellen Schadens S 100.000,-- zu. Durch die Berichterstattung seien dem Kläger aber auch mehrere geschäftliche Aufträge entgangen, wodurch er einen weiteren Schaden von S 314.800,-- erlitten habe. Dieser Schadenersatzanspruch stehe ihm auch aus dem Titel des § 1330 ABGB zu. Die Zweitbeklagte hafte als Medieninhaberin der Tageszeitung "N*****" für den erlittenen Schaden, der Erstbeklagte als Verfasser des beanstandeten Zeitungsartikels.

Die Beklagten beantragen die Abweisung der Klage. Die Zweitbeklagte hafte für den geltendgemachten Schadenersatz nicht, weil sie mit den in der Klage angeführten Zeitungsartikeln nichts zu tun gehabt habe. Die Berichterstattung über das Strafverfahren des Klägers sei wahrheitsgemäß gewesen. Die Äußerungen des Vorsitzenden und des Staatsanwaltes seien so gefallen, wie darüber berichtet worden sei. Berechtigte Interessen des Klägers seien damit nicht verletzt worden. Diese Berichterstattung sei im Interesse der Information der Öffentlichkeit geboten gewesen. Der Kläger müsse sich eine besonders strenge Berichterstattung gefallen lassen, weil die Anforderungen der Gewerbeordnung an den von ihm ausgeübten Beruf als Lebens- und Sozialberater ebenfalls besonders streng seien. Ob der Kläger der Notzucht oder des Zwanges zur Unzucht verdächtigt worden sei, falle nicht besonders ins Gewicht, weil das Leserpublikum zwischen diesen beiden Straftatbeständen nicht unterscheide. Der Kläger habe es sich durch sein Verhalten selbst zuzurechnen, daß über ihn in kritischer Weise berichtet worden sei. Von einem immateriellen Schaden könne keine Rede sein. Die behaupteten Geschäfte seien dem Kläger nicht wegen der Berichterstattung sondern wegen des gegen ihn angestrengten Strafverfahrens entgangen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf folgende Feststellungen:

Die Beklagten erhielten die Information über den Kriminalfall des Klägers aus einer Pressemeldung der Kriminalpolizei. Das Foto des Klägers, das ihn bei seiner Arbeit als Hypnotiseur zeigt, wurde aus Anlaß der Öffentlichkeitsarbeit des Klägers angefertigt. In den beanstandeten Artikeln hat der Erstbeklagte mehr oder weniger nur das wiedergegeben, was er im Verhandlungssaal gehört hat. Die Lichtbilder des Klägers sind in seinem Einvernehmen und mit seiner Zustimmung gemacht worden. Der Kläger hat sich niemals gegen die Verwendung dieser Fotos ausgesprochen.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht eine Schadenersatzpflicht der Beklagten. Diese hätten nur einer Informationspflicht genüge getan. Der Erstbeklagte habe annehmen dürfen, daß die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe berechtigt seien. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Teilbegehrens von S 100.000,-- sA (immaterieller Schaden) mit Teilurteil und sprach dazu aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Im übrigen hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Aufhebungsbeschluß erachtete das Berufungsgericht nicht für gegeben. Das Berufungsgericht übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen mit Ausnahme jener, daß für die Veröffentlichung des im Gerichtssaal aufgenommenen Lichtbildes die Zustimmung des Klägers vorliege und daß die in der Berichterstattung der Beklagten enthaltene Darstellung nur aktenkundige Umstände und Äußerungen des Staatsanwaltes enthalte, somit alles Inhalt des Strafaktes sei, der im Zuge der öffentlichen Verhandlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Berufungsgericht die Verletzung berechtigter Interessen des Klägers durch die mit dem Text der Zeitungsartikel zusammenhängenden Bildnisveröffentlichungen im Zusammenhang, weil mit dem Lichtbild, das für die Öffentlichkeitsarbeit des Klägers als Hypnotiseur, welcher Showassistentinnen und Fotomodelle ausbildet und sie in diesen Berufen vermittelt, angefertigt wurde, der Eindruck vermittelt worden sei, daß der Kläger auch die Straftaten auf die im Lichtbild dargestellte Weise begangen habe; dieses Lichtbild habe somit lediglich der Befriedigung von Neugierde und Sensationslust gedient. Aber auch der Bericht, daß der Kläger von Frauen beschuldigt worden sei, sie in Hypnose versetzt und sexuell mißbraucht zu haben, gehe weit über das Bedürfnis der Öffentlichkeit hinaus, sachlich über den gegen den Kläger bestehenden Verdacht informiert zu werden; gleiches gelte von den Berichten über den Gang des Strafverfahrens, welche mit den Begriffen "selbsternannter Lebensberater", "Sex-Hypnotiseur", "Meister der sanften Vergewaltigung und Notzucht" und "ganz miese, zwielichtige Figur" verbrämt worden seien. Die Veröffentlichung eines Lichbildes des Klägers im Zusammenhang mit dieser Kriminalberichterstattung sei entbehrlich und auch zur Warnung weiterer Frauen nicht geboten gewesen. Aus denselben Gründen sei aber auch das Veröffentlichen des während einer Verhandlung vor dem Strafgericht angefertigten Lichtbildes unzulässig gewesen. Daß die Verhandlung öffentlich war, berechtige die Presse nicht, alles das auszubreiten, was dort vorgetragen wurde. Die vorliegende Art der Berichterstattung gehe jedenfalls über die Grenze des Zulässigen hinaus; sie sei durch ein echtes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit nicht gedeckt. Dennoch habe der Kläger keinen Anspruch auf Abgeltung immateriellen Schadens, weil seine Behauptung, sein Unbehagen über die ihn herabsetzende und schädigende Bildnisveröffentlichung habe den mit jeder Verletzung des Bildnisschutzes verbundenen Ärger um ein Vielfaches übertroffen, für die Zuerkennung eines derartigen Schadenersatzanspruches nicht ausreiche. Zu dem behaupteten, auf §§ 78, 87 UrhG und § 1330 ABGB gestützten Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens fehlten aber noch Feststellungen. Dazu werde das Erstgericht auch noch zu prüfen haben, ob die Behauptung der Beklagten zutreffe, daß der Kläger der Veröffentlichung seiner Lichtbilder zugestimmt habe, und ob der behauptete Schaden bloß durch die redaktionelle Berichterstattung oder auch infolge mit der Veröffentlichung von Lichtbildern des Klägers entstanden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist rechtzeitig, weil die Ausfertigung der angefochtenen Entscheidung nur dem mittlerweiligen Stellvertreter des verstorbenen ehemaligen Vertreters des Klägers bis zur Erhebung des Rechtsmittels aber nicht dem nunmehrigen Klagevertreter zugestellt wurde; sie ist im Interesse der Rechtsicherheit zulässig, weil das Berufungsgericht die Rechtsprechung zur Behauptungslast des Klägers bei der Geltendmachung immateriellen Schadens zwar richtig wiedergegeben, auf den konkreten Fall aber unrichtig angewendet hat. Auch darin liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (MietSlg 37.770); sie ist auch berechtigt.

