TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/6 2005/11/0214

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.04.2006
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §25 Abs1;
FSG 1997 §25 Abs3;
FSG 1997 §26 Abs1 Z2;
FSG 1997 §7 Abs4;
FSG 1997 §7 Abs5;
StGB §81 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausplatz 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. Oktober 2005, Zl. UVS-FSG/18/6996/2005/2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Lenkverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 3. Oktober 2004 als Lenker eines PKW durch Außerachtlassen der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, wodurch er eine auf dem Schutzweg befindliche Fußgängerin zu spät bemerkt habe, mit dieser kollidiert sei und sie zu Boden gestoßen habe, wodurch diese so schwer verletzt worden sei, dass sie verstorben sei, fahrlässig deren Tod herbeigeführt, nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand (0,51 mg/l Atemluftalkoholgehalt) versetzt habe, obwohl er vorhergesehen habe bzw. hätte vorhersehen können, dass ihm das Lenken eines Kraftfahrzeuges bevorstehe, sohin eine Tätigkeit, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbei zu führen oder zu vergrößern geeignet sei. Er wurde deshalb wegen des Vergehens nach § 81 Abs. 1 Z. 2 StGB zu einer - unbedingten - Freiheitsstrafe in der Dauer von 11 Monaten verurteilt.

Mit dem erstinstanzlichen (Vorstellungs-)Bescheid vom 3. August 2005 wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkberechtigung für die Klasse B gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 FSG für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet ab Abnahme des Führerscheins, somit für die Zeit vom 3. Oktober 2004 bis 3. Oktober 2006 "(ohne Einrechnung von Haftzeiten)" entzogen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraftfahrzeugen für "denselben Zeitraum" verboten. Einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung keine Folge gegeben.

Die belangte Behörde vertrat nach Darstellung des erstinstanzlichen Bescheides und des darin wiedergegebenen Strafurteiles, des Vorbringens des Beschwerdeführers in seiner Berufung und der Rechtslage die Auffassung, der Beschwerdeführer habe durch das Lenken des Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,02 Promille Blutalkoholgehalt) eine bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 FSG verwirklicht. Sie verwies ferner darauf, dass sich der Beschwerdeführer bei der hier in Rede stehenden Tat mit einer höheren als der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (nach dem Strafurteil mit 58 km/h) einem Schutzweg genähert habe, wobei ihn ein tiefer Sonnenstand geblendet habe. In einer solchen Situation wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, seine Fahrgeschwindigkeit "drastisch" zu verringern, weil er damit hätte rechnen müssen, dass sich ein Fußgänger auf dem Schutzweg befindet. Nach Ansicht der belangten Behörde sei das Fahrverhalten des Beschwerdeführers äußerst gefährlich, geradezu leichtsinnig und rücksichtslos anderen, schwächeren Verkehrsteilnehmern gegenüber gewesen. Durch sein Verhalten habe der Beschwerdeführer letztlich den Tod eines Menschen verschuldet. Die Entziehungszeit von zwei Jahren sei daher unbedingt erforderlich, um dem Beschwerdeführer ausreichend Zeit zum Nachdenken über die Folgen seiner Tat zu geben und um ein tief greifendes und nachhaltiges Umdenken des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges zu bewirken. Eine Entziehungsdauer von zwei Jahren müsse geradezu als Minimum angesehen werden, um dem Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit zu geben, die Ereignisse vom 3. Oktober 2004 auch in psychischer Hinsicht zu verarbeiten.

In seiner Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4; darunter insbesondere die Verkehrszuverlässigkeit) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen. Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 FSG stellt es u. a. eine die Verkehrszuverlässigkeit ausschließende bestimmte Tatsache dar, wenn der Betreffende die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährdet. Gemäß § 7 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat. Es stellt ferner eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 2 FSG dar, wenn jemand beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol oder Suchtmittel beeinträchtigten Zustand auch einen Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht hat und diese Tat daher auf Grund des § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 nicht als Verwaltungsübertretung zu ahnden ist.

Gemäß § 25 Abs. 1 FSG ist bei der Entziehung auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. ist bei der Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) eine Entziehungsdauer von mindestens 3 Monaten festzusetzen.

Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz FSG ist die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen, wenn beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen wurde. Wenn jedoch der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, so hat nach § 26 Abs. 1 zweiter Satz Z 2 FSG die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen. Wurde der Führerschein gemäß § 39 FSG vorläufig abgenommen und nicht wieder ausgefolgt, ist gemäß § 29 Abs. 4 FSG die Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme zu berechnen.

Gemäß § 32 Abs. 1 FSG hat die Behörde Personen, die nicht im Sinne des § 7 verkehrszuverlässig sind, unter Anwendung der §§ 24 Abs. 3 und 4, 25, 26 und 29 FSG entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit das Lenken eines Motorfahrrades, eines vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuges oder eines Invalidenkraftfahrzeuges ausdrücklich zu verbieten.

Gemäß § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn eine Tat nach diesem Bundesgesetz oder nach den §§ 37 und 37a FSG den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung verwirklicht.

Der Beschwerdeführer wurde, wie die Behörde dargestellt hat, für die gegenständliche Tat wegen des Vergehens nach § 81 Abs. 1 Z 2 StGB bestraft, die diesbezüglichen Feststellungen werden von ihm auch gar nicht bestritten. Auf Grund der Bindung an das rechtskräftige strafgerichtliche Urteil hatte die belangte Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Straftat in der im Spruch des Urteiles umschriebenen Weise begangen hat (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 98/11/0317, m.w.N.).

Ein Sonderfall der Entziehung nach § 26 FSG ist im vorliegenden Fall - trotz der festgestellten bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und der erstmaligen Tatbegehung - nicht gegeben, weil diese Bestimmung eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 bzw. § 99 Abs. 1b StVO 1960 voraussetzt. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 99 Abs. 6 lit. c StVO 1960 und die Verwirklichung eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes durch den Beschwerdeführer liegt jedoch eine derartige Verwaltungsübertretung nicht vor. Das Verhalten des Beschwerdeführers ist somit als bestimmte Tatsache nach § 7 Abs. 3 Z 2 FSG zu qualifizieren. Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 29 Abs. 4 FSG erfüllt sind, ist die Entziehungsdauer ab dem Tag der vorläufigen Abnahme, dem 3.

Oktober 2004, zu berechnen.

     Der Beschwerdeführer bekämpft die Dauer der Entziehung.

Diesbezüglich ist sein Vorbringen zielführend.

     Zunächst ist auf den - im Hinblick auf die Formulierung

scheinbaren - Widerspruch in dem von der belangten Behörde bestätigten Spruch des erstinstanzlichen Bescheides in Ansehung der Dauer der Entziehung hinzuweisen. Die Erstbehörde sprach aus, dass die Entziehungsdauer bis 3. Oktober 2006, somit bis zu einem bestimmten Termin andauere, fügte jedoch hinzu "(ohne Einrechnung von Haftzeiten)". Im Hinblick auf das ausdrücklich genannte Enddatum für die Entziehungsdauer geht der damit im Widerspruch stehende Halbsatz "ohne Einrechnung von Haftzeiten" ins Leere und ist nicht geeignet, sich im Sinn einer Verlängerung der mit einem fixen Termin begrenzten Dauer auszuwirken.

Im Übrigen, soweit also eine Entziehungsdauer von 24 Monaten ab vorläufiger Abnahme des Führerscheines (am Tattag) ausgesprochen wurde, erweist sich die angefochtene Entscheidung als rechtswidrig.

Im Rahmen der von der Behörde nach § 7 Abs. 4 FSG vorzunehmenden Wertung der bestimmten Tatsache ist deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurde, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit maßgebend. Wenn die belangte Behörde in der Begründung der Entscheidung die Entziehungsdauer als dafür bestimmt ansieht, dem Beschwerdeführer "ausreichend Zeit zum Nachdenken über die Folgen seiner Tat" zu geben, ist ihr zu entgegnen, dass die Entziehung der Lenkberechtigung keine (Neben)Strafe darstellt, sondern eine Maßnahme im Dienste der Verkehrssicherheit.

Der belangten Behörde ist zu folgen, dass Alkoholdelikte im Straßenverkehr besonders verwerflich sind und auch das über die Alkoholisierung hinaus verwerfliche Verhalten des Beschwerdeführers durch Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit beim Fahren gegen blendendes Sonnenlicht in Annäherung an einen Schutzweg als besonders verwerflich zu berücksichtigen ist. Allerdings hat das Strafgericht eine Qualifikation der Tat nach § 81 Abs. 1 Z. 1 StGB nicht angenommen. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer - nach der Aktenlage - weder vor der gegenständlichen Straftat noch danach nachteilig in Erscheinung getreten ist. Zu Lasten des Beschwerdeführers kann bei der Wertung der vorliegenden bestimmten Tatsache nach § 7 Abs. 4 FSG auch nicht der Umstand gelten, dass er bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall den Tod eines Menschen verschuldet hat, weil die Unfallfolgen im gegebenen Zusammenhang bei der Wertung außer Betracht zu bleiben haben (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. Oktober 1991, Zl. 91/11/0033, vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/11/0217, u.a.).

Bereits in der Vergangenheit hat der Verwaltungsgerichtshof dem Umstand, dass die Tatbegehung erstmalig erfolgte, maßgebliche Bedeutung beigemessen (vgl. etwa das zuvor genannte hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998). Im Hinblick auf die im Rahmen der Wertung zu berücksichtigenden Tatumstände ist zwar die Annahme, die Lenkberechtigung des Beschwerdeführers sei gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines (§ 29 Abs. 4 in Verbindung mit § 25 Abs. 3 FSG) jedenfalls für mindestens drei Monate zu entziehen, nicht zu beanstanden. Es kann auch nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Behörde den Beschwerdeführer auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides als verkehrsunzuverlässig ansah. Ungeachtet der Verwerflichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde jedoch insbesondere unter Bedachtnahme auf die erstmalige Begehung eines derartigen Deliktes und das offenbare sonstige Wohlverhalten des Beschwerdeführers (Gegenteiliges hat die Behörde nicht festgestellt) zu einer wesentlich kürzeren - nicht erheblich über den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides hinausgehenden - Dauer der Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers (und damit im Zusammenhang stehend des Lenkverbotes), in der mit der Wiedererlangung seiner Verkehrszuverlässigkeit zu rechnen ist, gelangen müssen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Gesetzgeber selbst in Fällen, in denen § 26 Abs. 1 Z 2 FSG verwirklicht ist, (bloß) eine (Mindest-)Entziehungsdauer von drei Monaten vorgesehen hat. Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. April 2006

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005110214.X00

Im RIS seit

26.04.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten