TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/29 2003/14/0006

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2006
beobachten
merken

Index

61/01 Familienlastenausgleich;
67 Versorgungsrecht;

Norm

FamLAG 1967 §8 Abs5;
KOVG RichtsatzV 1965;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der EM in K, vertreten durch Dr. Günther Fornara, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Radetzkystraße 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 26. November 2002, RV 607/1- 5/02, betreffend erhöhte Familienbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Strittig ist, ob der Beschwerdeführerin für ihren am 23. Jänner 1996 geborenen Sohn Marcel eine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG zusteht. Die belangte Behörde verneinte dies unter Hinweis darauf, dass ein hier nicht gegebener Grad der Behinderung von mindestens 50 % bestehen müsse, um ein Kind als erheblich behindert ansehen zu können. Sie stützte sich dabei auf folgende im Akt erliegende Gutachten:

Dem Antrag lag bereits eine ärztliche Bescheinigung Dris. Klaus F vom 13. Dezember 2001 zu Grunde, in dem folgender Befund festgehalten wurde: "Allergisches Asthma bronchiale mit guter Vitalographie unter inhalativer Therapie.

Verhaltensauffälligkeit mit sonderpädagogischer Betreuung." Daraus wurde auf einen Grad der Behinderung von 30 % geschlossen. Nach einer Untersuchung des Kindes am 5. August 2002 erstattete Dr. Rudolf W folgenden Befund: Bei Marcel liege eine Verhaltensauffälligkeit mit Aggressivität gegen andere Kinder und Autoaggressivität gegen sich selbst (Kopfschlagen) vor. Zusätzlich bestehe ein allergisches Asthma bronchiale. Die Mutter beschreibe "sich als Kind selbst als aggressiv", heute zum Teil zeitweise depressiv. Der Bub werde als Integrationskind auf Grund der Verhaltensauffälligkeiten sonderpädagogisch betreut. Unter Hinweis auf einen psychologischen Befund Dris. P vom 6. Dezember 2001 fasste der Sachverständige zusammen, dass sich Marcel in einer "magisch-animistischen" Entwicklungsphase befinde und eine sonderpädagogische Förderung empfohlen werde. Der Sachverständige gelangte zu folgender Beurteilung:

"Störung im Sozialverhalten

20 MdE

Minimale Cerebralparese - hemi re.

10 MdE

Allerg. Asthma bronchiale

mit guter Vitalographie unter inhalativer Therapie

10 MdE

Die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung beträgt

40 MdE."

Auf Grund dieses Gutachtens kam das Bundessozialamt Kärnten zu folgender Beurteilung (das Ausmaß der Gesundheitsstörung - GS wurde nach den Anhängen V e, IV g und III a der unten genannten Verordnung BGBl. 1965/150 festgelegt):

"GS 1: Störung d. Sozialverhaltens analog 5e 585 20 % (RSW entsprechend d. Ausmaß)

GS 2: Minimale Hemiparese re analog 4g 435 10 % (mittlerer RSW entsprechend d. klinischen Symptomatik)

GS 3: Allergisches Asthma bronchiale 3a 285 20 % (ob. RSW entsprechend d. guten Vitalographie unter inhalativer Therapie)

GesGdB: 30 %, führend ist GS 1, GS 2 u. GS 3 steigern gemeinsam eine Stufe"

Mit Schreiben vom 5. November 2002 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten zu einer allfälligen Stellungnahme.

In der daraufhin erstatteten Stellungnahme verwies die Beschwerdeführerin auf einen nachgesendeten Befund, worin das allergische Asthma des Sohnes mit mittelschwer beurteilt werde. Eine genauere Untersuchung sei zu einem späteren Zeitpunkt in der Kinderneurologie im LKH Klagenfurt gemacht worden. Diese habe ergeben, dass ihr Sohn an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom) leide. Ihr Sohn brauche sehr viel Zuwendung und Gespräche in seinem gesamten Umfeld, um sich halbwegs zurechtzufinden. Nur mit intensiver Hilfe sei es möglich, dass ihr Sohn eine Schule besuchen könne.

Diese Stellungnahme beurteilte das Bundessozialamt Kärnten derart, dass laut Befundbericht ein mittelschweres Asthma bronchiale vorliege, weshalb der obere Richtsatzwert zur Einschätzung herangezogen worden sei. Lungenfunktionell zeigten sich unter Therapie normale Werte, dementsprechend sei eine höhere Einschätzung nicht möglich. Es sei daher auch nicht sinnvoll, neue bzw. weitere Befunde aus dem LKH Klagenfurt anzufordern, da der Gesundheitszustand dem fachärztlichen Gutachten Dris. W entsprechend gewürdigt und eingeschätzt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe unter Hinweis auf die zitierten Gutachten ab, weil der erforderliche Grad der Behinderung mindestens 50 % betragen müsste, dieser Prozentsatz aber in keinem der Gutachten erreicht werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 % betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 1 dieser Verordnung ist die MdE im Sinne des § 7 Abs. 1 KOVG nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgelegt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

Gemäß § 3 der Richtsatzverordnung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei Einschätzung der MdE zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste MdE verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 KOVG berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der MdE rechtfertigt.

