TE Vwgh Beschluss 2006/4/20 2006/18/0047

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Veröffentlicht am 20.04.2006
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/18/0048

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über 1. den Antrag des B, geboren 1980, vertreten durch Mag. Christof Heel, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b/III, auf Wiederaufnahme des mit Beschluss vom 17. Jänner 2006 abgeschlossenen Verfahrens über die zur hg. Zl. 2005/18/0679 protokollierte Beschwerde und 2. den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in diesem Beschwerdeverfahren mit Verfügung vom 7. Dezember 2005 gesetzten Frist zur Behebung von Mängeln dieser Beschwerde, den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht Folge gegeben.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 7. Dezember 2005, Zl. 2005/18/0679- 2, wurde dem Beschwerdeführer unter Zurückstellung des - nur in einfacher Ausfertigung eingebrachten - Beschwerdeschriftsatzes aufgetragen, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung des Auftrages eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides anzuschließen und zwei weitere Ausfertigungen der Beschwerde für die belangte Behörde und die Bundesministerin für Inneres beizubringen, wobei darauf hingewiesen wurde, dass die Versäumung der Frist als Zurückziehung der Beschwerde gilt.

Da diesem Mängelbehebungsauftrag nicht binnen der gesetzten Frist entsprochen worden war, wurde das Verfahren über die genannte Beschwerde mit hg. Beschluss vom 17. Jänner 2006 eingestellt. Der Einstellungsbeschluss wurde dem Beschwerdevertreter am 26. Jänner 2006 zugestellt.

2. Mit Schriftsatz vom 31. Jänner 2006 (zur Post gegeben am selben Tag) stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm die Wiederaufnahme des obgenannten Beschwerdeverfahrens zu bewilligen. Dazu brachte er vor, dass erst mit Zustellung des Einstellungsbeschlusses an den Beschwerdevertreter am 26. Jänner 2006 bekannt geworden sei, dass offensichtlich die Zustellung des Verbesserungsauftrages (an den Vertreter) nicht erfolgt sei. Tatsächlich sei eine beim Beschwerdevertreter am 16. Dezember 2005 eingelangte Bescheidbeschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof übermittelt worden, allerdings sei ein Schreiben hinsichtlich einer Behebung von Mängeln dieser Beschwerde nicht beigeschlossen gewesen. Dies ergebe sich daraus, dass sich ein solches nicht im Akt (des Beschwerdevertreters) befinde und der Kanzleieingangsstempel von der Sekretärin direkt auf der Bescheidbeschwerde angebracht worden sei. Üblich sei es und es seien die Mitarbeiterinnen des Sekretariats weisungsgemäß verpflichtet, stets auf Begleitschreiben Eingangsstempel anzubringen, wenn solche beilägen. Sämtliche Post sei dann mit dem dazugehörigen Akt dem Bearbeiter vorzulegen. Der Beschwerdevertreter bestätige, dass ihm ein Verbesserungsauftrag nicht vorgelegt worden sei. Diesbezüglich sei es bisher noch nie zu Problemen gekommen. Es sei davon auszugehen, dass dem Beschwerdevertreter der Verbesserungsauftrag nicht übermittelt worden sei.

Naturgemäß sei für den Beschwerdevertreter nicht erkennbar, ob ein Fehler in seiner Kanzlei oder in der des Verwaltungsgerichtshofes passiert sei. Mit Zustellung des Einstellungsbeschlusses vom 17. Jänner 2006 am 26. Jänner 2006 sei die Fristversäumnis - so eine vorliege - bekannt geworden. Sollte der Verwaltungsgerichtshof zum Schluss kommen, dass der Fehler in der Kanzlei des Beschwerdevertreters passiert wäre, so wäre dieser Fehler durch die mit der Postbearbeitung beauftragte Sekretärin zu verantworten. Als Einziges sei denkbar, dass der Verbesserungsauftrag im Kuvert übersehen und mit diesem entsorgt worden sei. Die mit der Postbearbeitung betraute Sekretärin sei seit Jahren damit befasst, und es habe bisher keinen Fall gegeben, dass ein Schriftstück verschwunden sei. Die einlangenden Poststücke seien immer gewissenhaft bearbeitet worden, und es sei die Vorgehensweise so, dass sofort nach Öffnen der Post diese samt Akt dem Bearbeiter vorgelegt werde. Der Beschwerdevertreter versichere, dass ein Verbesserungsauftrag ihm nicht vorgelegt worden sei. Es werde daher in eventu der Antrag gestellt, den Antrag auf Wiedereinsetzung zu bewilligen.

II.

1. Zum Wiederaufnahmeantrag:

Dieser Antrag richtet sich seinem Inhalt nach auf die Bewilligung der Wiederaufnahme aus dem Grund des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG (vgl. dazu etwa die in Mayer, B-VG3, zu § 45 VwGG Anm III. zitierte hg. Judikatur). Nach dieser Gesetzesbestimmung ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluss abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn das Erkenntnis oder der Beschluss auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer im VwGG vorgesehenen Frist beruht.

Den Angaben des mit der Abfertigung des obgenannten Mängelbehebungsauftrages vom 7. Dezember 2005 beauftragten Gerichtsbediensteten (FI B.) zufolge wurde der Mängelbehebungsauftrag mit Sicherheit dem - unstrittig an den Beschwerdevertreter zurückgestellten und in dessen Kanzlei am 16. Dezember 2005 eingelangten - Beschwerdeschriftsatz beigelegt und (gemeinsam im RSb-Kuvert) an den Beschwerdevertreter abgeschickt. Dem Antragsvorbringen zufolge hält es der Beschwerdeführer selbst auch für möglich, dass der in der Kanzlei des Beschwerdevertreters mit der Postbearbeitung beauftragten Sekretärin ein Fehler unterlaufen sein könne, indem diese den Mängelbehebungsauftrag im Briefkuvert übersehen und damit entsorgt habe.

In Anbetracht der Angaben des mit der Abfertigung beauftragten Gerichtsbediensteten und dieses Vorbringens besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass mit dem zurückgestellten Beschwerdeschriftsatz auch der Mängelbehebungsauftrag (am 16. Dezember 2005) in der Kanzlei des Beschwerdevertreters eingelangt ist.

Der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund liegt daher nicht vor, sodass über den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung wie im Spruch zu entscheiden war.

2. Zum hilfsweise gestellten Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der hg. Judikatur trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Rechtsanwalt höchstens ein Versehen minderen Grades vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen. (Vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 15. November 2005, Zlen. 2005/18/0585, 0586, mwN.)

Wie sich aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers ergibt, wurde der (auf Grund der hg. Verfügung vom 7. Dezember 2005 zurückgestellte) Beschwerdeschriftsatz sofort nach Öffnen der Post durch die Sekretärin des Beschwerdevertreters diesem (oder dem von ihm beauftragten Sachbearbeiter) samt dem dazugehörigen Kanzleiakt (zur Bearbeitung) vorgelegt. Dieser Beschwerdeschriftsatz enthielt (auf Seite 1) den Vermerk der gemeinsamen Einlaufstelle des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, dem zufolge die Bescheidbeschwerde (lediglich) einfach (in einer Ausfertigung) und ohne Beilagen am 1. Dezember 2005 zur Post gegeben worden war und am 5. Dezember 2005 in der Einlaufstelle eingelangt war.

Aus dem Antragsvorbringen des Beschwerdeführers geht nicht hervor, dass der Beschwerdevertreter (oder der von diesem beauftragte Sachbearbeiter) den Umstand, dass ihm der vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellte Beschwerdeschriftsatz ohne ein gerichtliches Begleitschreiben vorgelegt wurde, für aufklärungsbedürftig erachtete und diesbezüglich Nachforschungen (zumindest) in seiner Kanzlei anstellte. Insbesondere ergibt sich aus dem Antragsvorbringen nicht, dass er mit der mit der Postbearbeitung beauftragten Kanzleisekretärin, die das Poststück sofort nach Öffnen vorgelegt hatte, Rücksprache betreffend ein gerichtliches Begleitschreiben hielt und sie etwa dazu aufforderte, Nachschau zu halten, ob sich im Postkuvert noch ein gerichtliches Schreiben befinde.

Im Hinblick darauf ist davon auszugehen, dass den Beschwerdevertreter (oder den von ihm beauftragten Sachbearbeiter) an der Versäumung der dem Beschwerdeführer gesetzten Mängelbehebungsfrist ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden trifft, das dem Beschwerdeführer zuzurechnen ist.

Demzufolge war über den Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 46 Abs. 4 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am 20. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180047.X00

Im RIS seit

13.06.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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