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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §19 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ströbl, über die Beschwerde des BT in K, vertreten durch Dr. Andreas Widschwenter und Mag. Thomas Frischmann, Rechtsanwälte in 6300 Wörgl, Salzburger Straße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. Oktober 2005, Zl. uvs-2004/14/185-5, betreffend Übertretungen des FSG und der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Spruchpunktes 1. (Übertretung des § 14 Abs. 8 FSG) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und hinsichtlich des Spruchpunktes 2. (Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund und das Land Tirol haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von je EUR 585,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Oktober 2005 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 25. Februar 2004 um 23.50 Uhr an einem näher umschriebenen Ort 1. einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,27 mg/l gelenkt, obwohl das Lenken von Kraftfahrzeugen nur erlaubt sei, wenn der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l betrage; und sei 2. mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt, obwohl er dem Geschädigten seinen Namen und Anschrift nicht nachgewiesen habe.
Der Beschwerdeführer habe dadurch Verwaltungsübertretungen und zwar zu 1. nach § 37a iVm § 14 Abs. 8 FSG und zu 2. nach § 4 Abs. 5 StVO begangen; es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
I. Zu Spruchpunkt 1. (Übertretung des § 14 Abs. 8 FSG):
Das Beschwerdevorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass die belangte Behörde zum Beweisthema der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers die Einvernahme der Zeugen R.R. und M.B. unterlassen habe. Der Beschwerdeführer ist damit im Recht:
In der Begründung des angefochtenen Bescheides findet sich insoweit die Feststellung, diese beiden Zeugen seien zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Unter Hinweis auf die Aussagen von anderen Zeugen vor der belangten Behörde und der Aussage der Zeugin M.B. vor der Erstbehörde kam die belangte Behörde zu dem Schluss, das sowohl von der Erstbehörde als auch von der Berufungsbehörde durchgeführte Verfahren habe ergeben, dass der Schuldvorwurf gegenüber dem Beschwerdeführer gerechtfertigt sei. Die aufrecht erhaltenen Beweisanträge seien daher "wegen geklärter Sachlage" abzuweisen.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, II. Band, 2. Aufl., E 6. zu § 51i VStG zitierte Vorjudikatur) darf aber der unabhängige Verwaltungssenat im Hinblick auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 51i VStG bei seiner Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen, was in der Verhandlung vorgekommen ist. Weiters ist es Pflicht der Behörde - worauf der Beschwerdeführer zutreffend verweist - einen allenfalls unwilligen Zeugen zum Erscheinen und zur Aussage zu zwingen (vgl. die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 12. zu § 51g VStG zitierte hg. Rechtsprechung), zumal die belangte Behörde nicht behauptet, dass die beiden Zeugen R.R. und M.B. nicht zu einem "wesentlichen Thema" namhaft gemacht worden seien (vgl. die soeben zitierte hg. Rechtsprechung).
Die Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift, das Nichterscheinen der geladenen Zeugen lasse nur den Schluss zu, "dass sie nicht mehr sagen können, als sie schon (Anmerkung des Verwaltungsgerichtshofes: vor der Erstbehörde) ausgesagt haben", gehen schon im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 51g Abs. 1 und 51i VStG (vgl. zu den erforderlichen Zeugeneinvernahmen durch den unabhängigen Verwaltungssenat auch das hg. Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl. 2002/03/0033) fehl.
Die belangte Behörde hat daher durch das Unterbleiben der Einvernahme dieser beiden Zeugen Verfahrensvorschriften verletzt, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie nach Einvernahme der genannten Zeugen zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
II. Zu Spruchpunkt 2. (Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO):
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug "auf einem umgekippten und umgebogenen Verkehrszeichen" gestanden sei.
Gemäß § 31 Abs. 1 StVO dürfen Einrichtungen zur Regelungen und Sicherung des Verkehrs, wozu auch Straßenverkehrszeichen zählen, u.a. nicht beschädigt werden. Wer solche Einrichtungen u. a. beschädigt, begeht nach § 99 Abs. 2 lit. e StVO eine Verwaltungsübertretung und ist ... zu bestrafen, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. November 1991, Zl. 91/02/0094) stellt die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO die allgemeine, die des § 31 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 2 lit. e StVO die besondere Bestimmung dar, weshalb dann, wenn ein Sachverhalt vorliegt, welcher der besonderen Bestimmung unterstellt werden kann, lediglich danach eine Bestrafung in Betracht kommt.
Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie den von ihr angenommenen Sachverhalt der Vorschrift des § 4 Abs. 5 StVO unterstellte.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass in das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Für das fortgesetzte Verfahren wird allerdings im Zusammenhang mit der Unzulässigkeit der Auswechslung der Tat durch die Berufungsbehörde gleichfalls auf das zitierte hg. Erkenntnis vom 20. November 1991, Zl. 91/02/0094, verwiesen.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 31. März 2006
Schlagworte
"zu einem anderen Bescheid" Ablehnung eines Beweismittels Beweise Beweismittel Zeugenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Erheblichkeit des Beweisantrages Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2006:2005020335.X00Im RIS seit
27.04.2006