Die von der belangten Behörde zitierten Richtsätze in der Anlage 1 der oben genannten Verordnung lauten:

"Abschnitt III Innere Krankheiten

a) Bronchien und Lunge (unspezifische Erkrankungen und Verletzungen): Chronische Bronchitis:

     285. Leichte Fälle ohne wesentliche Beeinträchtigung des

Allgemeinbefindens

....................................................................

..................................................0-20;

     Abschnitt IV Nervenkrankheiten

g) Hemiplegie:

     435. Geringe sensible Ausfälle, leichte Reflexdifferenzen,

isolierte Pyramidenzeichen oder ähnliches

............................................................... 0-20;

     Abschnitt V Geisteskrankheiten

e) Psychosen des manisch-depressiven und schizophrenen

Formenkreises einschließlich der Paranoia sowie der in den letzten

Jahren vorläufig als "bionegativer Persönlichkeitswandel'',

"Entwurzelungsdepression'' usw. bezeichneten Zustandsbilder:

     585. Defektzustände nach akuten Schüben

.................................... 0-100"

Die Beschwerde macht geltend, dass dem angefochtenen Bescheid im Spruch die Anführung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen fehle und aus dem gesamten Bescheidinhalt nicht zu entnehmen sei, auf welche Art und Weise die Minderung der Erwerbsfähigkeit oder der sogenannte Richtsatzwert ermittelt worden sei. Diese Rüge trifft keinesfalls zu, legte doch die belangte Behörde sowohl die Rechtslage als auch ihre Beurteilung einwandfrei nachvollziehbar im angefochtenen Bescheid dar.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein ärztliches Gutachten, soll damit eine Behinderung im Sinne des FLAG dargetan werden, Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens, sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2001, 96/14/0139). Insbesondere muss deutlich sein, welcher Bestimmung der erwähnten Verordnung der festgestellte Behinderungsgrad zugeordnet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. November 2005, 2002/15/0168).

Die Beschwerde meint, dass die Gutachten nicht nachvollziehbar seien. Dem kann sich der Gerichtshof nicht anschließen; trotz der Kürze der medizinischen Gutachten ist durch die jeweiligen Hinweise auf die Sätze der Verordnung BGBl. 1965/150 klargestellt, in welchem Bereich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit angenommen wird. Ebenso ist nachvollziehbar, welcher Befund dieser Beurteilung zu Grunde liegt.

Aktenwidrig ist die weitere Beschwerdebehauptung, dass der Beschwerdeführerin der Inhalt der Gutachten vor Erlassung des Berufungsbescheides nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Über Stellungnahme der Beschwerdeführerin wurde ohnehin das Gutachten betreffend die Asthma-Erkrankung des Kindes ergänzt. Abgesehen davon, dass die Stellungnahme zum behaupteten ADHS keinen konkreten Inhalt enthält, wurde die Störung im Sozialverhalten ohnedies im Gutachten Dris. W und der Stellungnahme des Bundessozialamtes Kärnten berücksichtigt. Welche sonstigen - so die Beschwerde - "aktenkundigen Tatsachen" in den Gutachten nicht berücksichtigt worden seien, wird nicht näher dargelegt. Insgesamt zeigt somit die Beschwerde keine Gründe auf, die Anlass geben würden, an der Schlüssigkeit der Gutachten, die jeweils eine Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 50 % ausgewiesen haben, zu zweifeln.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe nicht geprüft, ob das Kind der Beschwerdeführerin nicht voraussichtlich dauernd außer Stande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist ihr zu entgegnen, dass diesbezügliche Hinweise im Akt und entsprechende Behauptungen der Beschwerdeführerin zur Gänze fehlten. Die belangte Behörde hatte daher keine Veranlassung, Feststellungen in der aufgezeigten Richtung zu treffen.

Der Gerichtshof vermag sich weiters mangels konkreter Beschwerdeargumente der Meinung der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen, dass die zitierte Verordnung "fachlich längst überholt" und gesetzwidrig sei. Der Gerichtshof hegt auch entgegen der Beschwerde keine Bedenken gegen die in § 3 der VO angeordnete Vorgangsweise, die Prozentsätze der Gesundheitsschädigungen nicht einfach zu addieren, sondern einer Gesamtbetrachtung zuzuführen.

Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. März 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2003140006.X00

Im RIS seit

05.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten