TE Vwgh Erkenntnis 2006/3/30 2005/20/0588

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Veröffentlicht am 30.03.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Trefil, über die Beschwerde des J, vertreten durch Mag. Wolfgang Auner, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 28. Juli 2005, Zl. 256.226/0-IV/44/04, betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet") bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste am 13. Jänner 2003 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 30. Jänner 2003 Asyl. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25. November 2004 gab er zu seinen Fluchtgründen an, er gehöre der Volksgruppe der Agbor an. Sein Vater sei Mitglied einer spirituellen Gruppe ("Ogbeni") mit vielen Zweigstellen gewesen. Als der Vater gestorben sei, hätten die Leute dieser Gruppe gewollt, dass der Beschwerdeführer seinen Platz in der Gruppe einnehme. Seine Mutter habe das abgelehnt und gemeint, der Vater sei vermutlich aus spirituellen Gründen wegen dieser Gruppe gestorben. Seither hätte er "Probleme" mit den Mitgliedern dieser Gruppe gehabt. Sie hätten durch ihre spirituellen Kräfte auch den Tod seiner Schwester verursacht, die im November 2002 gestorben sei; eines Nachmittags sei sie auf den Boden gefallen, habe Krämpfe gehabt und sei innerhalb von drei Stunden gestorben. Der Beschwerdeführer selbst habe einen Motorradunfall gehabt. Die Leute der Gruppe hätten seiner Mutter gesagt, wenn der Beschwerdeführer der Gesellschaft nicht beitrete, würde ihm das gleiche geschehen wie seiner Schwester. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er die gleichen Probleme, die ihn zu seiner Flucht getrieben hätten.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (in der Folge: AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria fest (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG "aus dem österreichischen Bundesgebiet" aus (Spruchpunkt III.).

Gegen diese Entscheidung erhob der Beschwerdeführer Berufung, die die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß "§§ 7, 8 Abs. 1 und 8 Abs. 2 AsylG" abwies. Die belangte Behörde traf Feststellungen zur Situation in Nigeria und stellte weiters fest, dass der Beschwerdeführer vor einer etwaigen Bedrohung Sicherheit durch Verlegung seines Aufenthaltsortes in einen anderen Teil Nigerias finden könnte. Die behauptete Bedrohungssituation sei aufgrund seiner - im angefochtenen Bescheid näher dargestellten - unterschiedlichen und widersprüchlichen Schilderungen im Laufe des Verfahrens unglaubwürdig. Es sei auch nicht glaubhaft, dass die aus der Stammestradition der Yoruba entstandene Geheimgesellschaft der Ogboni an einem Beitritt des Beschwerdeführers, der der Volksgruppe der Ibo bzw. Ibo-Ika angehöre, Interesse haben sollte. Den Feststellungen zu Nigeria sei nicht zu entnehmen, dass auf Personen Zwang ausgeübt werde, um Positionen in einer Geheimgesellschaft einzunehmen, oder dass durch Angehörige der Ogboni Gewalt angewandt würde. Der Beschwerdeführer habe nie behauptet, selbst Ziel gewaltsamer Angriffe von Angehörigen dieser Gesellschaft gewesen zu sein und habe seine Befürchtungen lediglich damit beschrieben, dass gegen ihn mit "spirituellen Kräften" vorgegangen werden könne, was nach den Naturgesetzen nicht möglich sei. Die Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer wegen seines Asylantrages keine Sanktionen zu erwarten habe und es keine Hinweise dafür gebe, dass er in eine ausweglose Lebenssituation geraten könnte, zumal in Nigeria die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln zumindest im städtischen Bereich für den offensichtlich gesunden und arbeitsfähigen Beschwerdeführer grundsätzlich gewährleistet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde rügt im Wesentlichen, dass der Beschwerdeführer "eindeutige Angaben" zum Vorliegen einer Verfolgungsgefahr gemacht habe, zumal er von seiner Mutter christlich erzogen worden sei; die belangte Behörde habe dazu aber keine weiteren Fragen gestellt bzw. Feststellungen getroffen.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend, da sich die Beschwerde mit der Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft - und daher der rechtlichen Beurteilung nicht zugrunde zu legen - seien, nicht auseinander setzt und nicht dargetan wird, aufgrund welcher konkreten Ermittlungen die belangte Behörde zum Ergebnis hätte kommen können, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers Glaubwürdigkeit beizumessen sei. Da die zur Abweisung der Berufung führenden Feststellungen im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis weder in Bezug auf die Entscheidung nach § 7 noch nach § 8 AsylG Bedenken begegnen, war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, als unbegründet abzuweisen.

Bei der unveränderten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides über die Ausweisung des Beschwerdeführers "aus dem österreichischen Bundesgebiet" (Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides) hat die belangte Behörde jedoch verkannt, dass die Asylbehörden in einem Fall wie dem vorliegenden nicht berechtigt sind, die Ausweisung eines Asylwerbers ohne Einschränkung auf den Herkunftsstaat auszusprechen. Hiezu kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, Zl. 2005/01/0625, und die dort angeführte Vorjudikatur verwiesen werden.

Es war daher die Bestätigung von Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben und die Beschwerde im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 30. März 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005200588.X00

Im RIS seit

12.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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