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82 GesundheitsrechtNorm
ÄrzteG 1998 §211Leitsatz
Einstellung der Beschwerdeverfahren betreffend die Erteilung der Bewilligung zur selbständigen Berufsausübung für ausländische Zahnärzte sowie Eintragung in die Ärzteliste als Zahnarzt wegen Klaglosstellung aufgrund Änderung der Rechtslage; KostenzuspruchSpruch
Die Beschwerdeverfahren werden eingestellt.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit je € 2143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Begründung:
I. 1.a) Den drei beschwerdeführenden Parteien (damals kroatischen bzw. tschechischen Staatsangehörigen) war jeweils mit Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 6. Juli 1993 die (nicht zwangsläufig mit der Eintragung in die Ärzteliste verbundene) Bewilligung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Zahnambulatorium St. Pölten der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erteilt worden. Rechtsgrundlage für diese Bewilligungserteilung war §16a Ärztegesetz 1984, BGBl. 373, idF BGBl. 461/1992.
Abs1 dieser Bestimmung ermächtigte den zuständigen Bundesminister, Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind und im Ausland eine Berechtigung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen oder zahnärztlichen Berufes erworben haben, unter Voraussetzung einer gleichwertigen Qualifikation eine Bewilligung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes im Rahmen eines Dienstverhältnisses als praktischer Arzt oder als Facharzt in Krankenanstalten zu erteilen.
b) Den beschwerdeführenden Parteien wurde in den Jahren 1995 (B332/01 und B334/01) bzw. 1997 (B333/01) die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen.
2.a) Mit den vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden bekämpfen sie (im Instanzenzug ergangene) Bescheide des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Jänner 2001, mit denen ihre Anträge auf Eintragung in die Österreichische Ärzteliste als Zahnarzt gemäß §211 iVm §27 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr. 169, abgewiesen wurden.
§211 ÄrzteG 1998 hat(te) folgenden Wortlaut:
"§211. Personen, die zum Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Ärztegesetzes 1984 auf Grund einer Bewilligung gemäß §16b des Ärztegesetzes 1984 zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Rahmen eines Dienstverhältnisses in Krankenanstalten berechtigt sind, sind ungeachtet des Mangels des Erfordernisses gemäß §18 Abs3 oder 4 Z1 nach diesem Zeitpunkt zur selbständigen Berufsausübung als Zahnarzt im gesamten Bundesgebiet ohne Befristung und ohne Beschränkung auf den in der Bewilligung genannten Dienstort berechtigt. Diese Ärzte sind von der Österreichischen Ärztekammer als Zahnärzte in die Ärzteliste gemäß §27 einzutragen."
Der in der eben zitierten Norm bezogene §16b des Ärztegesetzes 1984 (idF BGBl. 378/1996) lautete auszugsweise:
"§16b. (1) Der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz kann Personen, die
1.
im Ausland ein Studium der Zahnmedizin, das einer Ausbildung nach der Richtlinie 78/687/EWG gleichwertig ist, absolviert haben und
2.
als ausländische Staatsangehörige vor dem 1. Jänner 1996 in Österreich im Rahmen eines Dienstverhältnisses eine zahnärztliche Tätigkeit in einer Krankenanstalt ausgeübt haben und
3.
bei Fortdauer dieser Tätigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben,
unter der Voraussetzung ausreichender Kenntnisse der deutschen Sprache eine Bewilligung zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Rahmen eines Dienstverhältnisses in Krankenanstalten erteilen.
(2) Voraussetzung ist weiters, daß diese Bewilligung zur Aufrechterhaltung einer ausreichenden zahnärztlichen Betreuung der Patienten erforderlich ist und ein gemäß §13 qualifizierter und zur selbständigen Berufsausübung in Österreich berechtigter Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nachweislich trotz Ausschreibung im jeweiligen offiziellen Presseorgan der Österreichischen Ärztekammer oder des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger nicht zur Verfügung steht.
(3) ...
(4) Personen, denen eine Bewilligung gemäß Abs1 erteilt worden ist, sind nicht berechtigt, den zahnärztlichen Beruf freiberuflich außerhalb der im Bewilligungsbescheid genannten Krankenanstalt auszuüben.
(5) - (8) ..."
Die abweisenden Bescheide wurden im Kern jeweils damit begründet, daß die Berufungswerberin (der Berufungswerber) über keine (formelle) Bewilligung nach §16b ÄrzteG 1984 verfüge und deshalb die Übergangsbestimmung des §211 ÄrzteG 1998 auf sie (ihn) nicht anzuwenden sei.
b) In den vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerden wird u. a. vorgebracht, es sei unbestreitbare Tatsache, daß die jeweilige beschwerdeführende Partei "über dieselben Voraussetzungen und über dieselbe Qualifikation verfügt, wie ein Inhaber einer Bewilligung gem. §16b ÄrzteG 1984 bzw. in weiterer (Folge) §211 ÄrzteG 1998".