Es trifft zwar zu, daß immaterieller Schaden iSd § 87 Abs 2 UrhG nur dann zu ersetzen ist, wenn die Beeinträchtigung den mit jeder Urheberrechtsverletzung verbundenen Ärger übersteigt, es sich also um

eine ganz empflindliche Kränkung handelt (ÖBl 1973, 112 = SZ 45/102;

ÖBl 1982, 164 = SZ 55/25 ua). Das gilt auch für immaterielle Schäden,

die auf seine Verletzung berechtigter Interessen iSd § 78 UrhG gestützt werden (ÖBl 1973, 138; MR 1989, 132; SZ 63/75 = MR 1990, 189; ÖBl 1990, 91; MR 1993, 61). Auch bei einem Verstoß gegen § 78 Abs 1 UrhG muß der Kläger daher regelmäßig behaupten, worin die durch die beanstandete Bildnisveröffentlichung verursachte empfindliche Kränkung besteht. Die bloße Erklärung, das Klagebegehren auf alle Ansprüche aus dem Persönlichkeitsrecht und dem Recht am eigenen Bild zu stützen, wurde dafür als nicht ausreichend angesehen (ÖBl 1990, 91). Ergibt sich aber schon aus der Behauptung der im konkreten Einzelfall beeinträchtigten Interessen eine solche empfindliche Kränkung, dann hat der Kläger damit auch schon die Voraussetzungen für den Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gemäß § 87 Abs 2 UrhG dargetan (SZ 63/75; vgl auch MR 1990, 58).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger zur Verletzung seiner berechtigten Interessen iSd § 78 UrhG vorgetragen, daß ihm durch die mit der Bildnisveröffentlichung zusammenhängende Berichterstattung eine in strafrechtlicher Hinsicht nicht zutreffende Qualifikation der begangenen Handlungen vorgeworfen worden sei; hiebei sei auch seine berufliche Qualifikation in Zweifel gezogen worden; ferner sei ihm durch ein unrichtiges Zitat sadistische sexuelle Veranlagung vorgeworfen und darüber hinaus sei als sicher dargestellt worden, daß alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zutreffen. Mit diesen Behauptungen zur Verletzung seiner berechtigten Interessen hat der Kläger auch hinreichend dargetan, daß durch die beanstandeten Bildnisveröffentlichungen eine den üblichen, mit solchen Rechtsverletzungen stets verbundenen Ärger weit übersteigende besonders empfindliche Kränkung bewirkt worden sei. Die für die Gewährung immateriellen Schadenersatzes gemäß § 87 Abs 2 UrhG erforderliche empfindliche Kränkung durch eine Verletzung des Bildnisschutzes kann auch dadurch verursacht werden, daß der Veröffentlichung des Lichtbildes im Zusammenhang mit dem Inhalt des damit verbundenen Textes keinerlei Nachrichtenwert zukommt (vgl zur Maßgeblichkeit dieses Umstandes für die Verletzung berechtigter Interessen MR 1989, 52 und 54), der Betroffene also erst dadurch der Gefahr ausgesetzt wird, in der Öffentlichkeit erkannt und Ziel von Vorwürfen oder Schmähungen zu werden, die ihre Ursache in der mit dem Bild verbundenen Berichterstattung haben, so daß er durch die Bildnisveröffentlichung Gefahren ausgesetzt wird, die einem "an den Pranger Stellen" gleichkommen. Auch in diese Richtung ist das Vorbringen des Klägers zu verstehen. Er hat dann zum Anspruch auf immateriellen Schadenersatz ausreichende Behauptungen aufgestellt, so daß die Abweisung dieses Begehren mangels Schlüssigkeit nicht berechtigt ist.

Das Berufungsgericht hat eine Verletzung berechtigter Interessen durch die konkreten Bildnisveröffentlichungen angenommen und ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit verneint und die Feststellung des Erstgerichtes, daß der Kläger der Aufnahme und der Veröffentlichung des im Gerichtssaal angefertigten Lichtbildes zum Zwecke der Kriminalberichterstattung zugestimmt habe, nicht übernommen; die Frage der Zustimmung des Klägers zur Veröffentlichung der mit den Zeitungsartikeln vom 15.5.1988 und 11.11.1988 publizierten Lichtbild müsse in tatsächlicher Hinsicht noch geprüft werden. Dem ist beizupflichten, weil berechtigte Interessen des Abgebildeten dann keinen Bildnisschutz bewirken, wenn der Abgebildete der Bildnisveröffentlichung, so wie sie geschehen ist, zugestimmt hat. Der Schutz entfällt aber nur soweit, als die Zustimmung des Abgebildeten reicht (MR 1989, 52; MR 1990, 58; MR 1990, 192 ua). Daher ist auch in jedem Einzelfall zu prüfen, für welchen Zweck und in welchem Zusammenhang die Zustimmung erteilt wurde. Da aber das Berufungsgericht noch Tatsachenfeststellungen über eine allfällige Zustimmungserklärung des Klägers für notwendig hält, kann die Frage der Verletzung berechtigter Interessen noch nicht abschließend beurteilt werden.

Dem Berufungericht ist auch darin beizupflichten, daß die beanstandeten Lichtbildveröffentlichungen (falls der Kläger diesen nicht zugestimmt hat) im Hinblick auf den Text der damit im Zusammenhang stehenden Artikel seine berechtigten Interessen auffallend verletzt hat. Dem Beklagten kann zwar das Recht auf Information der Öffentlichkeit über die gegen den Kläger erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht abgesprochen werden. Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits ausgesprochen hat (MR 1993, 61), hängt die gebotene Interessenabwägung (siehe dazu SZ 60/188; MR 1990, 58; MR 1993, 61; ÖBl 1982, 84; Rehm, Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, 1 ff; Dittrich, Der Schutz der Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten nach österreichischem Urheberrecht, ÖJZ 1970, 533 f; Buchner, Das Persönlichkeitrecht des Abgebildeten, FS 50 Jahre UrhG, 21 ff [26 f]), dann, wenn es um eine Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit einer Darstellung von Straftaten geht, vor allem davon ab, ob die Umstände des konkreten Falles ein Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Bekanntgabe der Tatsachen, sondern auch an der Veröffentlichung des Lichtbildes des Betroffenen rechtfertigen; nicht in allen Fällen, in denen die Öffentlichkeit Anlaß hat, sich mit einer Einzelperson zu befassen, ist auch ein Bedürfnis anzuerkennen, ein Bild des Betroffenen zu sehen. Daß der Kläger in einer gewissen Öffentlichkeit (auch) durch seine berufliche Tätigkeit im Showgeschäft bekannt geworden ist, kann im vorliegenden Fall aber nicht den Ausschlag geben, weil es hier um den Vorwurf schwerster Sittlichkeitsdelikte geht (vgl hingegen ÖBl 1992, 84; s auch MR 1993, 61), das Aussehen des Klägers nicht allgemein bekannt ist (vgl ÖBl 1992, 87; so auch 4 Ob 15/93) und die Tendenz der Zeitungsartikel, den Kläger in aller Öffentlichkeit anzuprangern und herabzusetzen, unverkennbar ist.

Die vorliegenden Zeitungsartikel gehen über eine bloße, an den Fakten orientierte Berichterstattung über ein Strafverfahren weit hinaus. Der Kläger wurde durch diese Berichte über die erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe hinaus, auch persönlich herabgesetzt. Schon aus diesem Grunde trifft den Erstbeklagten an der mit einer solchen Berichterstattung zusammenhängenden Lichtbildveröffentlichung ein Verschulden. Das Erstgericht wird allerdings noch den Einwand der mangelnden Passivlegitimation der Zweitbeklagten zu prüfen haben. Davon abgesehen liegen aber im Falle des Fehlens der Zustimmung des Klägers zur Bildnisveröffentlichung alle Voraussetzungen für den Zuspruch - immateriellen Schadens unter Anwendung des § 273 ZPO vor. Der Revision ist daher Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Anmerkung

E3579504a00524

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1994:0040OB00052.94.0426.000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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