TE Vfgh Beschluss 2002/2/25 V13/02

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Veröffentlicht am 25.02.2002
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/02 Energierecht

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ElWOG §13 Abs2
StromlieferungsvertragsV vom 13.12.01

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung der Stromlieferungsvertragsverordnung mangels Legitimation; kein subjektives Recht der Endverbraucher auf Ausschluß des Strombezugs aus bestimmten Ländern, insbesondere nicht zum Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Tiere und Pflanzen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Am 13. Dezember 2001 erließ die Elektrizitäts-Control GmbH auf Grund des §13 Abs2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 121/2000, die "Verordnung (...) betreffend Stromlieferungsverträge bei Strombezug aus Drittstaaten (Stromlieferungsvertragsverordnung)" mit folgendem Wortlaut:

"§1. Als Drittstaaten im Sinne des §13 Abs2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG), BGBl. I Nr. 143/1998, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 121/2000, werden benannt:

1.

Bosnien und Herzegowina

2.

Republik Bulgarien

3.

Republik Estland

4.

Bundesrepublik Jugoslawien

5.

Republik Kroatien

6.

Republik Litauen

7.

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien

8.

Republik Rumänien

9.

Russische Föderation

10.

Tschechische Republik

11.

Republik Türkei

12.

Republik Ukraine

§2. Diese Verordnung tritt am Tag ihrer Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2002 außer Kraft. Mit Inkrafttreten dieser Verordnung tritt die Verordnung der Elektrizitäts-Control GmbH betreffend Stromlieferungsverträge bei Strombezug aus Drittstaaten (Stromlieferungsvertragsverordnung), kundgemacht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung Nr. 231 vom 29. November 2001, außer Kraft."

Diese Verordnung wurde am 17. Dezember 2001 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundgemacht.

2. §13 ElWOG lautet:

"Stromlieferungsverträge

bei Strombezug aus Drittstaaten

§13. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht)

(1) Stromlieferungsverträge, die den Bezug von elektrischer Energie zur inländischen Bedarfsdeckung aus Drittstaaten zum Gegenstand haben,

1. die zur Deckung ihres Bedarfes elektrische Energie auch in Anlagen erzeugen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen oder von denen eine unmittelbare oder mittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von im Staatsgebiet befindlichen Menschen, Tieren und Pflanzen ausgeht oder

2. die nicht den Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung der bei der Erzeugung elektrischer Energie anfallenden Abfälle erbringen und kein Konzept für künftig aus der Erzeugung anfallende Abfälle erstellen,

sind unzulässig.

(2) Die Elektrizitäts-Control GmbH hat durch Verordnung jene Drittstaaten zu benennen, auf die die Voraussetzungen von Abs1 zutreffen."

3. Gestellt wird der Individualantrag gem. Art139 B-VG auf Prüfung der zitierten Verordnung "mit dem Antrag(,) die angefochtene Verordnung zur Gänze, in eventu §1 der Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben."

4. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führen die Antragsteller Folgendes aus:

Beide seien Endverbraucher im Sinne des ElWOG und hätten daher ein berechtigtes Interesse an der Einhaltung des §13 ElWOG, wonach "Stromlieferungsverträge" unter den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen unzulässig seien. Der Erstantragsteller sei weiters ein gemeinnütziger Verein, der sich den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren zum Ziel gemacht habe, wobei der Schutz vor den Risiken und Gefahren der Atomenergie ein besonderes Anliegen darstelle. Er finanziere seine Tätigkeiten überwiegend durch Spendengelder und habe daher auch die Interessen einer Vielzahl von Spendern und Spenderinnen sowie Mitgliedern zu vertreten.

Die angefochtene Verordnung greife unmittelbar und aktuell in die Rechtssphäre der Antragsteller ein, ohne dass es hiefür einer behördlichen Entscheidung bedürfe. Zum einen werde "in das (subjektive) Recht auf Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Tiere und Pflanzen" eingegriffen, zum anderen seien die Antragsteller gezwungen, als Endverbraucher Strom aus bestimmten (in der Verordnung nicht genannten) Ländern zu beziehen, obwohl der Import gemäß §13 ElWOG unzulässig sei, da eine Trennung der einmal in das Stromnetz eingespeisten Elektrizität aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht mehr möglich sei.

Den Antragstellern stehe auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, sich gegen die gesetzwidrige Verordnung zur Wehr zu setzen. Die Antragsteller hätten weder die Möglichkeit, einen Bescheid zu erlangen und diesen dann im Rechtsweg zu bekämpfen, noch bestehe die Möglichkeit, den zivilrechtlichen Weg zu beschreiten.

5. Die angefochtene Verordnung sei aus folgenden Gründen gesetzwidrig:

Es sei evident, dass §13 ElWOG insbesondere auf die Problematik rund um Atomkraftwerke im benachbarten Ausland, etwa das AKW Bohunice in der Slowakei, abstelle.

Auf der Grundlage des §13 Abs2 ElWOG sei zunächst am 1. November 2001 die so genannte "Stromlieferungsvertrags-Übergangsverordnung", derzufolge insgesamt 20 Staaten die Voraussetzungen des §13 Abs1 ElWOG erfüllt hätten, ergangen. Per 1. Dezember 2001 sei eine "Stromlieferungsvertragsverordnung" ergangen, die nur noch 15 Staaten aufgezählt habe. Durch die angefochtene "Stromlieferungsvertragsverordnung" vom 13. Dezember 2001 schließlich seien insbesondere die Slowakei, Slowenien und Ungarn nicht mehr umfasst. Aufrecht bleibe im Gegensatz dazu jedoch das "Stromimport-Verbot" für die Republik Tschechien.

Grundlage für den Staatenkatalog sei ein von der Elektrizitäts-Control GmbH in Auftrag gegebenes Gutachten aus dem Oktober 2001 gewesen. Die Untersuchungsergebnisse für thermische Kraftwerke seien für Slowenien, die Slowakei und Ungarn jeweils negativ ausgefallen. Die Untersuchung von Kernkraftwerken habe für die Slowakei, Slowenien und Tschechien ergeben, dass diese Staaten nicht dem Kriterium der Kernschadenshäufigkeit genügten. Es sei insbesondere darauf hingewiesen worden, dass das Kraftwerk Bohunice nach wie vor nicht ausreichend nachgerüstet worden sei.

Da diese Fakten unverändert vorlägen, widerspreche die Beseitigung des Importverbots für die Staaten Slowenien, Slowakei und Ungarn durch die angefochtene Verordnung §13 ElWOG.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrags erwogen:

1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg. 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie - im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 letzter Satz B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl. zB. VfSlg. 8594/1979, 10.353/1985, 11.730/1988).

2. Die rechtliche Wirkung der angefochtenen Verordnung erschöpft sich darin, dass Stromlieferungsverträge mit den aufgezählten Staaten "unzulässig" sind. Die Antragsteller führen nicht ins Treffen, von dieser rechtlichen Wirkung unmittelbar berührt zu werden.

Die Antragsteller führen vielmehr ins Treffen, gezwungen zu sein, als Endverbraucher Strom etwa aus den - in der Verordnung nicht genannten - Staaten Slowakei, Slowenien und Ungarn zu beziehen. Die angefochtene Verordnung mag allenfalls faktisch bewirken, dass der Endverbraucher akzeptieren muss, wenn sein Stromlieferant Strom aus den genannten Ländern importiert. Es handelt sich dabei jedoch um keine Wirkung der angefochtenen Verordnung, die in die Rechtssphäre der Antragsteller eingreift: Denn die Rechtsordnung gewährt den Endverbrauchern kein subjektives Recht, einen Strombezug aus einem bestimmten Land auszuschließen. Insbesondere kann ein solches Recht nicht aus einem "(subjektiven) Recht auf Schutz des Lebens und der Gesundheit sowie der Tiere und Pflanzen" abgeleitet werden.

Die Stellung des Erstantragstellers als gemeinnütziger Verein, der sich den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Pflanzen und Tieren zum Ziel gemacht habe, wobei der Schutz vor den Risiken und Gefahren der Atomenergie ein besonderes Anliegen darstelle, und der die Interessen einer Vielzahl von Spendern und Spenderinnen sowie Mitgliedern zu vertreten habe, mag eine erhöhte interessensmäßige Involvierung bewirken. Selbst wenn die angefochtene Verordnung den vom Erstantragsteller verfolgten Interessen zuwiderlaufen sollte, greift sie dennoch in seine Rechtssphäre nicht ein. Denn die Rechtsordnung gibt dem Erstantragsteller kein Recht auf das Unterbleiben von Stromimporten aus bestimmten Staaten.

3. Der Verordnungsprüfungsantrag war somit wegen Fehlens der Antragsberechtigung als unzulässig zurückzuweisen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 lite VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Energierecht, Elektrizitätswesen, Rechte subjektive öffentliche, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V13.2002

Dokumentnummer

JFT_09979775_02V00013_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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