TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/20 2005/18/0637

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Veröffentlicht am 20.04.2006
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §14 Abs2 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §28 Abs2 idF 2000/I/034;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des mj. Y, geboren 2005, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 25. Oktober 2005, Zl. 140.057/4- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 25. Oktober 2005 wurde der vom Beschwerdeführer am 29. August 2005 an den Landeshauptmann von Wien (die Erstbehörde) gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" gemäß § 14 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 21. September 2005 Berufung erhoben, in der er im Wesentlichen ausgeführt habe, dass er im Inland geboren worden und daher zur Inlandsantragstellung berechtigt wäre. Ferner wäre kein Quotenplatz für ihn erforderlich.

Der Beschwerdeführer sei am 3. Juli 2005 im Inland geboren worden und seit 11. Juli 2005 in Wien gemeldet. Seine Mutter habe bisher über keinen Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet verfügt. Sein Vater verfüge seit 21. Jänner 2005 über einen Niederlassungsnachweis. Ein Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet sei dem Beschwerdeführer noch nicht erteilt worden.

Nach Wiedergabe der vorgenannten Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde weiter begründend aus, dass der Beschwerdeführer den Antrag vom 29. August 2005 im Inland gestellt habe. Wenn auch dieser Antrag und die Berufung weder eine Behauptung humanitärer Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG enthielten, noch eine Anregung auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen vorliege, sei dennoch von Amts wegen eine Überprüfung im Sinn des § 10 Abs. 4 leg. cit. durchgeführt worden.

Der Vater, nicht jedoch auch die Mutter des Beschwerdeführers, verfüge über einen Aufenthaltstitel, und zwar seit längerer Zeit. In Anbetracht des Umstandes, dass der Vater berufstätig sei und die Obsorge über den Beschwerdeführer, ein (im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) weniger als sechs Monate altes Kleinkind, großteils von der Mutter getragen werde, liege kein ausreichender besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt im Sinn der materiellen Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 4 FrG vor. Eine Inlandsantragstellung werde daher gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. nicht zugelassen. Die Entscheidung der belangten Behörde gründe sich aus formeller Sicht auf § 90 Abs. 1 leg. cit..

"Die Ableitung vom Vater" sei gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. nur gültig, wenn diesem aus einem anderen Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukomme, was in Bezug auf den Beschwerdeführer nicht zutreffe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im angefochtenen Bescheid zitierten Bestimmungen des § 10 Abs. 4 FrG, des § 14 Abs. 2 leg. cit. idF der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126, und des § 28 Abs. 2 leg. cit. idF BGBl. I Nr. 34/2000 haben folgenden Wortlaut:

"§ 10. ...

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden."

"§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für kurzfristig beschäftigte Fremde (§ 5 AuslBG) kann nach der Einreise gestellt werden, wenn der Fremde an sich zur sichtvermerksfreien Einreise berechtigt ist. Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."

"§ 28. ...

(2) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten sechs Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes allein zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt jedoch nur solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem aus anderem Grund als wegen Verzichts der Mutter allein das Recht zur Pflege und Erziehung zukommt. Außerdem besteht für solche Kinder Sichtvermerksfreiheit während der ersten sechs Lebensmonate, sofern und so lange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt."

Bei der Regelung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG handelt es sich um eine Anordnung an die Behörde, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich auch vom Ausland aus abzuwarten ist. Bei einem entgegen dieser Bestimmung gestellten Antrag kommt eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. unter Bedachtnahme auf die in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2005/18/0075, mwN.)

2. Die Beschwerde bringt vor, dass der Vater des Beschwerdeführers einen am 21. Jänner 2005 ausgestellten und für die Dauer von zehn Jahren gültigen Niederlassungsnachweis besitze und der Beschwerdeführer bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen habe, "dass eine Antragserledigung nicht eine Funktion vom Geschlecht seines jeweiligen Elternteils sein kann, da Rechte des Bf nicht geschlechtspezifisch sind". Auch seien die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 4 FrG erfüllt.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

3.1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Mutter des im Inland geborenen minderjährigen Beschwerdeführers - diese war am 5. September 2002 mit einem Visum C eingereist (vgl. das ihren Beschwerdefall betreffende hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/18/0636) - bisher über keinen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügt hat, er (zumindest großteils) von ihr betreut wird und für ihn der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt wurde, und behauptet nicht, dass dem Vater des Minderjährigen allein das Recht zu dessen Pflege und Erziehung zukomme.

Von daher war der Beschwerdeführer nicht gemäß § 28 Abs. 2 FrG von der Sichtvermerkspflicht befreit und verwirklichte er nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit., sodass er nur dann dazu berechtigt gewesen wäre, den Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland zu stellen, wenn er die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 letzter Satz leg. cit. erfüllt hätte, somit die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 leg. cit. vorgelegen wären.

Hinzugefügt sei, dass gegen die - durch das BGBl. I Nr. 34/2000 novellierte - Bestimmung des § 28 Abs. 2 FrG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 2005, Zl. 2005/21/0289).

3.2. Entgegen der Beschwerdeansicht bewirkt der (bloße) Umstand, dass der Vater des Beschwerdeführers in Österreich lebt und über einen für die Dauer von zehn Jahren gültigen Niederlassungsnachweis verfügt - womit die Beschwerde offensichtlich die zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Vater bestehende Nahebeziehung ansprechen will -, nicht, dass dem Beschwerdeführer die Befugnis zur Inlandsantragstellung nach § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG zukommt.

§ 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen, und es liegt ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Gesetzesbestimmung insbesondere dann vor, wenn der Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. ausgesetzt ist. Weiters liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Gesetzesbestimmung etwa auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2005/18/0138, mwN.)

Mit dem vorgenannten Beschwerdevorbringen wird keine Konstellation angesprochen, die nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, G 119, 120/03, als ein aus humanitären Gründen besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG zu werten wäre (vgl. dazu etwa auch das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0195 bis 0197, und das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 2005/21/0289).

3.3. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, weil dieser Antrag nicht im Ausland gestellt wurde, abgewiesen hat.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. April 2006

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180637.X00

Im RIS seit

24.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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