TE Vfgh Erkenntnis 2002/2/26 V83/01

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.2002
beobachten
merken

Index

90 Straßenverkehrsrecht, Kraftfahrrecht
90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art18 Abs2
KurzparkzonenV Klosterneuburg vom 02.04.98
StVO 1960 §94f

Leitsatz

Keine gesetzwidrige Erlassung einer Kurzparkzonenverordnung in einem Ortszentrum mangels Anhörung der gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen; keine Verpflichtung zur Anhörung mangels Vorliegen einer spezifischen Interessenbetroffenheit

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 2. April 1998, ZIV/3-658-144/98, wurde gemäß §94d Abs1 litb iVm. §25 StVO 1960 für die gesamten Parkflächen (beidseitig) in der Tauchnergasse in Klosterneuburg eine gebührenpflichtige Kurzparkzone für die Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 8.00 h bis 18.00 h und einer Parkdauer von maximal 90 Minuten eingerichtet.

Die angeführte Verordnung wurde am 21. April 1998 an der Amtstafel von Klosterneuburg angeschlagen und am 5. Mai 1998 von dort wieder abgenommen. Die entsprechenden Vorschriftszeichen gemäß §52 lita Z13d und 13e StVO 1960 wurden kundgemacht.

2.1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im folgenden: UVS) ist ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig, in welchem dem Berufungswerber vorgeworfen wird, mit einem mehrspurigen Kraftfahrzeug am 12. März 1999, in der Zeit von 14.00 Uhr bis 14.06 Uhr, in einer abgabepflichtigen Kurzparkzone in Klosterneuburg (Tauchnergasse gegenüber der ONr. 1) gehalten zu haben, ohne daß der Parkschein für das abgabefreie Halten gut erkennbar angebracht war, und dadurch eine Übertretung des §3a des NÖ Kurzparkzonenabgabegesetzes begangen zu haben.

2.2. Aus Anlaß dieses Verfahrens entstanden beim UVS Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angewendeten Kurzparkzonenverordnung.

Gestützt auf Art139 Abs1 B-VG iVm. Art129a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG stellt der UVS daher den beim Verfassungsgerichtshof am 6. September 2001 eingelangten und zu V83/01 protokollierten Antrag,

"die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 2.4.1998, GZ IV/3-658-144/98, als gesetzwidrig aufzuheben".

Der UVS hegt Bedenken dahingehend, daß die angeführte Verordnung in einem nicht der Bestimmung des §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 entsprechenden Verfahren zustande gekommen sein könnte, weil vor ihrer Erlassung die gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen nicht angehört worden seien. Zu berücksichtigen sei nämlich der Umstand, daß wegen der in unmittelbarer Nähe der verfahrensgegenständlichen Kurzparkzone verordneten weiteren Kurzparkzonen die Kurzparkzone in Klosterneuburg nahezu flächendeckend sei. Außerhalb der Kurzparkzonen gebe es Autoabstellmöglichkeiten in nur sehr beschränktem Ausmaß, wie etwa im Parkdeck auf dem Areal der Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung mit knapp 50 Abstellplätzen, das von Montag bis Donnerstag von 07.30 Uhr bis 15.30 Uhr und am Freitag von 07.30 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet habe. Im Einzugsbereich der Kurzparkzone(n) befänden sich die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung, das Bezirksgericht Klosterneuburg, ein Verwaltungsgebäude des ÖAMTC sowie etliche kleinere Geschäfte und Gewerbebetriebe, sodaß die Interessen von Mitgliedern jener Berufsgruppen, die innerhalb der Kurzparkzone eine Arbeitsstätte oder ihren Berufssitz hätten, durch die Errichtung der Kurzparkzone berührt sein könnten.

3. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg hält diesen Bedenken entgegen, daß von einer flächendeckenden Kurzparkzone nicht die Rede sein könne und die Stadtgemeinde Klosterneuburg bei Erlassung der Verordnung daher davon ausgegangen sei, daß keine Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt würden. Er weist aber darauf hin, daß der vorliegende Verordnungstext "bereits den gesetzlichen Interessenvertretungen zur Anhörung übermittelt" worden sei. Eine Reaktion darauf sei unterblieben. Die Verordnung sei neuerlich kundgemacht worden.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Unabhängigen Verwaltungssenates, sofern der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art129a Abs3 B-VG iVm. Art89 Abs2 B-VG aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung der Verordnung hat. Da der antragstellende UVS bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung der mitbeteiligten Partei auch die eingangs angeführte Verordnung anzuwenden hat, weil die Bestrafung des Berufungswerbers wegen Verkürzung der Kurzparkzonenabgabe voraussetzt, daß die Tat im Geltungsbereich der Kurzparkzone begangen wurde, ist sein Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.

2. Die vom UVS geäußerten Bedenken ob des gesetzmäßigen Zustandekommens der Verordnung treffen jedoch nicht zu:

2.1. Festzuhalten ist zunächst, daß sich der Verfassungsgerichtshof in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken hat (vgl. VfSlg. 9089/1981, 10640/1985, 10811/1986, 11580/1987, 14044/1995, 15644/1999). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist.

2.2. Gemäß §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 ist - außer bei Gefahr im Verzuge - vor Erlassung einer straßenpolizeilichen Verordnung die gesetzliche Interessenvertretung einer Berufsgruppe anzuhören, "wenn Interessen von Mitgliedern (dieser) Berufsgruppe berührt werden".

Bereits in VfSlg. 5784/1968 hat der Verfassungsgerichtshof (zur seinerzeitigen, beinahe gleichlautenden Vorschrift des §43 Abs8 StVO 1960) angenommen, daß "das Interesse einer Berufsgruppe jedenfalls dann berührt wird, wenn durch eine Verkehrsbeschränkung die Ausübung des betreffenden Gewerbes ... erschwert oder gar unterbunden wird".

Zu §94f Abs1 StVO 1960 hat der Verfassungsgerichtshof in vergleichbaren Verfahren ganz allgemein ausgeführt (vgl. VfSlg. 14051/1995, 14439/1996), daß nur Umstände, welche die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe "in spezifischer Weise" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung berührt erscheinen lassen, die Anhörungspflicht gemäß §94f Abs1 StVO 1960 begründen. Sind Mitglieder einer Berufsgruppe hingegen "ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung betroffen, wird nicht bewirkt, daß die Interessen der Mitglieder der Berufsgruppe im Sinne des §94f Abs1 StVO 1960 spezifisch berührt werden".

2.3. Der Verfassungsgerichtshof ist nach Einsicht in den Verordnungsakt, insbesondere an Hand der vom Bürgermeister der Stadtgemeinde Klosterneuburg vorgelegten Planskizze zur Auffassung gelangt, daß auch trotz aller weiteren im Zentrum von Klosterneuburg verordneten Kurzparkzonen im vorliegenden Fall nicht von einer flächendeckenden Kurzparkzone die Rede sein kann. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, was die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe in spezifischer Weise berührt erscheinen ließe, sodaß im Lichte der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 5784/1968, 9818/1983, 11920/1988, 13783/1994, 14053/1995, 14439/1996, 15421/1999, 15471/1999, 15644/1999, 15778/2000) nicht davon auszugehen ist, daß durch die vorliegende Verkehrsbeschränkung die "Ausübung eines Gewerbes erschwert oder gar unterbunden" würde.

Die verordnungserlassende Behörde war daher gemäß §94f Abs1 StVO 1960 nicht verpflichtet, vor Erlassung der Kurzparkzonenverordnung eine gesetzliche berufliche Interessenvertretung anzuhören. Sie hat ein dieser Bestimmung entsprechendes Verfahren durchgeführt.

Der Antrag war daher abzuweisen.

3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG vom Verfassungsgerichtshof ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Kurzparkzone, Verordnungserlassung, Anhörungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2002:V83.2001

Dokumentnummer

JFT_09979774_01V00083_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten