TE Vwgh Erkenntnis 2006/4/20 2005/18/0636

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Veröffentlicht am 20.04.2006
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §10 Abs4 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §14 Abs2 idF 2002/I/126;
FrG 1997 §28 Abs2 idF 2000/I/034;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/18/0637

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der S, geboren 1974, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 27. September 2005, Zl. 140.057/3- III/4/05, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 27. September 2005 wurde der von der Beschwerdeführerin am 20. April 2005 von Österreich aus im Postweg an die österreichische Botschaft in Ankara gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" gemäß § 14 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe in ihrer gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. Juni 2005 erhobenen Berufung ausgeführt, dass sie verheiratet wäre, vier Stiefkinder hätte, welche österreichische Staatsbürger wären, und auf Grund dieser verwandtschaftlichen Beziehung in Österreich überwiegende humanitäre Gründe vorlägen.

Die Beschwerdeführerin habe am 11. September 2001 in der Türkei den türkischen Staatsbürger K. geheiratet. Sie sei am 5. September 2002 mit einem von der genannten österreichischen Botschaft ausgestellten, vom 30. August 2002 bis 28. November 2002 gültigen Visum C eingereist und seit 22. Oktober 2002 in Wien gemeldet.

Am 16. Oktober 2003 habe die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, der von der Behörde als Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" gewertet worden sei. Dieser Antrag sei durch die Erstbehörde mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 gemäß § 14 Abs. 2 FrG abgewiesen worden. Die von der Beschwerdeführerin dagegen eingebrachte Berufung sei von der belangten Behörde mit Bescheid vom 16. März 2004 mangels ausreichender humanitärer Gründe ebenfalls abgewiesen worden.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei seit 21. Jänner 2005 im Besitz eines Niederlassungsnachweises. Der Verbleib der leiblichen Mutter der Stiefkinder der Beschwerdeführerin sei nicht bekannt.

Der Beschwerdeführerin sei bisher ein Aufenthaltstitel für das österreichische Bundesgebiet nicht erteilt worden. Diese sei im Zeitpunkt ihrer Antragstellung im Inland aufhältig gewesen.

Zu ihren Berufungsausführungen, dass sie verheiratet wäre und vier Stiefkinder hätte, dass es sich bei den Kindern um G., geboren am 27. August 1992, H., geboren am 5. August 1993, P., geboren am 28. Februar 1998, und K., geboren am 14. Juli 1999, handle. Die Geburtsurkunden der Kinder seien nicht vorgelegt worden, weshalb die Vaterschaft des Ehemannes der Beschwerdeführerin nicht erwiesen sei. Zudem habe sie weder im ersten Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels noch im gegenständlichen Verfahren den Verbleib der leiblichen Kindesmutter dargelegt. Mangels vorgelegter Unterlagen könne nicht nachvollzogen werden, ob der Ehemann der Beschwerdeführerin über das Sorgerecht für die Kinder verfüge. Auf Grund dieser nicht eindeutig geklärten Familienverhältnisse könnten die genannten Kinder nicht als humanitäre Begründung zur Erteilung eines Aufenthaltstitels herangezogen werden.

Die Anwesenheit des Ehemannes der Beschwerdeführerin in Österreich stelle für sich allein ebenso keinen besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Grund im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG dar. Eine Inlandsantragstellung gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG werde daher nicht zugelassen. Diese Entscheidung der belangten Behörde gründe sich aus formeller Sicht auf § 90 Abs. 1 leg. cit..

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im angefochtenen Bescheid genannten Bestimmungen des § 10 Abs. 4 FrG und des § 14 Abs. 2 leg. cit. idF der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126, haben folgenden Wortlaut:

"§ 10. ...

(4) Die Behörde kann Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2, 3 und 4 sowie gemäß Abs. 2 Z. 1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Besonders berücksichtigungswürdige Fälle liegen insbesondere vor, wenn die Fremden einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 ausgesetzt sind. Fremden, die ihre Heimat als Opfer eines bewaffneten Konfliktes verlassen haben, darf eine solche Aufenthaltserlaubnis nur für die voraussichtliche Dauer dieses Konfliktes, höchstens für drei Monate erteilt werden. Im Falle strafbarer Handlungen gemäß § 217 StGB darf Zeugen zur Gewährleistung der Strafverfolgung sowie Opfern von Menschenhandel zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche gegen die Täter eine solche Aufenthaltserlaubnis für die erforderliche Dauer erteilt werden."

"§ 14. ...

(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat; dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht erteilt hätte werden können (§ 13 Abs. 3). Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für kurzfristig beschäftigte Fremde (§ 5 AuslBG) kann nach der Einreise gestellt werden, wenn der Fremde an sich zur sichtsvermerksfreien Einreise berechtigt ist. Liegen die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 vor, kann der Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland gestellt werden."

Bei der Regelung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG handelt es sich um eine Anordnung an die Behörde, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich auch vom Ausland aus abzuwarten ist. Bei einem entgegen dieser Bestimmung gestellten Antrag kommt eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. unter Bedachtnahme auf die in § 8 Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 5. April 2005, Zl. 2005/18/0075, mwN.)

2.1. Die Beschwerde bringt vor, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin über einen am 21. Jänner 2005 ausgestellten, für die Dauer von zehn Jahren gültigen Niederlassungsnachweis verfüge, sie die Stiefmutter der vier Kinder ihres Ehegatten sei und diese Kinder österreichische Staatsbürger seien. Mit ihrem Ehegatten habe sie ein gemeinsames, am 3. Juli 2005 in Wien geborenes Kind. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Gefährdung der Erziehung und Obsorge der vier Stiefkinder und des gemeinsamen leiblichen Kindes der Beschwerdeführerin keinen berücksichtigungswürdigen Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG darstellen solle. Vielmehr seien die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung erfüllt.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

§ 10 Abs. 4 FrG stellt auf mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen verbundene Lebensumstände eines Fremden ab, die dazu Anlass geben, diesem aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen, und es liegt ein berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Gesetzesbestimmung insbesondere dann vor, wenn der Fremde einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 leg. cit. ausgesetzt ist. Weiters liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn dieser Gesetzesbestimmung etwa auch dann vor, wenn - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2005/18/0138, mwN.)

Der von der Beschwerde vorgebrachte Umstand, dass der in Österreich lebende Ehegatte der Beschwerdeführerin über einen gültigen Niederlassungsnachweis verfüge, sie die Stiefmutter von dessen vier Kindern sei und diese Kinder österreichische Staatsbürger seien, stellt keine Konstellation dar, die nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003,

G 119, 120/03, als ein aus humanitären Gründen besonders berücksichtigungswürdiger Fall im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG zu werten wäre (vgl. dazu etwa auch die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2004, Zlen. 2004/21/0195 bis 0197, und vom 11. Oktober 2005, Zl. 2005/21/0289). Wenn die Beschwerde weiters geltend macht, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann ein gemeinsames, am 3. Juli 2005 in Wien geborenes Kind habe, so ist auch insoweit für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen, weil der für dieses Kind gestellte Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der belangten Behörde vom 25. Oktober 2005 gleichfalls abgewiesen wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2005/18/0637, mit dem die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde) und das Kind, wie die Beschwerdeführerin, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist.

3. Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin am 5. September 2002 mit einem Visum C in Österreich eingereist ist, ihr bisher kein Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet erteilt worden ist und sie (auch) im Zeitpunkt der Stellung ihres Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung in Österreich aufhältig gewesen ist.

Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung, weil jene zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung, wie auch danach, im Bundesgebiet aufhältig war, abgewiesen hat.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 20. April 2006

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2005180636.X00

Im RIS seit

18.05.2006
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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