TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/20 2006/18/0077

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Veröffentlicht am 20.04.2006
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §68 Abs1;
FrG 1997 §10 Abs4;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §19 Abs2 Z6;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2006/18/0078 2006/18/0079

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde

1. des R, geboren 1976, 2. der L, geboren 1977, und 3. der X, geboren 1997, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen die Bescheide der Bundesministerin für Inneres vom 4. November 2005,

1.

Zl. 314.977/2-III/4/05, 2. Zl. 314.977/3-III/4/05, und

3.

Zl. 314.977/4-III/4/05, jeweils betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 4. November 2005 wurden die Anträge der Beschwerdeführer vom 10. Mai 2005 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen gemäß §§ 10 Abs. 4, 14 Abs. 2 sowie 19 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführer seien am 12. Juli 2001 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist. Sie hätten Asylanträge gestellt, die (gemäß § 7 AsylG) rechtskräftig (mit Bescheiden vom 1. Juni bzw. 9. August 2004) abgewiesen worden seien. Gleichzeitig sei gemäß § 8 AsylG festgestellt worden, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer in ihre Heimat (den Kosovo) zulässig sei. In weiterer Folge sei gegen die Beschwerdeführer rechtskräftig die Ausweisung erlassen worden. Der Aufenthalt der Beschwerdeführer auf Grund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz hätte nicht zur Folge, dass sie als niedergelassen anzusehen wären. Ihre Anträge vom 10. Mai 2005 seien als Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zu werten. Wenn die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG vorliegen würden, könnte ein Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden. Dass der Erstbeschwerdeführer in Österreich einer Beschäftigung nachgehe und die deutsche Sprache erlernt habe, sei kein ausreichender, besonders berücksichtigungswürdiger humanitärer Aspekt. Er sei zwar im Besitz eines arbeitsrechtlichen Dokumentes, habe dieses jedoch nur auf Grund seines vorläufigen Aufenthaltsrechtes nach dem Asylgesetz erwirken können. Auch das berechtigte Interesse an einer Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation durch Auswanderung nach Österreich stelle eben so wenig einen humanitären Grund dar, wie das Fehlen von Anknüpfungspunkten im Heimatland und die Integration in Österreich. Die wirtschaftliche Lage im Kosovo sei bekannt. Die Europäische Union wende erhebliche finanzielle Mittel auf, um die dortige wirtschaftliche Lage zu verbessern. Die internationale Friedenstruppe UNMIK sorge für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit. Die Menschenrechtslage im Südserbien habe sich entscheidend gebessert. Den Beschwerdeführern sei jederzeit eine gefahrlose Rückkehr in ihre Heimat, den Kosovo, möglich. Darüber hinaus zeige die zweitinstanzliche abweisende Entscheidung in den asylrechtlichen Verfahren, dass die Beschwerdeführer keiner Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen ausgesetzt seien. Auch die Schwangerschaft der Zweitbeschwerdeführerin und die "vollständige Integration" der Drittbeschwerdeführerin seien keine Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG. Die Beschwerdeführer hätten ihre Anträge gemäß § 14 Abs. 2 FrG vor der Einreise vom Ausland aus stellen müssen.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, auch wenn die bei ihnen vorliegenden Umstände für sich betrachtet jeweils keinen berücksichtigungswürdigen Grund iSd § 10 Abs. 4 FrG darstellen würden, sei "die Frage des besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne einer Mosaiktheorie anzusehen ... und Teilaspekte, welche für sich allein noch nicht zur Begründung eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles ausreicht, in ihrer Gesamtheit sehr wohl eine solche Situation veranlassen können." Der Schulbesuch der Drittbeschwerdeführerin, deren perfekte Kenntnis der deutschen Sprache, die Tatsache, dass sie einen Großteil ihres Lebens in Österreich verbracht habe, die Umstände, dass der Erstbeschwerdeführer in den Arbeitsmarkt integriert sei sowie dass die Zweitbeschwerdeführerin schwanger sei und kurz vor ihrer Niederkunft stehe, würden in ihrer Gesamtheit einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 10 Abs. 4 FrG darstellen.

1.2. § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG) von der Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen. Einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG hat der Verwaltungsgerichtshof nur bei mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG verbundenen Lebensumständen eines Fremden und wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht, angenommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0020).

Durch die rechtskräftige Abweisung der Asylanträge der Beschwerdeführer und die rechtskräftige Feststellung, dass deren Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Kosovo zulässig ist, steht fest, dass die Beschwerdeführer in ihrer Heimat keiner Gefährdung oder Bedrohung im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG ausgesetzt sind, sofern nicht in den als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2006/18/0020). Mit ihrem Vorbringen haben die Beschwerdeführer aber nicht aufgezeigt, inwieweit sich für sie seit der rechtskräftigen Abweisung ihrer Asylanträge (siehe I. 1.) die Lebenssituation im Kosovo und damit die für die rechtliche Beurteilung der für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles im Sinn von § 10 Abs. 4 FrG maßgeblichen Sachverhaltselemente wesentlich geändert hätten. Auch die Kumulation der von den Beschwerdeführern genannten Umstände bietet keine Grundlage, einen besonders berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 10 Abs. 4 FrG anzunehmen. Die Abweisung der gegenständlichen Anträge mangels Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 FrG ist unbedenklich.

2. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. April 2006

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006180077.X00

Im RIS seit

17.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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