TE Vfgh Beschluss 2002/2/26 V120/01

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Veröffentlicht am 26.02.2002
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ProstitutionsV der Stadtgemeinde Oberndorf vom 31.10.01
Sbg LandespolizeistrafG §3

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags eines Liegenschaftseigentümers auf Aufhebung einer Prostitutionsverordnung aufgrund zumutbaren Umwegs über die iSd Landes-Polizeistrafgesetzes zu erstattende Anzeige betreffend die beabsichtigte Nutzung von Räumlichkeiten zur erwerbsmäßigen Prostitution (Bordell)

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.1. Der Antragsteller ist - nach eigenen Angaben - Eigentümer der Liegenschaft EZ 384, GB 56410 Oberndorf, und des darauf befindlichen Geschäftsgebäudes. Er beabsichtige, auf dieser Liegenschaft und in den Räumlichkeiten seines Geschäftsgebäudes ein Bordell zu betreiben und es Prostituierten zu ermöglichen, in seinem Haus die erwerbsmäßige Prostitution auszuüben; weiters beabsichtige er, Prostituierte für sein Bordell anzuwerben.

1.2. Mit dem vorliegenden, auf Art139 B-VG gestützten Antrag begehrt der Einschreiter die Aufhebung der Verordnung der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Oberndorf vom 31.10.2001, mit der die Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution im gesamten Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Oberndorf für die Dauer von drei Jahren untersagt wird.

Durch diese Verordnung werde er in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit der Erwerbsausübung sowie auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Der Rechtseingriff erfolge unmittelbar und aktuell. Es sei ihm nicht zumutbar, durch einen Verstoß gegen die Verordnung ein Verwaltungsstrafverfahren zu provozieren.

2.1. Die angefochtene, auf §3 Abs5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes gestützte Verordnung der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Oberndorf (Bezirk Salzburg-Umgebung) vom 31.10.2001, kundgemacht durch Aushang an der Amtstafel der Stadtgemeinde Oberndorf, lautet:

"VERORDNUNG

(Beschluß der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Oberndorf vom 31.10.2001)

Aufgrund §3 Absatz 5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975 i.d.g.F., wird zur Abwehr beziehungsweise Beseitigung von das örtliche Gemeinschaftsleben störenden Mißständen unbeschadet bestehender Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verordnet:

§1

Gemäß §3 Absatz 5 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. Nr. 58/1975 i.d.g.F., wird die Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution, auch wenn sie nur als Nebenleistung zu anderen gewerbsmäßigen oder sonstigen Leistungen erfolgt, im gesamten Gemeindegebiet der Stadtgemeinde Oberndorf für die Dauer von drei Jahren untersagt. Diese Untersagung gilt auch für jede Anstiftungs- oder Beihilfehandlung zur Ausübung der erwerbsmäßigen Prostitution, insbesondere durch Schaffung die erwerbsmäßige Prostitution fördernder oder tarnender Betriebsformen oder durch Beistellung von Räumlichkeiten.

§2

Die Nichtbefolgung dieser Verordnung stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- oder mit Arrest bis zu sechs Wochen bestraft wird. Bei Vorliegen von Erschwernisgründen können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden.

§3

Diese Verordnung tritt am Tag nach Ablauf der Kund-machungsfrist in Kraft.

(...)"

2.2. §3 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. 58/1975 idF LGBl. 74/2001, lautet auszugsweise:

"Prostitution

§3

(1) Wer sich an öffentlichen Orten in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 € oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Als öffentliche Orte gelten solche, die nach ihrer Bestimmung allgemein zugänglich sind. Dem Verhalten an öffentlichen Orten ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht dort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

(2) Ebenso begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß Abs1 zu bestrafen

a) (...)

c) wer in größeren Wohnbauten eine Wohnung oder eine sonstige Räumlichkeit für Zwecke der Ausübung oder Anbahnung der erwerbsmäßigen Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder diese Verwendung gestattet oder duldet. Als größere Wohnbauten gelten hiebei solche mit über vier Wohnungen;

d) wer die Anzeige gemäß Abs3 nicht erstattet;

e) wer einer Untersagung gemäß Abs3 oder Abs5 zuwiderhandelt.

(3) Wer beabsichtigt, eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, hat dies der Gemeinde anzuzeigen. Die künftige oder weitere solche Verwendung ist zu untersagen, wenn hiegegen Bedenken der im Abs4 genannten Art bestehen.

(4) Die Gemeinde kann von der Anwendung des Abs1 durch Verordnung bestimmte Teile des Gemeindegebietes oder auf Antrag des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten durch Bescheid bestimmte allgemein zugängliche Bauten oder Räumlichkeiten ausnehmen, wenn nicht zu befürchten ist, daß dies im Hinblick auf die Umgebung oder auf den Charakter der Gemeinde zu Mißständen (insbesondere sicherheits- oder sittlichkeitspolizeilicher oder hygienischer Art) führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben in der Gemeinde oder in der Nachbarschaft stören. Eine solche, im Ermessen liegende bescheidmäßige Ausnahme kann auch befristet und unter Auflagen erteilt werden; sie ist zu widerrufen, wenn erhebliche Mißstände der genannten Art dies erfordern. Abs2 litc sowie Untersagungen gemäß Abs5 gelten nicht für Objekte, für die eine Ausnahme nach den vorstehenden Bestimmungen erteilt wurde, und hiezu gehörige Räumlichkeiten.

(5) Die Gemeinde kann ferner für das Gemeindegebiet oder bestimmte Teile des Gemeindegebietes die erwerbsmäßige Prostitution durch Verordnung für einen Zeitraum von jeweils höchstens drei Jahren untersagen, wenn dort die Prostitution zu Mißständen führt, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören. Die Untersagung kann wiederholt werden, wenn Gründe für die Annahme vorliegen, daß sich die Mißstände bei Wegfall der Verordnung wiederholen würden.

(6) (...)"

II. Der Antrag ist nicht zulässig.

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988).

2. Ob der Antragsteller durch die angefochtene Verordnung unmittelbar in seiner Rechtssphäre betroffen ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, da ihm jedenfalls ein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des behaupteten Eingriffes zur Verfügung steht: Wer beabsichtigt, eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten für Zwecke der erwerbsmäßigen Prostitution zu nutzen oder zur Verfügung zu stellen, hat dies gemäß §3 Abs3 des Salzburger Landes-Polizeistrafgesetzes der Gemeinde anzuzeigen. Die genannte Verwendung ist von der Behörde zu untersagen, wenn dagegen Bedenken der in §3 Abs4 leg. cit. genannten Art bestehen. Der Antragsteller hat sohin die Möglichkeit, einen Bescheid zu erwirken, den er nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges beim Verfassungsgerichtshof bekämpfen kann.

Der Individualantrag war daher mangels Legitimation zurückzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Polizeirecht, Prostitution, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V120.2001

Dokumentnummer

JFT_09979774_01V00120_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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