Es wird mit näherer Begründung die Verfassungswidrigkeit des §211 ÄrzteG 1998 behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide begehrt.
c) Der Landeshauptmann von Niederösterreich als bescheiderlassende Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete mit 1. Juni 2001 datierte (am 6. Juni 2001 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte) Gegenschriften, in denen jeweils die Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
3. Während der Anhängigkeit der drei vorliegenden Beschwerdeverfahren erging die 2. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 110/2001 (kundgemacht im Bundesgesetzblatt I am 10. August 2001). Durch Z152 dieser Novelle wurde dem bisherigen Text des §211 ÄrzteG 1998 ein weiterer Absatz angefügt, der folgenden Wortlaut hat:
"(2) Personen, die
1.
im Ausland ein Studium der Zahnmedizin, das einer Ausbildung nach der Richtlinie 78/687/EWG gleichwertig ist, absolviert haben,
2.
spätestens seit dem 1. Jänner 1996 in Österreich im Rahmen eines Dienstverhältnisses eine zahnärztliche Tätigkeit in einer Krankenanstalt ausgeübt haben und
3.
die österreichische Staatsbürgerschaft vor In-Kraft-Treten des Ärztegesetzes 1998 erworben haben,
sind ungeachtet des Mangels des Erfordernisses gemäß §18 Abs3 oder 4 Z1 nach diesem Zeitpunkt zur selbstständigen Berufsausübung als Zahnarzt im gesamten Bundesgebiet ohne Befristung und ohne Beschränkung auf den Dienstort berechtigt. Diese Personen sind von der Österreichischen Ärztekammer als Zahnärzte in die Ärzteliste gemäß §27 einzutragen."
(Anm.: Das in der eben zitierten Bestimmung erwähnte Erfordernis gemäß §18 Abs3 oder 4 Z1 ist
-
"für den Zahnarzt das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der Zahnheilkunde oder ein gleichwertiger im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der Zahnheilkunde nostrifizierter akademischer Grad" (§18 Abs3 ÄrzteG 1998) bzw.
-
"für den Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde das an einer Universität in der Republik Österreich erworbene Doktorat der gesamten Heilkunde oder ein gleichwertiger im Ausland erworbener und in Österreich als Doktorat der gesamten Heilkunde nostrifizierter akademischer Grad" (§18 Abs4 Z1 ÄrzteG 1998).)
Die Erläuterungen zu der die 2. Ärztegesetz-Novelle betreffenden Regierungsvorlage (629 BlgNR 21. GP) begründen diese Neuregelung wie folgt (S 47 f.):
"Zu Z152 (§211):
Im Zusammenhang mit der Vollziehung des §211 Ärztegesetzes 1998 haben sich folgende Problemfälle ergeben, die auf Grund der derzeitigen Übergangsbestimmungen keiner adäquaten interpretativen Lösung zugeführt werden konnten:
-
Zahnärzte, die bereits 1992 österreichische Staatsbürger waren, daher keine Bewilligung gemäß §16a Ärztegesetz 1984 erhielten und mangels Antrages nicht im Besitz einer Bewilligung gemäß §16b Ärztegesetz 1984 sind,
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Zahnärzte, die eine Bewilligung gemäß §16a Ärztegesetz 1984 erhielten, nachträglich die österreichische Staatsbürgerschaft erhielten, aber mangels Antrages nicht im Besitz einer Bewilligung gemäß §16b Ärztegesetz 1984 sind, und
-
Zahnärzte, die bereits 1992 österreichische Staatsbürger waren, daher keine Bewilligung gemäß §16a Ärztegesetz 1984 erhielten und nicht unter den Wortlaut des §16b Ärztegesetz 1984 fielen, da sie bereits vor Beginn der Tätigkeit österreichische Staatsbürger waren.
Nach derzeitiger Rechtslage fallen diese Zahnärzte nicht unter §211 Ärztegesetz 1998, da ihnen keine Bewilligung gemäß §16b Ärztegesetz 1984 erteilt wurde, in den beiden ersten Fällen mangels Antrages, im dritten Fall auf Grund des vorzeitigen Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Diese Personen können derzeit nur im Rahmen der beschränkten Berufsausübungsmöglichkeit des §32 Ärztegesetz 1998 tätig werden bzw. auf Grund einer Bewilligung gemäß §16a Ärztegesetz 1984, welche gemäß §210 Abs2 Ärztegesetz 1998 in Verbindung mit §16a Abs5 Z2 Ärztegesetz 1984 zurückgenommen werden könnten. Diese rechtliche Ausgangsposition bedeutet eine klare Schlechterstellung gegenüber jenen, die unter die Übergangsbestimmung des §211 Ärztegesetz 1998 fallen.
Durch die im Abs2 vorgesehene Erweiterung des §211 Ärztegesetz 1998 soll eine Sanierung dieser Schlechterstellung erfolgen, indem die betroffenen Zahnärzte, die ursprünglich antragslegitimiert im Sinne des §16b Ärztegesetz 1984 bzw. nur auf Grund des vorzeitigen Erwerbes der Staatsbürgerschaft schlechtergestellt waren, zur unbeschränkten Berufsausübung als Zahnärzte gemäß §211 Ärztegesetz 1998 zugelassen werden.
