TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/29 2001/04/0194

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Veröffentlicht am 29.03.2006
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;
95/01 Elektrotechnik;

Norm

C-214/03 Kommission / Österreich;
ETG 1992 §3 Abs1;
EURallg;
GewO 1994 §71a;
Maschinen-SicherheitsV 1994 §1 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Autowaschanlagen L GmbH in V, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Hofgasse 6/III und IV, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 6. September 2001, Zl. 94.441/6-IV/11/01, betreffend Elektrotechnikgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.174,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 28. Februar 2001 hat der Landeshauptmann von Kärnten gemäß §§ 3, 9 und 13 Elektrotechnikgesetz, BGBl. Nr. 106/1993 idgF, festgestellt, dass die Autowaschanlage der beschwerdeführenden Partei am näher bezeichneten Standort "nicht den einschlägigen sicherheitstechn. Normen u. Vorschriften entspricht".

Zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes wurde der beschwerdeführenden Partei aufgetragen, folgende Maßnahmen durchzuführen:

"1) Die vier Hochdruckstrahlwasserautomaten sind so auszuführen, dass sie der Norm EN 60335-2-79, 'Sicherheit elektrischer Geräte für den Haushaltsgebrauch u. ähnliche Zwecke (Teil 79 Hochdruckreiniger u. Dampfdruckreiniger für gewerbliche Zwecke)' entsprechen.

2) Bis zum Umbau muss entweder eine Aufsichtsperson im Bereich der vier Waschboxen anwesend sein, die jederzeit in der Lage ist bei entsprechendem Fehlverhalten der Lanzenbediener eingreifen zu können, oder die Anlagen außer Betrieb genommen werden.

Gemäß § 9 Abs. 3 Elektrotechnikgesetz, BGBl. Nr. 106/1993, wird eine Mängelbehebungsfrist bis 01. April 2001

eingeräumt.

Die Behebung der Mängel ist dem Amt der Kärntner

Landesregierung unverzüglich zu melden."

Die dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobene Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid abgewiesen und der in der ersten Instanz ergangene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Zur Begründung heißt es (u.a.):

"Einzig wesentlich ist, ob im Betrieb beim beabsichtigten Weglegen oder unbeabsichtigten Fallenlassen der Lanze ein unkontrollierbarer Zustand entsteht. Dies ist eindeutig der Fall, da beim Weglegen oder Fallenlassen der Lanze (solange ein Guthaben vorhanden ist) ein Wasserstrahl mit bis zu 100 bar aus der Lanze schießt wobei einerseits das Griffstück samt anhängendem Schlauch unkontrollierbare Bewegungen vollführt, andererseits der Hochdruck-Wasserstrahl Personen treffen kann, was durchaus zu schweren Verletzungen führen kann.

Dieser Gefährdung hat auch die für die Beurteilung der Sicherheit von Hochdruckreinigern anzuwendende Europanorm EN 60335- 2-79 (ÖVE EN 60335-1+A11+A1+A12+A13+A14 - Sicherheit elektrischer Geräte für den Hausgebrauch und ähnliche Zwecke, ÖVE EN 60335-2- 79+A11 - Besondere Anforderungen für Hochdruckreiniger und Dampfreiniger für industrielle und gewerbliche Zwecke) - zuletzt veröffentlicht im Amtsblatt der EU: C106/36 vom 6.4.2001 - Rechnung getragen.

Der Anwendungsbereich der EN 60335-2-79-1998 ist ausdrücklich definiert für Hochdruckreiniger mit einem Arbeitsdruck nicht unter 25 bar und nicht über 250 bar und mit einer Bemessungsspannung nicht mehr als 250 Volt für Einphasengeräte und 480 Volt für andere Geräte, womit die verfahrensgegenständliche Anlage zweifelsfrei erfasst ist.

In § 22, Pkt. 103 der EN 60335-2-79 wird ausdrücklich gefordert: 'Das Gerät oder die Spritzpistole muss mit einer Vorrichtung versehen sein, die den Flüssigkeitsstrom zur Düse unterbricht. Die Vorrichtung muss selbstständig arbeiten, ohne hydraulischen Druck, sobald das Bedienelement nicht mehr vom Betreiber aktiviert wird.'

Dieser Anforderung wird vom verfahrensgegenständlichen Gerät nicht entsprochen.

Weiters wird von der Berufungswerberin eingewendet, dass nicht das Elektrotechnikgesetz (ETG) sondern die Maschinensicherheitsverordnung (MSV) anzuwenden sei. Hierzu wird festgestellt:

Gemäß § 1 Abs. 4 MSV (BGBl. Nr. 306/1994 i. d.F. BGBl. Nr. 424/2000) ist die Maschinensicherheitsverordnung nicht anzuwenden, wenn die in dieser Verordnung angeführten

Gefahren, die von einer Maschine ... ausgehen, zur Gänze oder

teilweise von besonderen Rechtsvorschriften erfasst sind, welche durch entsprechende Richtlinien des EWR umgesetzt werden.

Die von Hochdruckreinigern ausgehenden Gefahrenmomente sind zweifellos von der EN 60335-2-79 umfassend abgedeckt, wobei es für das vorliegende Gefahrenmoment des unkontrolliert auftretenden hohen Wasserdrucks unerheblich ist, dass die elektrische Anlage im Kundenbereich mit 24 Volt betrieben wird. Dies entspricht auch der Regelung im § 3 Abs. 1 ETG 1992, wo unabhängig von der Betriebsspannung festgelegt ist, dass elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen innerhalb des ganzen Bundesgebietes so zu errichten, herzustellen, instand zu halten und zu betreiben sind, dass ihre Betriebssicherheit, die Sicherheit von Personen und

Sachen ... gewährleistet ist.

Dies ist jedoch beim gegenständlichen Hochdruckreiniger nicht gegeben.

Betrachtungen, ob das Hochdruckreinigungsgerät unter die Richtlinie 73/23 EWG fällt, können unterbleiben, da diese Richtlinie nicht unmittelbar anzuwenden ist, zumal sie national als Niederspannungsgeräteverordnung (NspGV), BGBl. Nr. 51/1995, umgesetzt wurde. Die NspGV selbst ist als Fundstelle einer Definition für elektrische Betriebsmittel nicht geeignet, da sie lediglich festlegt, auf welche elektrischen Betriebsmittel sie anzuwenden ist; nämlich auf jene, welche für die Verwendung im Spannungsbereich 50 bis 1000 V Wechselspannung bzw. 75 bis 1500 V Gleichspannung bestimmt sind.

Insoweit verkennt die Berufungswerberin total den Zweck der Niederspannungsgeräteverordnung.

Die Erläuterungen zur Spannungseinteilung in Klein-, Nieder- oder Hochspannung können außer Betracht bleiben, weil das ETG 1992 keine Spannungsgrenzen kennt. Letztlich hat die erstinstanzliche Behörde ihre Entscheidung zutreffenderweise ausschließlich auf die §§ 3, 9 und 13 ETG 1992 gestützt."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wie bereits auf Verwaltungsebene wird von der beschwerdeführenden Partei primär geltend gemacht, im Beschwerdefall wäre nicht das Elektrotechnikgesetz (ETG), sondern die Maschinen-Sicherheitsverordnung (MSV), BGBl. Nr. 306/1994 idF BGBl. Nr. 424/2000, anzuwenden gewesen.

Die belangte Behörde begründet ihre Zuständigkeit, die getroffenen Maßnahmen auf das ETG stützen zu können, einerseits mit § 1 Abs. 4 MSV und andererseits mit § 3 Abs. 1 ETG 1992.

§ 1 Abs. 4 MSV hat folgenden Wortlaut:

"Wenn die in dieser Verordnung angeführten Gefahren, die von einer Maschine oder einem Sicherheitsbauteil für Maschinen ausgehen, zur Gänze oder teilweise von besonderen Rechtsvorschriften erfasst sind, durch die entsprechende Richtlinien des Europäischen Wirtschaftsraums umgesetzt werden, so ist - unbeschadet § 152 - hinsichtlich dieser Gefahren diese Verordnung nicht anzuwenden."

§ 3 Abs. 1 ETG 1992 lautet:

"§ 3. (1) Elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen sind innerhalb des ganzen Bundesgebietes so zu errichten, herzustellen, instand zu halten und zu betreiben, dass ihre Betriebssicherheit, die Sicherheit von Personen und Sachen, ferner in ihrem Gefährdungs- und Störungsbereich der sichere und ungestörte Betrieb anderer elektrischer Anlagen und Betriebsmittel sowie sonstiger Anlagen gewährleistet ist. Um dies zu gewährleisten, ist gegebenenfalls bei Konstruktion und Herstellung elektrischer Betriebsmittel nicht nur auf den normalen Gebrauch, sondern auch auf die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Benutzung Bedacht zu nehmen. In anderen Rechtsvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen werden durch diese Bestimmungen nicht berührt."

Die belangte Behörde tritt der Rechtsauffassung der beschwerdeführenden Partei, nicht das ETG 1992, sondern die MSV sei anzuwenden gewesen, damit entgegen, dass die angeführten (von einer Maschine ausgehenden) Gefahren zur Gänze oder teilweise von besonderen Rechtsvorschriften erfasst sind, durch die entsprechende Richtlinien des Europäischen Wirtschaftsraums umgesetzt werden. Entscheidend ist somit, ob die Rechtsauffassung von der Nichtanwendung der MSV deshalb zutreffend ist, weil (bereits) mit der allgemeinen Regel des § 3 Abs. 1 ETG 1992 die EN 60335-2-79 einschließlich Amendment 11 und EN 60335-1 als "entsprechende Richtlinie des EWR" umgesetzt wurde.

Eine derartige Sicht kann dem § 3 Abs. 1 ETG 1992 schon unter dem Gebot einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation nicht unterstellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH müssen nämlich die Bestimmungen einer Richtlinie mit unbestreitbarer Bindungswirkung und mit der Konkretheit, Bestimmtheit und Klarheit umgesetzt werden, die die Rechtssicherheit erfordert (vgl. etwa das Urteil des EuGH vom 8. Juli 2004, Rechtssache C-214/03, Kommission/Österreich, Rn 35, und die dort zitierte Vorjudikatur). Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu finden, dass die allgemeine Regel des § 3 Abs. 1 ETG 1992 (schon) einen solchen Akt der Umsetzung darstellt.

Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift meint, es sei jedenfalls der Stand der Technik anzuwenden, wie er z.B. in § 71a der GewO 1994 definiert sei, und dass deshalb die EN 60335-2-79 (zusammen mit dem Teil 1 - EN 60335-1) anwendbar sei. Unabhängig davon, ob aus der hier in Frage stehenden Regelung des ETG 1992 ein derartiger (wie im § 71a GewO 1994 enthaltener) Verweis auf den Stand der Technik überhaupt ableitbar ist, kann ein solcher, wie dem vorzitierten Urteil des EuGH vom 8. Juli 2004 zu entnehmen ist (Rn 35, aber auch Rn 50), (in einer Fallkonstellation wie der vorliegenden) nicht als eine Umsetzung angesehen werden.

Da die belangte Behörde schon insofern die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 29. März 2006

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteGemeinschaftsrecht Auslegung des Mitgliedstaatenrechtes EURallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2001040194.X00

Im RIS seit

05.05.2006

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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