TE Vwgh Beschluss 2006/4/19 2006/13/0050

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Veröffentlicht am 19.04.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2005/13/0180

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über den Antrag der Mag. P W in W, vertreten durch Dr. Ernst Gruber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwertgasse 3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel der unter hg. Zl. 2005/13/0180 anhängigen Beschwerde gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 28. Juni 2005, Zl. ABK-832/04, betreffend Haftung für Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe, und in der Beschwerdesache derselben Partei gegen den eben genannten Bescheid, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Begründung

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 28. November 2005, B 963/05-8, die Behandlung einer gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 28. Juni 2005, Zl. ABK-832/04, erhobenen Beschwerde abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Mit Berichterverfügung vom 11. Jänner 2006 (dem Beschwerdevertreter zugestellt am 27. Jänner 2006) hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, binnen einer Frist von vier Wochen verschiedene der Beschwerde anhaftende Mängel zu beheben. Die Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde.

Mit einem am 13. März 2006 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Beschwerde. Die versäumte Handlung (Beschwerdeergänzung) wurde unter einem nachgeholt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, die Versäumung der Frist zur Verbesserung der Bescheidbeschwerde sei dadurch zu Stande gekommen, dass das (dem Wiedereinsetzungsantrag) beiliegende Kuvert mit dem Verbesserungsschriftsatz zwar am letzten Tag der Frist, dem 24. Februar 2006, in der Kanzlei des Beschwerdevertreters "abgefertigt bereit lag auf dem Platz, auf dem die Post zum Transport zum Postamt immer bereit gelegt wird", damit es von Frau M. zur Post gebracht werde. Frau M. habe jedoch am 24. Februar 2006, offenbar durch die schwere und schließlich tödliche Erkrankung ihrer Mutter ausgelöst, den Brief versehentlich in der Kanzlei liegen gelassen. Dieses Versehen sei nicht bemerkt worden, bevor am darauf folgenden Montag, dem 27. Februar 2006, der Kanzleibetrieb wieder begonnen habe. Frau M. sei ein solches Versehen bisher "noch nicht passiert und ist eine äußerst verlässliche Kraft seit cirka 15 Jahren". Dieses Ereignis sei für die Beschwerdeführerin unvorhersehbar gewesen, da auch der Vertreter der Beschwerdeführerin erst bei der Aufklärung der Ursache dieses Versehens auf die schwere Belastung von Frau M. im privaten Bereich aufmerksam geworden sei.

Als Bescheinigung war dem Wiedereinsetzungsantrag neben der einkuvertierten Verbesserung der Bescheidbeschwerde eine eidesstattliche Erklärung von Frau F., der Sekretärin des Beschwerdevertreters, angeschlossen, in der die Fristversäumung im Wesentlichen wortgleich wie im Wiedereinsetzungsantrag geschildert wird.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Für die richtige Beachtung der Fristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich. Der Rechtsanwalt muss seine Kanzlei so organisieren, dass die richtige und fristgerechte Erledigung von gerichtlichen Aufträgen sichergestellt ist. Dabei wird auch durch entsprechende Kontrolle dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Rechtsanwalt verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind (vgl. beispielsweise die hg. Beschlüsse vom 26. Februar 2004, 2003/15/0145 und 0146, und vom 30. Oktober 2003, 2003/15/0042 und 0071, sowie die hg. Erkenntnisse vom 27. November 2000, 99/17/0395, vom 23. Jänner 2003, 2001/16/0523, und vom 25. Februar 2003, 99/14/0241).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Antragstellerin innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 22. März 2006, 2005/13/0177 und 2006/13/0027).

Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag enthält keinerlei konkrete Ausführungen darüber, ob und in welcher Weise seitens des Beschwerdevertreters durch entsprechende Weisungs- und Kontrollmaßnahmen organisatorisch dafür vorgesorgt wurde, dass zur Abfertigung an einem bestimmten Tag vorgesehene Schriftstücke von Kanzleibediensteten an demselben Tag zur Post gebracht werden. Eine Weisung, die verfahrensgegenständliche ergänzte Beschwerde noch am Freitag, dem 24. Februar 2006, mit der Post aufzugeben, weil nur mit einer Postaufgabe an diesem Tag die Verbesserungsfrist gewahrt werden konnte, ist nicht einmal behauptet worden, ebenso wenig, auf welche Weise mit der Bereitstellung des kuvertierten Schriftsatzes "auf dem Platz, auf dem die Post zum Transport zum Postamt immer bereit gelegt wird", dafür gesorgt worden wäre, dass dieser erkennbar - als fristgebundenes Schriftstück - zur Aufgabe bei der Post an demselben Tag bestimmt war. Auch Angaben über einen etwa beigeschlossenen Postaufgabeschein für rekommandierte Sendungen oder die Behandlung (Austragung) des Schriftstückes in der Fristenvormerkführung der Kanzlei fehlen.

Der Verwaltungsgerichtshof muss daher davon ausgehen, dass die verspätete Einbringung der ergänzten Beschwerde nicht nur auf das im Wiedereinsetzungsantrag geschilderte Versehen der Kanzleikraft M., dessen Umstände im Übrigen nicht durch diese selbst, sondern nur durch eine eidesstattliche Erklärung der Sekretärin F. bescheinigt wurden, zurückzuführen war, sondern auch das Fehlen einer Kanzleiorganisation hinzutrat, die sicherstellte, das Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach ausgeschlossen sind.

Damit lag aber im Ergebnis eine dem Beschwerdevertreter zuzurechnende Verletzung der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht vor, die über einen minderen Grad des Versehens hinausging.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen und demgemäß weiters das unter hg. Zl. 2005/13/0180 anhängige Beschwerdeverfahren gemäß § 34 Abs. 2 iVm § 33 Abs. 1 VwGG wegen nicht fristgerechter

Mängelbehebung (Ablauf der - vierwöchigen - Mängelbehebungsfrist am 24. Februar 2006) einzustellen.

Wien, am 19. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006130050.X00

Im RIS seit

17.08.2006

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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