Der von §211 Abs2 in der Fassung des Entwurfes erfasste Personenkreis hat jene Voraussetzungen zu erfüllen, die in §16b Abs1 Z1 bis 3 Ärztegesetz 1984 normiert waren, sodass durch die neue Bestimmung keine Erweiterung des Personenkreises der ursprünglich durch §16b Ärztegesetz 1984 bezweckten Regelung erfolgt. Durch den ergänzten Abs2 können hingegen die im Zusammenhang mit §16b Ärztegesetz 1984 meist von den Dienstgebern verabsäumten Maßnahmen nachgeholt und die daraus resultierende Schlechterstellung der betroffenen Zahnärzte beseitigt werden.
Klargestellt wird, dass diese Übergangsbestimmung nur jene Zahnärzte betrifft, die nach Absolvierung eines ausländischen Zahnmedizinstudiums das zahnärztliche Niederlassungsrecht in Österreich nach der damaligen Rechtslage auf Grund des noch nicht eingerichteten Studiums zum Dr.med.dent. nur über den Weg der Absolvierung des Humanmedizinstudiums in Österreich erlangen hätten können und daher bisher über zahlreiche Jahre nur im Rahmen der Mangelbestimmungen der §§16a und 16b des Ärztegesetzes 1984 tätig waren.
Da die seitens dieser Zahnärzte absolvierten ausländischen Ausbildungen dem nunmehr in Österreich eingerichteten Zahnmedizinstudium vergleichbar sind und die betroffenen Personen die erforderliche Berufserfahrung auf Grund mehrjähriger Tätigkeit in Österreich erworben haben, wird diesen Zahnärzten nunmehr im Rahmen des §211 die Niederlassungsberechtigung zuerkannt."
II. 1.a) Der Verfassungsgerichtshof ist der Ansicht, daß die beschwerdeführenden Parteien seit der Neugestaltung der Rechtslage durch Z152 der 2. Ärztegesetz-Novelle durch die angefochtenen Bescheide nicht mehr beschwert sind. Wie auch in den wiedergegebenen Gesetzesmaterialien ausdrücklich festgehalten ist, werden die von §211 Abs2 ÄrzteG 1998 erfaßten Personen (zu ihnen zählen offenkundig auch die einschreitenden Parteien - vgl. dazu das oben (Pkt. I.2.b) zitierte Vorbringen in den Beschwerden) zur unbeschränkten Berufsausübung als Zahnärzte zugelassen. Daß sie von der Österreichischen Ärztekammer als Zahnärzte in die Ärzteliste gemäß §27 leg.cit. einzutragen sind, normiert der letzte Satz des §211 Abs2 leg.cit. Die angefochtenen Bescheide entfalten für ihre Adressat(inn)en somit keine Rechtswirkung mehr.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt eine Klaglosstellung im Sinne des §86 VfGG (bzw. vor der Novelle BGBl. 311/1976: §86a) auch dann vor, wenn die Behörde durch eine neue Entscheidung den angefochtenen Bescheid vollständig unwirksam macht, weil dadurch der bestmögliche Erfolg der Beschwerde vorweggenommen wird (s. etwa VfSlg. 3288/1957). In weiterer Folge hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß das gleiche aber auch dann gelten muß, wenn dieses Ergebnis nicht durch eine behördliche Entscheidung, sondern durch eine Änderung der generellen Rechtslage herbeigeführt wird (s. VfSlg. 13.854/1994).
b) Auch die beschwerdeführenden Parteien selbst teilten über Einladung des Verfassungsgerichtshofes mit, daß sie sich aufgrund der in Rede stehenden Neugestaltung der Rechtslage als klaglosgestellt erachten.
c) Die Verfahren über die vorliegenden Beschwerden waren sohin einzustellen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Anders als in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. insb. VfSlg. 13.854/1994) ist der Verfassungsgerichtshof nunmehr der Auffassung, daß der Formulierung "Der Partei, ... die den Beschwerdeführer klaglosgestellt hat" in verfassungskonformer Interpretation nicht der enge, ihr bisher zugemessene Sinn zukommt, sondern auch dann eine Klaglosstellung im Sinn des §88 VfGG anzunehmen ist, wenn - wie hier - nicht die belangte Behörde den Bescheid formell aufgehoben hat, sondern die Wirkung des Bescheides durch einen Akt des Gesetzgebers weggefallen ist (und nur eine amtswegige Aufhebung im Sinn des §68 AVG unterblieb).
Im zugesprochenen Betrag ist Umsatzsteuer in der Höhe von je € 327,-- sowie der Ersatz der - entrichteten - Eingabegebühr in der Höhe von je € 181,68 enthalten. Die unter dem Titel "Aufgetragener Schriftsatz" zusätzlich verzeichneten Kosten waren nicht zuzusprechen, da diese bereits im Pauschalsatz enthalten sind.
III. Dies konnte gem. §19 Abs3 Z3 VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ärzte Berufsrecht, Novellierung, Gesetz, VfGH / Klaglosstellung, VfGH / Kosten, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2002:B332.2001Dokumentnummer
JFT_09979774_01B00332_00