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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des O, vertreten durch Mag. Klaus Haberler, Rechtsanwalt in 2620 Neunkirchen, Triester Straße 34, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 26. Jänner 2004, Zl. NKS3-F, betreffend Anordnung der Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen von Nigeria, gemäß § 61 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angeordnet und ausgesprochen, dass dieser Bescheid nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft wirksam werde. Zur Begründung stellte sie fest, der Beschwerdeführer sei am 27. Juni 2003 wegen § 27 Abs. 1 und § 27 Abs. 2 Z 2 Suchtmittelgesetz rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Mit einem weiteren strafgerichtlichen Urteil vom 29. Oktober 2003 sei der Beschwerdeführer nach den genannten Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zulässig sei, stelle doch sein Verhalten zweifelsfrei eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Die Anwendung gelinderer Mittel komme nicht in Betracht, da auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers anzunehmen sei, er werde sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen. Die Anordnung der Schubhaft sei daher nach Ansicht der belangten Behörde "unumgänglich, auch um Sie von weiteren Straftaten abzuhalten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 61 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.
Nach dem angefochtenen Bescheid soll die gegenständlich angeordnete Schubhaft der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dienen. Dies setzt nach der ständigen hg. Rechtsprechung nicht die Gewissheit voraus, dass ein Aufenthaltsverbot verhängt werde, sondern es reicht hiefür bereits die berechtigte Annahme einer solchen Möglichkeit (vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zl. 2004/21/0145). Entgegen dem Beschwerdevorbringen durfte die belangte Behörde im Hinblick auf die beiden rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers davon ausgehen, dass gegen ihn die Erlassung eines auf § 36 Abs. 2 Z 1 FrG gestützten Aufenthaltsverbotes möglich sein werde. In diesem Zusammenhang wendet der Beschwerdeführer ein, er sei auf Grund des Beschlusses des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom 6. Februar 2004 am 6. März 2004 bedingt aus der Strafhaft entlassen worden, sodass von seinem künftigen Wohlverhalten auszugehen sei. Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, dass die Fremdenpolizeibehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die Gefährlichkeitsprognose gemäß § 36 Abs. 1 FrG eigenständig und ohne Bindung an die Erwägungen des Strafgerichtes bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 46 StGB zu treffen hat (vgl. aus vielen das hg. Erkenntnis vom 8. September 2005, Zl. 2005/21/0047). Im Übrigen konnte die belangte Behörde den genannten Gerichtsbeschluss, der erst nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides erging, in ihre Erwägungen gar nicht einbeziehen.
Wie erwähnt setzt die Verhängung der Schubhaft gemäß § 61 Abs. 1 FrG weiters voraus, dass sie "notwendig" ist, um die in dieser Gesetzesstelle genannten fremdenpolizeilichen Maßnahmen "zu sichern". Der Schubhaft kommt somit eine Sicherungsfunktion zu und kein spezialpräventiver Zweck. Die belangte Behörde unterliegt daher einem Rechtsirrtum, wenn sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides meint, die Schubhaft des Beschwerdeführers sei auch deshalb unumgänglich, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides, der für die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof maßgeblich ist, befand sich der Beschwerdeführer unstrittig in Strafhaft. Eine Entscheidung des Strafgerichts über die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft lag zu diesem Zeitpunkt, wie bereits erwähnt, noch nicht vor. Angesichts dessen hätte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid aber näher begründen müssen, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer nicht während der Strafhaft des Beschwerdeführers möglich sei. In den Gesetzesmaterialien (RV 692 BlgNR 18. GP 52) zu dem mit § 69 Abs. 1 FrG inhaltsgleichen § 48 des Fremdengesetzes 1992 ist nämlich festgehalten, dass die Fremdenpolizeibehörden auf Grund der ihnen durch die letztgenannte Bestimmung auferlegten Verpflichtung zur Minimierung der Haftdauer verhalten sind, Aufenthaltsverbote gegen Fremde, die sich in Strafhaft befinden, während der Dauer dieser Strafhaft zu erlassen und damit nicht bis zu deren Ende zuzuwarten. Dies bewirkt, dass die Anordnung der Schubhaft (zumindest zum Zweck der Verfahrenssicherung) gegenüber Personen, die sich in Strafhaft befinden, grundsätzlich nicht erforderlich ist (vgl. dazu auch Wiederin, Voraussetzungen der Schubhaft, ZUV 1/96, sowie - zum Fremdenpolizeigesetz 2005 - RV 952 BlgNR 22. GP 105). Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre von der belangten Behörde nachvollziehbar zu begründen.
Dem angefochtenen Bescheid haftet schließlich auch unter einem weiteren Gesichtspunkt ein Begründungsmangel an. Dem Verwaltungsakt (Seite 2) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer Asylwerber ist, worauf auch in der Beschwerde hingewiesen wird. Die belangte Behörde hätte daher im angefochtenen Bescheid begründen müssen, dass die Bestimmungen über die Schubhaft auf den Beschwerdeführer gemäß § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 überhaupt anwendbar waren (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 2004/21/0145, und daran anschließend das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2004/21/0069).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid wegen der vorrangig aufzugreifenden Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 28. März 2006
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2004210039.X00Im RIS seit
02.05.2006Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008